Berufsberaterin im Interview
Ausbildung: Raus aus der Warteschleife
Das Ausbildungsjahr ist am 1. August gestartet. Was aber tun, wenn es noch nicht mit einer Lehrstelle geklappt hat? Eine Berufsberaterin erklärt, wo Jugendliche und Eltern ansetzen können.
Auf vielfältige Weise. Wir als Berufsberater durften nicht immer in die Schulen, die Jugendlichen aber häufig auch nicht in die Betriebe. Praktika sind oft auf der Strecke geblieben, gerade in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Kitas. Das alles zusammen macht es natürlich schwierig, eine gute Grundlage für eine Entscheidung zu haben.
"Es sind noch offene Stellen auf dem Markt"
Die Schulzeit ist zu Ende, aber mit dem Ausbildungsstart hat es noch nicht geklappt. Was können Jugendliche in einer solchen Situation tun?
Meine erste Empfehlung ist, sich bei der Berufsberatung zu melden. Es sind für dieses Jahr tatsächlich noch einige offene Stellen auf dem Markt vorhanden. Im Beratungsgespräch können wir auch Fördermöglichkeiten prüfen. Arbeitgeber bekommen zum Beispiel Unterstützung, wenn sie bereit sind, über den Bedarf auszubilden.
Konzentrieren sich die offenen Stellen in bestimmten Bereichen?
Nein, die gibt es wirklich querbeet. Manchmal sind Azubis kurzfristig abgesprungen und eine Stelle ist plötzlich wieder frei.
Wenn auch ein Spätstart in die Ausbildung keine Option ist: Welche Möglichkeiten gibt es ansonsten, das Jahr zu nutzen?
Zum einen vermitteln wir berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen. Die Jugendlichen nehmen an einem Kurs teil, um Lücken in einzelnen Schulfächern auszugleichen und auch die berufliche Orientierung voranzubringen. Die Weiterbildungsträger helfen auch, Praktikumsbetriebe zu finden. Als zweite Möglichkeit gibt es die sogenannte Einstiegsqualifizierung, ein Langzeitpraktikum. Diese Förderung richtet sich an Arbeitgeber, die einen Jugendlichen vielleicht im nächsten Jahr als Auszubildenden einstellen möchten. Die Jugendlichen nehmen auch an der Berufsschule teil. Das ist für beide Seiten ein Weg auszuprobieren: Ist das wirklich mein Beruf? Passt derjenige in meinen Betrieb? Eine dritte Möglichkeit sind ein Freiwilliges Soziales oder Ökologisches Jahr oder der Bundesfreiwilligendienst. Sehr viele Stellen sind schon besetzt, aber es gibt auch da immer wieder Gelegenheiten einzusteigen.
"Ich empfehle Eltern, nicht locker zu lassen"
Wie können Eltern die Berufsorientierung am besten unterstützen?
Jugendliche wollen und sollen viele Dinge allein regeln und die Berufswahl ist nicht immer das einfachste Gesprächsthema. Ich empfehle aber, nicht locker zu lassen. Die Eltern können immer wieder Berufe ins Spiel bringen, Kontakte zu möglichen Arbeitgebern nutzen, bei den Bewerbungsunterlagen unterstützen und zum Beispiel auch Fahrdienste zu einer Praktikums- oder Ausbildungsstelle übernehmen. Gerade bei Praktika scheitert es oft am Weg. Da gilt es, alle Kräfte zu mobilisieren und vielleicht auch Onkel, Tante, Cousin oder Cousine einzuspannen.
Viele Jugendliche hängen nach der zehnten Klasse noch ein bis zwei Jahre Schule dran. Ist das immer ratsam?
Es kann eine Möglichkeit sein, einen höheren Schulabschluss zu schaffen. Es gibt aber auch Jugendliche, die schulmüde sind. Sie sollten den Schritt raus in einen Betrieb nicht scheuen. Dieser Weg führt raus aus der Welt der Gleichaltrigen an einen Ausbildungs- oder Praktikumsplatz, wo vielleicht nur ein anderer Azubi oder auch nur Erwachsene sind. Häufig erlebe ich, dass die Jugendlichen dann enorm wachsen und auch neuen Antrieb bekommen.
Welche Chancen haben Jugendliche ohne Abschluss?
Das ist leider schwierig. Diese Jugendlichen fallen in vielen Verfahren schon direkt raus – und haben dann auch nicht die Chance mit einem Ausbildungsabschluss auch den Schulabschluss nachzuholen. Ein gutes Praktikum kann helfen oder ein, zwei weitere Schuljahre, um den Abschluss nachzuholen.
Wie sieht es mit einem Ausbildungswechsel aus, wenn schnell klar ist: Das ist nicht mein Beruf?
Es gibt immer eine Möglichkeit, sich noch mal neu zu orientieren. Diese Entscheidung sollte aber nicht unüberlegt getroffen werden.