Wer ein altes Haus renoviert, kennt das: Manchmal sind Geduld und Ausdauer gefragt, manchmal schnelle Entscheidungen. Dr. Thomas Güttler hat diese Tugenden in den vergangenen 25 Jahren zur Genüge trainiert. Einigen Baustoffen ist er jahrelang hinterhergelaufen, ein Haus hat er schon einmal innerhalb von zwei Stunden gekauft.
Das war vor zehn Jahren. Als er erfuhr, dass das Nachbarhaus zwangsversteigert würde, war es bereits kurz vor knapp. Ruck, zuck besorgte er sich den nötigen Bundesbankscheck. Kurz darauf saß er im Amtsgericht Höxter und bekam für 20 000 € den Zuschlag. „Meine Frau war erst fürchterlich wütend“, berichtet er. Inzwischen ist das Haus für beide eine Freude.
280 m2 aus 500 Jahren
Treppauf, treppab läuft Dr. Thomas Güttler durch den Bau an der Stummrigestraße mitten in Höxter. Teile des Hinterhauses sind mehr als 500 Jahre alt. Der Bau an der Straße stammt aus dem Jahr 1830. Insgesamt summiert sich das Ensemble auf 280 m2 Wohnfläche. Von der Straße bis in den Hinterhof misst der Bau 18 m, hoch geht es bis auf 14 m.
Wochenlang waren die Familie und viele Helfer mit Entrümpelungsarbeiten beschäftigt. Das dauerte, auch weil blindes Entsorgen bei den Güttlers verpönt ist. Die Prämisse lautet stattdessen: „Nicht unnützen Kahlschlag machen.“ Denn das wird nach den Erfahrungen von Dr. Thomas Güttler teuer – gerade jetzt, wo die Materialpreise steigen – und widerspricht seinem Anspruch, Ressourcen zu schonen. „Holz ist zum Beispiel bei der Entsorgung gebührenpflichtig und am Ende geht alles durch den Schredder.“
Epochen bleiben sichtbar
Der 59-Jährige versucht möglichst viel wiederzuverwerten. Das ist schwierig, wenn ein Altbau später wie ein Neubau aussehen soll. Bei Güttlers darf die Herkunft aus verschiedenen Epochen sichtbar bleiben. Schritt für Schritt geht es bei der Sanierung voran, die im Jahr 2014 begann. Inzwischen sind die ersten Räume unter dem Dach bezugsfertig. Der Blick fällt auf altes Fachwerk und durch die Fenster in der Gaube zum Bahndamm und zur Weser, die direkt hinter dem Grundstück verlaufen. Der Fußboden ist mit großflächigen Eichenbohlen belegt. 40 Festmeter hat Güttler aus dem Höxteraner Stadtwald gekauft, selbst aufschneiden und trocknen lassen.
Bauhelfer in Vollzeit
Insgesamt vier Wohnungen entstehen in dem Haus, das Apartment oben unter dem Dach hat schon einer der drei Söhne reserviert. Die meisten Arbeiten erledigt ein Bauhelfer, den Dr. Thomas Güttler seit zehn Jahren fest und in Vollzeit angestellt hat. 40 Stunden pro Woche arbeitet er auf der Baustelle, als Hausmeister in der Praxis und an weiteren Objekten. Viele Fertigkeiten hat er sich nach und nach angeeignet. Einmal am Tag bespricht Dr. Thomas Güttler mit ihm, welche Arbeiten anstehen.
Lediglich Spezialaufgaben wie die Elektrik vergibt er weiter extern. „Handwerker zu bekommen ist sehr schwierig und er ist sehr viel flexibler einsetzbar.“ Arbeit gibt es genug und ganz nebenbei spart er die Mehrwertsteuer, die ansonsten auch auf Lohnkosten fällig würde.
Sparsame Sanierung
Die Nettokosten der Sanierung setzt Dr. Thomas Güttler bei ungefähr 600 €/m2 an. Das ist wenig im Vergleich zu konventionell und ausschließlich von Fachfirmen sanierten Häusern. Nicht einkalkuliert ist die verzögerte Vermietung, bereits abgezogen sind 120 000 €, die er an Fördermitteln bekommen hat. Unterstützung gab es unter anderem über die Städtebauförderung des Landes, aus Bundesmitteln für Investitionen in die Haustechnik und von der Stadt Höxter. Auch bei der Versorgung mit Strom und Wärme setzen die Güttlers auf erneuerbare Ressourcen. Die Heizung läuft über eine Grundwasser-Wärmepumpe, die in 7,50 m Tiefe das Wesergrundwasser nutzt. Zusätzlich gibt’s Solarthermie und einen Stückholzkessel – als Reserve, wenn der Grundwasserstand zu niedrig ist. Auf verschiedenen Dächern ist zudem eine Photovoltaik-Anlage mit 10 kWp montiert. Den Strom nutzen die Güttlers für den Eigenbedarf.
In allen Außenwänden ist eine Wandheizung installiert. Das sorgt auch dafür, dass der Bau auf Dauer trocken bleibt. Direkt auf dem Putz sind alle Wände mit Kalkkaseinfarben gestrichen. Das ist nicht nur gut fürs Raumklima, sondern auch ausnehmend günstig. Das gesamte Material für den Innenanstrich hat gerade einmal 150 € gekostet. Fachwissen hat Güttler in den vergangenen Jahrzehnten reichlich erworben. „Man muss schon wissen, wie’s geht, sonst kann man Schiffbruch erleiden.“
Tipps für die Baustoffjagd
Dr. Thomas Güttler hält ständig Augen und Ohren offen, wenn er auf der Suche nach Baumaterialien ist. „Rumgucken und durch die Gegend fahren“, sind für ihn probate Tipps. Außerdem helfe es, Abbruchfirmen zu fragen. Bevor sie mit dem Bagger anrollten, lasse sich oft einiges retten. Immer wieder findet er auch über Ebay-Kleinanzeigen Fundgruben. Zuletzt hat er eine alte Kohlenhandlung in Dortmund leer geräumt. Jede Menge Ruhrsandstein für Bodenbeläge, Zementfliesen und einige Türen hat er dort ausgebaut.
Ideen und auch Materialien gehen Güttler nicht aus. Dafür sorgen auch seine Patienten. Sie wissen um die Bau-Leidenschaft ihres Arztes und versorgen ihn immer wieder mit Tipps.