Kaffee, Knuspermüsli, Bauernspätzle und Kichererbsen-Fusili aus dem Spender, Seife im Stück, Wattepads aus Baumwolle und Zahnpasta als Pulver – plastikfreie Lebensmittel und Hygieneartikel sind in aller Munde. Angesicht der vielen überflüssigen Verpackungen im Supermarkt oder im Discounter fristen Unverpackt-Läden längst kein hippes Nischendasein in Großstädten mehr, sondern schießen wie Pilze aus dem Boden.
Schluss mit dem Verpackungswahnsinn
Mittlerweile gibt es deutschlandweit rund 300 Unverpackt-Läden, mehr als 80 in NRW. Einer davon ist Theo Tütenlos, ein neuer Unverpackt-Laden in Werl im Kreis Soest. Die knapp formulierte, aber nicht weniger anspruchsvolle Idee dahinter: dem Verpackungswahnsinn ein Ende setzen. „Jeder kann etwas tun, um den Abfallberg zu reduzieren“, ist Inhaberin Katharina Griewel (34) überzeugt.
Sie selbst erinnert sich an ein Schlüsselerlebnis – einen Tauchurlaub auf Bali. „Wie oft hörte ich von Ozeanen voller Plastik und Müll. Aber als ich selbst zwischen Plastiktüten herumschwamm und mit eigenen Augen sah, wie Mantarochen durch den Müll schwimmen, den wir exportieren, war das erschreckend.“ Dieses Erlebnis habe ihr Bewusstsein zu mehr Nachhaltigkeit noch mehr geschärft.
Unverpackt-Läden braucht das Land
Gleichzeitig räumt sie ein, dass es schwierig sei, das persönliche Einkaufsverhalten zu ändern, wenn entsprechende Angebote in der Nähe – besonders auf dem Land – fehlen.
Die 34-Jährige weiß, wovon sie redet. Als Studentin lebte sie zusammen mit ihrer Schwester Lara (32) in einer Kölner WG. Der nächste Unverpackt-Laden war nur einen Katzensprung entfernt. Und als die Studienzeit vorbei war und beide Schwestern nach den ersten Jobs 2019 zurück nach Werl kehrten, war der plastikfreie Einkauf kaum mehr als ein guter Wille. Für den Wocheneinkauf nach Köln oder Münster zu fahren sei weder umweltfreundlich, noch nachhaltig, noch praktisch, monieren die Schwestern. Als erfahrene Marketingmanagerin und BWLerinnen beschlossen sie im vergangenen Sommer: „Wir eröffnen unseren eigenen Unverpackt- Laden.“
Einkaufen im Unverpacktladen
Seit März 2020 verkaufen Katharina und Lara Griewel an der Hammer Straße in Werl auf 80 m2 Müsli, Mehl, Kaffee, Gewürze, Süßes, Snacks, Obst und Gemüse sowie Produkte des täglichen Bedarfs wie Bienenwachstücher, Holzspülbürsten und Waschsoda. Und zwar tütenlos. Das Ganze ist einfach. Der Kunde bringt seine eigenen Gefäße mit oder kauft Mehrwegbehälter. Eigene Gläser und Dosen wiegt er vor dem Einkauf und notiert das Leergewicht, damit er nur die Ware bezahlt. Dann wird abgefüllt und zum Schluss an der Kasse bezahlt.
Tierärztin und Autorin Lisa Keil aus Ense begrüßt das neue Angebot. „Für die Kinder ist es ein Erlebnis. Statt einer bunten Verpackung sehen sie das reine Produkt, das sie sich selbst abfüllen.“ Allerdings erfordere der Einkauf Planung, räumt Lisa Keil ein. „Ich überlege genau, was ich an haltbaren Lebensmitteln benötige und was ich davon unverpackt kaufen kann. Danach richte ich meinen restlichen Einkauf aus.“ Dafür kaufe sie jetzt bewusster, betont sie. Um diese kleinen Veränderungen geht es Katharina und Lara Griewel. „Wir haben uns gewünscht, diese Art des Einkaufens auch auf dem Land zu ermöglichen. Das haben wir geschafft.“ Was für die Werlerinnen gilt, gilt ebenso für die rund 300 anderen Läden.
Studie belegt: Weniger Plastik beim Einkauf
Die Idee, beim Einkaufen Müll zu sparen, hat Erfolg. Das zeigt eine Studie der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Demnach können Unverpackt-Läden dazu beitragen, Verpackungsmüll einzusparen und Prozesse im Lebensmitteleinzelhandel ökologischer zu gestalten. Doch das ist eben nur eine Seite der Medaille.
Damit der Verzicht auf Verpackungen im Lebensmittelhandel zur Normalität wird, sind tief greifende Veränderungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette und stufenübergreifende Kooperationen zwischen Läden, Erzeugern und Lieferanten erforderlich. Der Einkauf von Nudeln, Reis und Müsli im Unverpackt-Laden ist nur ein kleiner Schritt, aber immerhin ein Anfang.
Wo es den nächsten Unverpackt-Laden in Ihrer Nähe gibt, erfahren Sie hier.
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