Tom Tenostendarp ist mit seinen 29 Jahren vermutlich der jüngste Bürgermeister in Westfalen. Am 13. September hat er mit über 65 % der Stimmen die Wahl in Vreden im Kreis Borken gewonnen. Der CDU-Kandidat setzte sich im ersten Wahlgang gegen drei Mitbewerber durch.
Zu Vreden gehören neben der Kernstadt fünf Kirchdörfer sowie fünf Bauerschaften. Die Landwirtschaft prägt bis heute die 130 km2 große Kommune mit ihren über 23 000 Einwohnern an der niederländischen Grenze. Wir sprachen mit dem ersten Bürger der Stadt.
Junge Wähler über soziale Netzwerke
Wochenblatt: Was war Ihr Erfolgsrezept im Wahlkampf? Wie haben Sie die Wähler von sich überzeugen können?
Tenostendarp: Mein Team und ich haben viele Bierbankgespräche geführt. Überall haben wir eine Bierbank aufgestellt, Getränke mitgebracht und unter freiem Himmel das offene Gespräch gesucht. Ohne lange Rede habe ich mich kurz vorgestellt und dann haben wir mit den Bürgern über die Herausforderungen vor Ort gesprochen, zum Beispiel was geschieht mit den Laternen in der Siedlung oder wie geht es mit den Grundschulen weiter.
Außerdem habe ich über die sozialen Netzwerke im Internet einen aktiven Wahlkampf geführt. Darüber habe ich zum Beispiel viele Anfragen von Jugendlichen erhalten.
Wochenblatt: Als Jurist haben Sie gerade Ihre Promotion abgeschlossen. Sie hätten auch einen anderen Karriereweg einschlagen können. Was hat Sie motiviert zu kandidieren?
Tenostendarp: Vreden ist für mich eine Herzensangelegenheit. Ich bin hier geboren und möchte hier hoffentlich noch mindestens 40 Jahre leben. Dafür möchte ich jetzt gemeinsam mit den Bürgern vor Ort die Weichen stellen.
Beruflich war es mein Ziel, in der Verwaltung zu arbeiten. Als Bürgermeister habe ich auf der einen Seite viel mit der Verwaltung zu tun und auf der anderen Seite die Möglichkeiten zu gestalten. Diese Mischung hat mich motiviert zu kandidieren.
Wochenblatt: Was entgegnen Sie Kritikern, die meinen, Ihnen würde die nötige Erfahrung fehlen?
Tenostendarp: Ich bin Volljurist mit einem Schwerpunkt auf Verwaltungsrecht. Durch meine Arbeit in der Universitätsverwaltung und dem Innenministerium NRW ist mir die Verwaltung aus der Praxis bekannt. Natürlich kann ich keine Erfahrung von 30 Jahren vorweisen.
Im Ehrenamt habe ich aber auch Verantwortung getragen und Führung gezeigt. Außerdem bin ich nicht allein. Mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rathaus werde ich einen guten Job machen.
Wochenblatt: Worin unterscheiden Sie sich als junger im Vergleich zu einem älteren Amtsinhaber?
Tenostendarp: Ich bin offener gegenüber digitalen Themen. Ich nutze die sozialen Medien zur Kommunikation, aber auch um mehr Transparenz über meine Arbeit zu schaffen. Mir ist wichtig mittendrin, statt nur dabei zu sein. Vor Ort werde ich im Gespräch bleiben und mir die Probleme anhören, sei es bei einer Tasse Kaffee oder am Tresen.
Privatsphäre im Urlaub
Wochenblatt: Bürgermeister ist ein 24-Stunden-Job, sieben Tage die Woche. Haben Sie noch ein Privatleben?
Tenostendarp: Ich habe jetzt schon gemerkt, dass ich mehr beobachtet werde. Das war mir vorher klar. Ich kann nicht sagen: Ich bin hier privat, lass mich mal in Ruhe. Natürlich gibt es die Möglichkeit, mal eine Woche wegzufahren, um vielleicht woanders seine Privatsphäre zu genießen.
In zwei Vereinen bin ich auch noch im Vorstand. Die Ämter werde ich aber aufgeben, weil es sonst zu Konflikten kommen könnte.
Wochenblatt: Sie sind nun der Ansprechpartner Nummer eins in der Kommune. Bereitet Ihnen das manchmal Bauchschmerzen?
Tenostendarp: Ab und zu schon. Ich stehe vor der Herausforderung, dass auch mal unangenehme Themen auf den Tisch kommen und Bürger nicht zufrieden sein werden mit meinen Entscheidungen. Damit muss ich leben. Das kann in einer Demokratie auch nicht anders sein. Wichtig ist dann aber, zu erklären, warum etwas geht und warum etwas nicht geht.
Wochenblatt: Ihr Elternhaus steht in der Bauerschaft. Ihre Mutter kommt vom Hof. Haben Sie weitere Kontakte zur Landwirtschaft?
Tenostendarp: Der Freund meiner Schwester ist Landwirt. Auch sonst habe ich viele Kontakte zu Landwirten vor Ort. Ich weiß, wo ihnen der Schuh drückt.
Wochenblatt: Wo drückt der Schuh denn?
Tenostendarp: Auf kommunaler Ebene sind im Moment bei den Landwirten die Wirtschaftswege ein großes Thema. Wie geht’s mit ihnen weiter? Wie werden sie finanziert und ausgebaut? Da wird in Vreden gerade ein neues Konzept erstellt. Die Wirtschaftswege sind aber nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für den Radverkehr wichtig.
Allgemein müssen die Landwirte unterscheiden zwischen dem, was die Stadt bewegen kann und was nicht. Als Bürgermeister kann ich die Rahmenbedingungen von oben nicht ändern, aber ein Ansprechpartner vor Ort sein, der auch Kontakte in die Landes- und Bundespolitik vermittelt.
Wochenblatt: Wie geht es nach der Wahl weiter?
Tenostendarp: Anfang November werde ich auf der konstituierenden Ratssitzung ins Amt eingeführt. Mit dem noch amtierenden Bürgermeister werde ich bis dahin alle noch anstehenden Termine gemeinsam wahrnehmen. Im Vorfeld bereiten wir die Übergabe vor, damit ich am 2. November nicht völlig unvorbereitet ins Büro komme.
Wochenblatt: Wie geht’s nach der Amtszeit weiter? Sie wären 34 Jahre.
Tenostendarp: Es ist keine kurzfristige Aufgabe für mich. Ich würde mich auch ein zweites Mal aufstellen lassen, wenn der Wähler das möchte. Ich kann mir heute auch vorstellen, 15 Jahre Bürgermeister zu sein. Das wird die Zukunft zeigen. Irgendwann ist aber Zeit für einen Wechsel, um wieder Platz für neue Ideen zu schaffen. Politik ist immer Verantwortung auf Zeit.
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