Gerade haben die Elektriker das Sagen. Auf der Tenne und im ehemaligen Bullenstall ziehen sie kilometerweise Kabel ein, damit es in allen Ecken Strom und einen leistungsfähigen Internetzugang gibt. Glasfaser liegt seit einem Jahr. „Das ist das A und O“, sagt Bernhard Holtkamp. Ein schnelles Netz ist Pflicht, wenn Menschen ihren Arbeitsort auf den Hof in der Bauerschaft Callenbeck verlegen sollen. Und genau das ist das Ziel von Elisabeth und Bernhard Holtkamp.
Neujahr wollen sie auf ihrem Hof im Kreis Borken einen Coworking-Space eröffnen. Bis zu 18 Arbeitsplätze stehen dann zur Verfügung, tage-, wochen- oder auch monatsweise mietbar.
Seit rund einem Jahr planen und bauen die Holtkamps an ihrem „Arbeitsort“ mitten in münsterländischer Parklandschaft. Bis ins Dorf sind es von ihrem Hof 2 km, bis zur A 31 sind es 5 km. „Einen Bahnhof haben wir nicht vor der Tür“, sagt Elisabeth Holtkamp. „Aber dafür ist es sehr ruhig.“
Erste Idee: Wohnungen
Den alten Stall wollte die Familie, zu der auch Bernhard Holtkamps Mutter sowie vier Söhne zwischen 12 und 23 Jahren gehören, ursprünglich zu Wohnungen umbauen. Die Genehmigung lag auch schon einige Jahre in der Schublade. Aber dann kam Corona und eine andere Art des Arbeitens – auch für das Ehepaar Holtkamp.
Sie kann als Bürokauffrau einen Teil ihrer Arbeit von zu Hause erledigen. Er ist Staatlich geprüfter Landwirt und Betriebswirt. Den 30-ha-Betrieb hat er ursprünglich im Nebenwerb geführt, mittlerweile aber auf ein Minimum zurückgefahren. Nach verschiedenen Stationen in der Agrarbranche arbeitet er inzwischen im Vertrieb einer Software-Firma. Dafür ist er normalerweise viel unterwegs. Ab März vergangenen Jahres saß er dann plötzlich im Homeoffice. Das funktionierte gut. „Aber irgendwann hat mir der direkte Austausch mit anderen gefehlt“, sagt er. Er beschäftigte sich mit dem Thema Coworking und dachte irgendwann: „Das wäre auch etwas für uns.“
In der Genossenschaft
Bernhard Holtkamp schloss sich der Genossenschaft CoWorkLand an, die Gründer auf dem Land vernetzt, und ging in den Austausch über seine Idee. Vor allem mit dem Regionalbüro der Genossenschaft in Ahaus diskutierte er über den Standort, die Zielgruppe und die Anforderungen an einen Umbau.
Drei Gruppen haben die Holtkamps als Nutzer im Visier:
- Pendler, die sich längere Fahrtzeiten ins Büro sparen wollen. Potenzial dafür sehen sie in einem Umkreis von 15 Autominuten.
- Selbstständige, die nach einer guten Geschäftsadresse oder Räumen suchen, in denen ihr Team wachsen kann.
- Menschen, die Arbeit und Urlaub verbinden wollen. Sie mieten sich für einige Wochen in der Region ein – zum Beispiel auf einem Ferienhof. Tagsüber arbeiten sie dann im Coworking-Space. Nach Feierabend erkunden sie die Umgebung.
Für alle Gruppen hat Bernhard Holtkamp eine Beispielperson im Kopf. Immer wieder fragt er sich, was diese von dem Coworking-Space erwarten würde.
Flexibilität für die Tenne
Geplant hat den Umbau das Büro Hidding & Schwanekamp aus Rosendahl. Der 60 m2 große Raum auf der Tenne ist auch für Veranstaltungen geeignet. Außerhalb solcher Zeiten können sich hier bis zu sechs Gäste einen Schreibtisch aussuchen. Flexibel nutzbar sind auch die größeren Räume über der Tenne und im ehemaligen Stall. Dort entstehen zudem zwei Einzelbüros. Außerdem gibt’s Besprechungsräume, eine Teeküche, in der auch mal ein Mittagessen gekocht werden kann, und Toiletten.
Tiefe Eingriffe in die Infrastruktur waren nicht erforderlich. Die alten Güllekanäle haben die Holtkamps mit einer Betondecke verschlossen und zu einem 200 m3 großen Löschwasserreservoir umfunktioniert. Die Spaltenböden dienten dabei zum Teil als Basis für die Decke. Die Kleinkläranlage kommt mit den zusätzlichen Tagesgästen zurecht und die Pelletheizung muss zwar an ihre Leistungsgrenze gehen, soll die zusätzliche Last aber tragen können. Die Baugenehmigung durch den Kreis Borken lief problemlos. Die Holtkamps loben die konstruktive Zusammenarbeit.
Arbeitsplatz mit allem Drum und Dran
Ein halbes Dutzend Schreibtische stapelt sich bereits auf der Tenne. „Die Arbeitsplätze sollen einem Büroarbeitsplatz in nichts nachstehen“, sagt Bernhard Holtkamp. Den Rahmen dafür steckt die Arbeitsstättenverordnung. In ihr sind Mindestgrößen für Büros vorgegeben, etwa 10 m2 haben die Holtkamps für jeden Arbeitsplatz eingeplant.
Einen eigenen Server oder Speicherkapazitäten müssen die Holtkamps nicht vorhalten. Die meisten Firmen speichern ihre Daten inzwischen in einer Cloud. Gefragt sind aber WLAN-Kapazitäten für Laptops, Smartphones und andere Kleingeräte.
LEADER-Förderung
Die höhenverstellbaren Schreibtische haben die Holtkamps mit einer Förderung aus dem Regionalbudget des LEADER-Programms angeschafft. Bis zu 20 000 € gibt es dort für Kleinprojekte. Für den Umbau zu Wohnungen hätte die Familie KfW-Mittel in Anspruch nehmen können. Mit der nun gewerblichen Nutzung fiel diese Förderung flach.
Insgesamt stehen rund 250 m2 Fläche zur Verfügung. Die Holtkamps kalkulieren mit Umbaukosten von rund 1500 €/m2. Die Preise für die künftigen Nutzer sind noch nicht festgelegt. Los gehen wird es vermutlich mit Tagessätzen um 15 € und 300 € im Monat für ein festes Büro. Zusätzlichen Service, wie ein Schließfach, gibt es gegen Gebühr.
Nachbarn und Nutzer
Als Erstes haben Holtkamps ihren Nachbarn die Pläne erklärt. Kontakte zu potenziellen Nutzern knüpft Bernhard Holtkamp gerade über soziale Netzwerke, die auf berufliche Verbindungen setzen, wie Linkedin und Xing. Gezielt ansprechen will er auch Unternehmen aus der Region, Seminaranbieter und Vereine.
Buchbar ist „calle3“, so der Name des Coworking-Space, künftig über eine eigene Internetseite und das Buchungsportal von CoWorkLand. Bernhard Holtkamp ist gespannt, wie das neue Angebot anläuft und stellt sich auf eine neue Rolle ein. „Wir sind hier nicht Zirkusdirektor oder Animateur, eher Hoteldirektor.“