Experimente für den Alltag

Dankbarkeit bewusst erleben

Ob fünf Minuten Zettelchen schreiben oder eine Erbse von links nach rechts schieben – es kann ganz leicht sein, Dankbarkeit bewusster zu empfinden.

So ein „Danke“ flutscht im Alltag schnell über die Lippen. Weniger oft macht man sich hingegen darüber Gedanken, wofür man dankbar ist – mal abgesehen von der Tür, die einem aufgehalten wird. Wir haben drei einfache Dankbarkeitsexperimente herausgesucht. Ein Nebenerwerbslandwirt aus Warendorf und ein Paar von einem Kräuterhof aus Hürth haben sie getestet. Eine Woche lang haben sie bewusst danke gedacht, gesagt und geschrieben. Lesen Sie hier, welche Erfahrungen die drei gemacht haben.


Erbsen-Wechsel

Diese kleine Übung funktioniert ganz im Stillen.

1. Nehmen Sie dazu fünf Erbsen, Bohnen, Murmeln oder andere kleine Gegenstände und verstauen Sie diese am ersten Morgen des Experiments in Ihrer linken Hosentasche.

2. Jedes Mal, wenn Sie sich an diesem Tag ehrlich über etwas freuen oder dankbar sind, nehmen Sie eine Erbse aus ihrer linken Hosentasche heraus und legen diese in die rechte Tasche.

3. Am Abend holen Sie die Erbsen aus der rechten Hosentasche hervor. Versuchen Sie sich in aller Ruhe daran zu erinnern, in welchem Moment Sie die Erbse in die Tasche gelegt haben. Nehmen Sie sich kurz Zeit den Gedanken und das Gefühl noch mal zu verinnerlichen.
Am nächsten Morgen starten alle Erbsen wieder in der linken Tasche.

Georg Feidieker, Landwirt im Nebenerwerb und Techniker im Maschinenbau aus Warendorf (Bildquelle: privat)

Bewusst durch den Tag
„Ich versuche am Ende eines jeden Tages diesen bewusst zu reflektieren. Durch das Erbsen-Experiment habe ich schon tagsüber genau hingehorcht. „Ist dieser Moment eine Erbse wert?“, habe ich mich dann gefragt. Unter der Woche wanderten im Schnitt drei der fünf Erbsen von der linken in die rechte Tasche. Das ist nicht wenig. Aber am ­Wochenende waren es schnell mal ­alle fünf.

Was mich sehr überrascht, ja fast erschreckt hat, war, dass ich in der Experiment-Woche keine einzige Erbse während der Arbeit verteilt habe. Dabei macht die Arbeit oft zehn bis zwölf Stunden meines Tages aus. An sich habe ich schon das Gefühl, dass mich die Landwirtschaft und der Maschinenbau erfüllen. Dankbar war ich aber vor allem für meine Familie: Für meine Tochter und ihre tolle Bachelorarbeit, den 90. Geburtstag meiner Mutter und das Essen meiner Frau.

Ich kann das Experiment jedem empfehlen. Es bietet die Chance, sich gute Momente bewusster zu machen. Um das noch zu verstärken, habe ich mir abends aufgeschrieben, wann und warum die Erbsen die Hosentasche wechseln durften.“


Fünf Minuten Tagebuch

Ein paar kurze Stichpunkte können dabei helfen, mit guten Gedanken einzuschlafen. (Bildquelle: Schildmann)

Dinge aufzuschreiben, für die man dankbar ist, hilft ungemein sie zu verinnerlichen. Im Alltag fehlt aber oftmals die Zeit oder Kraft für ausführliche Texte. Fünf Minuten können schon helfen, das Positive nicht aus den Augen zu verlieren.

1. Versuchen Sie über den Tag hinweg achtsam für Dinge, Menschen und Worte zu sein, über die Sie sich gefreut haben. Auch Dankbarkeit für die eigene Person, Kraft oder eine Eigenschaft kommt dabei natürlich infrage.
2. Setzen Sie sich am Tagesende hin und schreiben Sie mindestens drei dieser Dinge auf kleine Notizzettel oder Ähnliches. Stichpunkte reichen dabei völlig. Wichtig ist, sich bewusst zu erinnern.
3. Legen Sie alle Zettelchen in ein Einmachglas oder eine Box.

Tipp: In einem Glas haben Sie die Momente jederzeit im Blick.

René Esser (45), Kräuterpädagoge aus Hürth (Bildquelle: privat)

Ab aufs Kopfkissen
René Esser: „Es gibt viele Momente in meinem Alltag, für die ich dankbar bin. Deshalb ist es mir nicht schwergefallen, abends drei Momente zu finden, für die ich tagsüber dankbar war. Mal war es, dass meine Freundin sehr lecker für mich gekocht hat, oder dass alle Mitarbeiter auf meinem Hof da waren und wir viel geschafft haben. Einmal habe ich auch aufgeschrieben, dass ich einfach dankbar dafür bin, dass ich morgens aufstehen und atmen durfte.
Schwerer als einen Moment zu finden, war es für mich, diszipliniert zu bleiben und das Experiment in meinen Alltag zu integrieren.
Mir hätte es geholfen, wenn ich mir das Tagebuch auf mein Kopfkissen gelegt hätte, samt Stift. Dann wäre ich automatisch an die Übung erinnert worden. Vor dem Einschlafen noch mal über schöne Momente des Tages nachzudenken, kann wirklich gut tun.“

An einem schlechten Tag kann der Griff zu einem positiven Zettel ein Lächeln ins Gesicht zaubern. (Bildquelle: Schildmann)


Aussprechen hält besser

Wann hat sich das letzte Mal jemand bei Ihnen bedankt? Und wann haben Sie sich das letzte Mal bei jemandem bewusst und ehrlich bedankt? Dankbarkeit auszutauschen ist besonders schön. Die folgende Übung dazu ist sehr flexibel gestaltbar.
1. Seien Sie achtsam dafür, wenn Sie einem anderen Menschen über den Tag dankbar sind. Dabei kann es sich um Kleinigkeiten handeln: Hat der Nachbar Ihr Paket angenommen? Hat ein Kollege Kaffee gekocht?
Es kann auch um grundsätzliche Dankbarkeit gehen: Dankbarkeit für Eltern, die einem Selbstbewusstsein geschenkt haben, oder für eine Freundin, die immer ein offenes Ohr hat. Es gibt unzählige Möglichkeiten.
2. Und los: Sagen Sie es der Person direkt und bewusst, wenn er oder sie vor Ort ist. Rufen Sie sie abends an oder schreiben eine kurze Postkarte. Oder, falls wenig Zeit ist, machen Sie mit dem Smartphone ein Foto von der Situation und schicken Sie eine kurze Nachricht an die Person. Hauptsache ist, Sie zeigen Ihre Dankbarkeit in irgendeiner Form und genießen das Echo.
Tipps: Manchmal vergisst man in der Hektik des Alltags, was man sich vorgenommen hat. Damit Sie die Übung über den Tag nicht vergessen, haben wir ein mögliches Hintergrundbild für Ihr Smartphone gebastelt. Stellen Sie es als Bildschirmschoner ein. So werden Sie bei jedem Blick aufs Handy erinnert. Sie wissen nicht, wie Sie Ihren Dank ausdrücken können? Auch da sagt ein Bild häufig mehr als tausend Worte.

Dieses Hintergrundbild für Ihr Smartphone erinnert Sie automatisch an die Experimente. (Bildquelle: Schildmann)

Das Bild können Sie hier herunterladen:

Keine Selbstverständlichkeit

Heike Karl: „Ich hatte während des Experiments große und kleine Momente, für die ich dankbar war. Auf dem Weg zu meinem Gewächshaus habe ich eine wunderschöne grüne Feder gefunden. Da habe ich Dankbarkeit extrem gespürt.
Ausgesprochen habe ich meinen Dank zum Beispiel gegenüber einer zuverlässigen Nachbarin, die jede Woche ganz selbstverständlich unsere Mülltonnen rausstellt. Ganz leicht gefallen ist mir das Aussprechen aber nicht immer. So habe ich die Mutter eines Freundes angerufen, von der ich wusste, dass es ihr nicht sonderlich gut geht. Ich habe ihr gesagt, wie wertvoll sie in meinem Leben ist.
Insgesamt war die Übung für mich nicht schwierig, sondern eher vertraut, da Dankbarkeit eine große Rolle in meinem Leben spielt. Es ist wichtig, sich immer wieder bewusst zu machen, dass nichts selbst­verständlich ist.“

Heike Karl (45), Gärtnerin auf einem Kräuterhof in Hürth (Bildquelle: privat)

Eigenlob stinkt?

Ein Kommentar von Wochenblatt-Volontärin Munia Nienhaus:

"Ich mag mich und bin dankbar für mich selbst – eine gewagte These? Klingt das in Ihren Ohren komisch oder gar selbstverliebt?

Ein Selbst-Experiment: Ich habe versucht, drei Dinge zu finden, die ich an meiner besten Freundin mag, in einer Minute. Mein Fazit: Machbar! Danach habe ich versucht, in der gleichen Zeit drei Dinge zu finden, die ich an mir mag. Fazit hier: Erschreckend schwierig. „Ich bin mutig“ oder „Ich mag meine humorvolle Art“ auch nur zu denken fühlte sich seltsam an. Als hätte ich einen verbotenen Korridor betreten. Sich hingegen selbst zu kritisieren oder Makel zu suchen, das funktioniert schnell und häufig ganz ­automatisch.

Dabei ist es so wichtig, sich selbst auch mal zu feiern. Jeder und jede bewirkt so viele Dinge am Tag und hat Eigenschaften, auf die es sich lohnt, stolz zu sein. Das ist weit entfernt davon, sich in den Himmel zu loben oder für ­etwas Besseres zu halten.

Sich selbst zu mögen und sich seiner Stärken bewusst zu sein kann eine fantastische Stütze sein, um mit den zahllosen He­rausforderungen im Alltag und im Trubel der Welt zurechtzukommen.

Vielleicht versuchen Sie es auch mal. Es kostet gerade mal einen Gedanken vor dem Einschlafen. Fragen Sie sich: Was mag ich an mir? Zumindest bei mir hat sich das verbotene Gefühl nach nur wenigen Tagen zu einem Lächeln vor dem Einschlafen gewandelt."

Munia Nienhaus, Volontärin beim Wochenblatt (Bildquelle: Schildmann)