Interview

Bewusst einkaufen – wie geht das?

Wie kann ich mich für bessere Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsproduktion einsetzen?

Siegel, Logos, Label – viele versprechen eine nachhaltige Produktion. Die meisten davon kommen bei Ihrer Bewertung nicht gut weg. Woran liegt das?

Leider gibt es bis heute kein Siegel, das faire Arbeitsbedingungen und existenzsichernde Löhne garantieren kann. Label machen vor allem Aussagen zu den Rohstoffen und der Schadstofffreiheit im Endprodukt. Doch generell gilt: Siegel, die von unabhängigen Stellen überprüft werden, sind immer glaubwürdiger als firmeneigene „Siegel“. Einen Überblick über Labels im Textilbereich und ihre Glaubwürdigkeit geben wir auf unserer Internetseite.

Was gehört noch dazu, bewusst einzukaufen?

Wir sollten nur kaufen, was wir tatsächlich brauchen und uns nicht von kurzlebigen Trends leiten lassen. Auf billige Schnäppchen sollten wir verzichten – in vielen Fällen ist Ausverkaufsware kein Ladenhüter, sondern wird extra für den Sale produziert. Secondhandshops, Kleidertauschbörsen oder auch Selbstgenähtes sind eine Alternative. Kleidung sollten wir lange tragen und sorgsam pflegen.

Vision einer gerechten Welt
Die Christliche Initiative Romero (CIR) ist ein unabhängiger, gemeinnütziger Verein mit Sitz in Münster. Er engagiert sich für ein gerechtes Wirtschaftssystem, in dem Menschen unter würdigen Bedingungen arbeiten können und Unternehmen sozial und ökologisch handeln. Dabei setzt der Verein auf Kampagnen- und Bildungsarbeit.
www.ci-romero.de

Wenn wir weniger neue Kleidung kaufen, verlieren dann nicht Näherinnen letztlich ihre Arbeit?

Wir müssen davon wegkommen, die Kleidung in Massen herzustellen. Die hohe Stückzahl, die pro Stunde produziert werden muss, verursacht die schlimmen Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken: Zeitdruck, monotone Arbeitsschritte, Überstunden. Sinkt die Nachfrage, könnte das die Arbeitsbedingungen entspannen.

Sie empfehlen, Druck auf Marken auszuüben – etwa im Geschäft oder per Mail nachzufragen, wie es mit existenzsichernden Löhnen aussieht. Was versprechen Sie sich davon?

Die Forderungen können bis in die Chefetagen durchdringen, wenn genügend Menschen mitmachen. Viel Aufmerksamkeit konnten wir zum Beispiel mit ­einer Postkarten-Aktion zum 50. Geburtstag der Billigmarke Primark erreichen. Der wichtigste Adressat ist aber die Politik. Wir fordern ein Lieferkettengesetz: Unternehmen, die Schäden an Mensch und Umwelt in ihren Lieferketten verursachen oder in Kauf nehmen, müssen dafür haften. Ein solches Gesetz ist kürzlich in der Schweiz knapp an der er­forderlichen Kantonsmehrheit gescheitert. Die Mehrheit der Bevölkerung war dafür. Um in Deutschland einen entsprechenden gesetzlichen Rahmen zu schaffen, üben wir weiter Druck aus – etwa mit einer E-Mail-Protestaktion, die sich an Bundes­wirtschaftsminister Altmaier richtet.