Es hat sich inzwischen herumgesprochen: Das Land Nordrhein-Westfalen bereitet ein neues Denkmalschutzgesetz vor. Bau- und Heimatministerin Ina Scharrenbach hatte ihren ersten Entwurf nach erheblicher Kritik zurückziehen und überarbeiten müssen. Im März hat das Landeskabinett der neuen, zweiten Fassung zugestimmt. Bis Ende vergangener Woche konnten Organisationen und Verbände Stellung nehmen.
Viele haben sich zu Wort gemeldet – vom Westfälischen Heimatbund über die Deutsche Stiftung Denkmalschutz bis zu den Landschaftsverbänden im Rheinland und Westfalen, hierzulande seit fast 130 Jahren für die Baudenkmalpflege zuständig. Allein der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) übersandte eine 56 Seiten umfassende „fachliche Auseinandersetzung“, wie Barbara Rüschoff-Parzinger, die zuständige Kulturdezernentin des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, gegenüber dem Wochenblatt erläuterte.
Gesetz „ohne Not“ geändert
Neben anerkennenden Tönen wurde erneut erhebliche Kritik an der Gesetzesnovelle geäußert. Im Mittelpunkt stehen vor allem zwei Kernfragen:
- Wie regelt das Gesetz den Konflikt zwischen Erhaltung und Bewahrung von Baudenkmälern einerseits und deren wirtschaftliche (Um-)Nutzung andererseits?
- Welche Rolle sollen künftig die beiden Denkmalpflegeämter der kommunalen Landschaftsverbände im Rheinland (LVR) und Westfalen (LWL) spielen?
„Ich mache mir große Sorgen um die Zukunft der Baudenkmäler und der Kulturlandschaft“, fasst die LWL-Kulturdezernentin Barbara Rüschoff-Parzinger ihre Sicht auf die Novelle zusammen. Das Denkmalschutzgesetz von 1980 sei bewährt, das habe eine aufwendige, vom Bauministerium des Landes beauftragte Überprüfung („Evaluation“) ergeben. Dennoch werde es nun von eben diesem Ministerium „ohne Not“ geändert, kritisiert Rüschoff-Parzinger.
Fachleute sind "freiwillig" anzuhören
Von wenigen Streitfällen abgesehen laufe der Denkmalschutz im Land aus Sicht der LWL-Kulturdezernentin „relativ geräuschlos“. Das gelte gerade auch für die Abstimmung zwischen den Kommunen und dem Amt für Denkmalpflege beim LWL, das bislang fachlich beratend zu Rate gezogen werden muss. Dieses im Juristendeutsch sogenannte „Benehmen“ soll gestrichen werden. Stattdessen ist im Gesetz nur noch eine „freiwillige Anhörung“ der Denkmalpflegeämter vorgesehen – sie, so befürchten Kritiker, sei wohl eher unverbindlich.
Das solle die Städte und Gemeinden und deren untere Denkmalpflege stärken, vermutet Rüschoff-Parzinger, wendet aber ein:
„Oft fehlt es genau auf der kommunalen Ebene an Personal und Fachlichkeit“ – nicht zuletzt, weil das die Finanzkraft etlicher Kreise und Kommunen gerade auch im ländlichen Raum überfordere.
Dieses in der Evaluation klar benannte Problem werde im Gesetzesentwurf nicht angegangen. „Aber wer entscheidet dann? Und auf welcher Grundlage?“ Ohne eine westfalenweit agierende Denkmalpflege gebe es einen von Kommune zu Kommune unterschiedlichen Denkmalschutz – „es wird alles willkürlich“, so Rüschoff-Parzingers Fazit. „In der Konsequenz werden viele vor allem kleinere Baudenkmäler verloren gehen.“
WHB: (Um-)Nutzung statt Schutz?
Zu Wort meldete sich auch der Westfälische Heimatbund (WHB). Der dem LWL nahestehende Dachverband von rund 570 Heimat-, Kultur- und Bürgervereinen in Westfalen begrüßt die bessere finanzielle Förderung von Denkmälern sowie die Gründung eines Landesdenkmalrates. Er könne gesellschaftlichen Gruppen eine stärkere Stimme geben.
Der WHB schlägt sich auf die Seite der Denkmalämter der Landschaftsverbände. Sie hätten aufgrund ihrer anerkannten Expertise und ihrer fachlichen Weisungsungebundenheit bislang die Aufgabe eines Anwalts und Fürsprechers der Denkmäler wahrgenommen. „Wenn künftig diese Kenntnisse nicht mehr abgerufen werden, wird ein von der Baupraxis geprägtes Verwaltungsverfahren im Zentrum stehen, das überdies auch von Kommune zu Kommune unterschiedlich gehandhabt wird.“
Der WHB befürchtet, das neue Gesetz rücke weniger den Schutz als die wirtschaftliche (Um-)Nutzung in den Mittelpunkt. Die geltenden Standards zum Denkmalschutz würden zugunsten „sachfremder Aspekte“, etwa in Bezug auf Wirtschaft und Klima, aufgeweicht. Dabei sei gerade die Denkmalpflege vorbildlich im Umgang mit natürlichen Ressourcen. „Hier wird graue Energie erhalten, natürliche Baustoffe und Handwerker aus der Region werden eingesetzt.“
IG Bauernhaus: Zeugniswert der Baukultur
Klimaschutz und Erhalt von denkmalwerter Bausubstanz seien „in jedem Fall vereinbar“ – darauf hat bereits vor Wochen die IG Bauernhaus hingewiesen, die sich seit den 1970er-Jahren für den Erhalt von Baukultur im ländlichen Raum einsetzt. Oberste Priorität solle die Bewahrung des Denkmals mit seinem kulturhistorischen Zeugniswert haben „und nicht die wirtschaftliche Rentabilität“. Gerade problematische Objekte, die keine Lobby haben, und Denkmale, die bereits dem Verfall preisgegeben sind, sieht die IgB durch die angestrebten Neuregelungen gefährdet – zumal wenn kommunale Eigentümer mehr Spielräume erhalten.
„Gegen gute Regierungsführung“
In der Debatte um die Denkmalschutz-Novelle geht es nicht um westfälische Befindlichkeiten. Auch der Landschaftsverband Rheinland hat bereits vor Wochen Widerspruch eingelegt. Nun folgte der für die Heimatpflege zuständige „Rheinische Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz“ mit auffallend harscher Kritik.
Zu seinen eher harmlosen Vorwürfen zählt noch der Hinweis, dass die Gesetzesnovelle Baudenkmäler abwerte und die fachliche Dimension schwäche. Denn weiter heißt es: „Vorgeschlagene Verfahrensänderungen laufen modernen Grundsätzen der guten Regierungsführung entgegen, die Novelle entwickelt keine neuen Ansätze und fällt hinter globale und europäische Standards zurück.“ Überdies schade das Gesetz in seiner jetzigen Form dem Kultur-, Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Nordrhein-Westfalen durch „Relevanzverlust“.
Mit diesen und vielen weiteren Argumenten wird sich nun der Landtag in Düsseldorf befassen. Nach den bisherigen Planungen des Ministeriums sollen die Beratungen vor der Sommerpause abgeschlossen sein. Das Gesetz soll am 1. Januar 2022 in Kraft treten.