Über zu wenig Arbeit können sich weder Iris und Johann van den Bongard noch ihre rund 40 Mio. Bienen beschweren. Denn ab Ende Februar geht es los. „Sobald die ersten Pflanzen blühen, beginnt auch für uns die arbeitsreiche Zeit mit einer Sieben-Tage-Woche für uns alle“, erklärt Iris van den Bongard. Dann verteilen die Tierwirtmeisterin, Fachrichtung Bienenhaltung, und ihr Vater zusammen mit den zehn Angestellten ihre rund 1000 Bienenvölker von Willich im Kreis Viersen aus in ganz Deutschland.
Mission „große Erdbeeren“
„Unsere ersten Bestäubungsaufträge im Jahr kommen von Landwirten, die Erdbeeren unter Glas anbauen“, berichtet Johann van den Bongard. Obwohl Erdbeerpflanzen selbstbestäubend sind, können Bienen helfen, die Blüten zu bestäuben, sodass später eine makellose, große und schwere Frucht wächst. Das ist gerade beim Anbau unter Glas oder im Folientunnel wichtig, wo der natürliche Hummel- und Bienenflug eingeschränkt ist. Doch Erdbeerpflanzen sind pollenarm. Sie bringen keine Honigernte. Das heißt auch, sie bieten nur wenig Nahrung für die kleinen bräunlichen Tiere. „Unsere Bienen bleiben nur etwa drei Wochen auf den Betrieben, eh wir sie tauschen und in ein Gebiet bringen, das mehr Nahrung für sie bereithält“, erklärt Iris van den Bongard. Für diese Dienstleistung zahlt der Landwirt eine sogenannte Bestäubungsprämie an das Imkerduo.
Honig aus Deutschland
Obwohl die Honigproduktion bei Familie van den Bongard nur eine untergeordnete Rolle spielt, fahren sie quer durch die Republik, um ihre Bienen zu platzieren. Nur so können sie Rubinen-, Wald- sowie Rapshonig und noch viele weitere Sorten anbieten. „Wenn wir hier einen Rapshonig produzieren wollten, dann gelänge das deutlich schlechter als in der Region um Soest, wo sich die Böden einfach besser für den Raps eignen“, erklärt die 31-Jährige die natürlichen Herausforderungen einzelner Regionen.
Inselkönigin auf Brautschau
Doch es gibt noch einen weiteren Grund, warum das Vater-Tochter-Gespann einige ihrer Bienen beizeiten transportfertig macht. Denn mehrmals im Jahr fahren sie mit insgesamt 250 bis 300 Königinnen auf die Insel. Mal ist es Ameland, mal Marken, beides in den Niederlanden. Mit im Gepäck die noch jungen Bienenköniginnen. Nicht etwa zum Urlaubmachen, sondern wegen des wohl wichtigsten Standbeins des Betriebes: Königinnenzucht und Vermehrung. Auf die Inseln verirren sich naturgemäß keine anderen Bienen, da sie von Wasser umgeben sind. Das ist wichtig, „denn für die Zucht müssen Vater- und Muttertier identifizierbar sein“, erläutert Johann van den Bongard. Auf den Inseln gibt es Drohnen (männliche Bienen) der Zuchtlinien Buckfast, die den Zuchtlinien der Familie van den Bongard entsprechen. Bei der Auswahl der Tiere legen sie besonderen Wert auf leistungsfähige Tiere, die eine gewisse Härte mitbringen aber auch friedlich sind. Denn kein Imker wird gern von seinen Bienen gestochen.
Mit Nadel und Gefühl
Nach der gut zweiwöchigen Brautschau holen Iris und Johann van den Bongard die Königinnen wieder zurück ins Rheinland und geben ihnen ein Volk. Die befruchteten Königinnen beginnen binnen 14 Tagen mit der Eiablage. „Im Sommer legt eine gute Königin bis zu 2500 Eier am Tag“, erklärt die Imkermeisterin Iris van den Bongard. Denn eine gute Königin hat beidseitig je zwischen 160 und 180 Eileiter.
Nach drei Tagen entwickeln sich aus den Eiern mikroskopisch kleine Larven. Das Imker-Duo setzt einige in künstliche Brutzellen. „Das machen wir mit einer besonderen Umlarvnadel, um sie nicht zu verletzen.“
Aus den in den Waben verbleibenden Larven werden später Arbeiterbienen heranwachsen.
Auf Not folgt neue Königin
Damit aus einer Larve später eine Königin wird, braucht es einen Trick. „Wir klauen einem Volk vorübergehend die Königin“, schmunzelt Iris van den Bongard. Diesem quasi in Not geratenen Volk geben sie dann eine weibliche Larve zurück, die in einer der künstlichen Brutzellen liegt. Da jedes Bienenvolk zum Überleben eine Königin braucht, kümmern sich die Arbeiterinnen um den Neuankömmling. Sie geben ihm auch über die ersten Stunden als Larve hinaus Gelee Royal zu fressen. Dabei handelt es sich um ein besonders nahrhaftes Futter. Die Larven angehender Arbeiterinnen erhalten es nur in den ersten sechs Stunden. „Danach bekommen Sie ein Futtersaftgemisch mit Pollen und Honig zu fressen“, erklärt Iris van den Bongard. Die zur Königin auserkorene Larve wird später nicht nur größer sein, sondern im Vergleich zu einer Arbeiterbiene auch komplett ausgebildete Geschlechtsorgane haben.
20 000 Königinnen im Jahr
Nach fünf Tagen haben die Bienen die Brutzelle der angehenden Königinnen verschlossen, dann entnehmen van den Bongards sie und geben sie in den Brutschrank. Acht Tage später ist es soweit und eine neue Königin ist geboren. Dann können die beiden Imker sie markieren und verkaufen. „Mittlerweile sind wir einer der größten Königinnen-Macher in ganz Deutschland“, sagt Johann van den Bongard, der auf mehr als 40 Jahre Imkererfahrung zurückblickt. Rund 20 000 Königinnen gehen pro Jahr aus dem „Bienenland“ hervor und summen fortan fleißig durch die Natur.
Imker werden: Aller Anfang braucht Geduld
Imkern ist beliebt. Doch es setzt einiges an Fachwissen voraus. „Wir empfehlen jedem Neuling, zunächst einmal erfahrenen Imkern über die Schulter zu schauen – am besten auch bei mehreren“, sagt Johann van den Bongard. „Wer eine Bienenallergie hat, der sollte sich aber lieber ein anderes Hobby suchen“, ergänzt seine Tochter.
Bienen zu halten ist nicht ganz günstig. „Rund 1000 € muss ein Einsteiger schon rechnen, wenn er mit zwei bis drei Völkern beginnen möchte“, weiß Johann van den Bongard, der vor rund 40 Jahren genau diese Marktnische für sich entdeckte. Er entwickelte ein Set, das alle für den Einstieg notwendigen Materialien beinhaltete. Mit der Zeit merkte er, dass es mit der bloßen Ausstattung nicht getan war, sondern Bildung und Wissen das A und O sind. Heute geben er und seine Tochter zahlreiche Kurse, in denen Neueinsteigern nicht nur etwas über die Biologie der Biene, sondern auch Krankheiten sowie die Honigernte und -verarbeitung erlernen. Denn rund um die Bienenhaltung fallen viele Arbeiten an.
Rund 27 Stunden je Bienenvolk und Jahr sollte ein Einsteiger mindestens an Aufwand kalkulieren. Doch gerade zu Anfang empfiehlt der Bienenexperte, deutlich mehr Zeit aufzuwenden: „Schließlich muss man sich erst mit den Tieren vertraut machen.“ Er vergleicht es mit einem Auto: „Einen Motor lernen Sie auch nicht kennen, wenn Sie nur auf die Motorhaube starren – Sie müssen reinschauen.“ Doch mit jedem Öffnen des Bienenstocks unterbrechen die Tiere ihre Arbeit und das Mikroklima im Stock wird zerstört. „Es braucht rund 24 Stunden, eh Ruhe eingekehrt ist und die Bienen wieder mit der Honigproduktion beginnen“, weiß Johann van den Bongard um den negativen Effekt, den man dennoch in Kauf nehmen sollte. Schließlich geht es auch bei Bienen ums Tierwohl.