Aus Mangel an Kraft

Krebspatienten leiden häufig an krankhafter Erschöpfung, die sich durch ausreichend Schlaf nicht beheben lässt. Therapieansätze bei Fatigue gibt es bislang nur wenige.



Bei vielen Krebspatienten stellt sich während oder nach der Therapie eine extreme Müdigkeit und lähmende Erschöpfung ein. In der Fachsprache heißt diese quälende Ermüdung Fatigue – "Fatieg" ausgesprochen. Für Außenstehende ist die lähmende Müdigkeit, die sich durch ausreichend Schlaf nicht beheben lässt, schwer nachvollziehbar. Ein Umstand, der die ohnehin schon angeschlagene Psyche des Krebspatienten zusätzlich belastet.

Über mögliche Ursachen und Behandlungsversuche informierte im Rahmen der jüngsten Abendvisite des Emsdettener Marienhospitals im Kreis Steinfurt Dr. Dirk Nischik. Der Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin ist Oberarzt der Inneren Abteilung im Marien-Josef-Hospital Greven und behandelt viele Krebspatienten.

Mehr als nur erschöpft


„Die Fatigue ist eine Mischung aus quälender Ermüdung und geringer Leistungsfähigkeit, die enorme psychische und soziale Auswirkungen für den Krebspatienten haben kann“, sagte Onkologe Nischik. Betroffene seien häufig nicht nur müde, schwach, unmotiviert, lustlos, wenig körperlich belastbar und unkonzentriert. Sie klagten auch über Schlafstörungen und an seelischer Erschöpfung. Sie seien traurig, frustriert und gereizt und hätten Angst, nicht wieder gesund zu werden.

Typisch sei, dass das Ausmaß der Erschöpfung in keinem Verhältnis zu vorangegangenen Aktivitäten stehe. Im Gegensatz zu einer normalen Müdigkeit bzw. Erschöpfung trete häufig keine oder nur eine geringe Besserung ein. Durch normale Erholungsmechanismen wie Schlaf lasse sich die Erschöpfung kaum beeinflussen.

Weitere Infos
www.krebshilfe.de : unter „wir informieren, Material für Betroffene, Blaue Ratgeber, Nr. 51 „Fatigue chronische Müdigkeit bei Krebs“
– Deutsche Fatigue Gesellschaft e. V. (DFaG), Maria-Hilf-Straße 15, 50677 Köln, Tel. (02 21) 93 115 96, www.deutsche-fatigue-gesellschaft.de .


„Das Dilemma der Fatigue ist, dass alle Symptome, die der Patient äußert, letztendlich auch Ausdruck einer anderen Erkrankung sein können“, erklärte der Mediziner. Betroffene sähen häufig gut aus, fühlten sich aber hundeelend. Darüber hinaus gäbe es auch keine verlässlichen Laborwerte, die eine eindeutige Diagnose zuließen. Vor allem die Abgrenzung zu einer Depression sei schwierig. Letztendlich sei der Arzt darauf angeweisen, über Fragebögen den Schweregrad der Ermüdung und die Wahrscheinlichkeit einer depressiven Störung festzustellen.

Viele mögliche Ursachen

„Für die Fatigue gibt es nicht nur eine Ursache“, sagte Hämatologe Nischik. Man vermute, dass die krankhafte Erschöpfung mit der Krebserkrankung selbst zu tun habe. Auch die Folgen der Turmorbehandlung wie Operation, Strahlen- oder Chemotherapie könnten die Beschwerden verursachen.

Als Auslöser kämen neben einer möglichen Veranlagung ebenso körperliche Begleiterkrankungen zum Tragen; insbesondere psychische Erkrankungen wie Depressionen. Neben einer Blutarmut, chronischen Erkrankungen wie Diabetes, hormonellen Störungen, Schlaf- und Ernährungsstörungen kämen auch Schmerzen als Auslöser in Betracht. „All diese Faktoren können einzeln oder kombiniert eine Fatigue auslösen“, erklärte Nischik.

Schwieriges Feld: Therapie

„Die Therapie der Fatigue ist ein schwieriges Feld“, erklärte Dr. Nischik. Denn es gäbe nicht die Therapie, sondern nur Therapieansätze. Ließen sich beispielsweise organische Ursachen wie Blutarmut, Stoffwechselstörungen wie Schilddrüsenfehlfunktionen oder ein Kortison-induzierter Diabetes feststellen, könnte die Medizin diese behandeln. Auch Medikamente selbst wie Schmerzmittel könnten eine Müdigkeit und Abgeschlagenheit verstärken. Dann könne der Arzt ebenfalls helfen.

Schwieriger werde es, wenn die Ursache nicht eindeutig auszumachen ist. Dann orientiere sich die Therapie an den Beschwerden. Körperliches Training, eine Psychotherapie, aber auch pflanzliche Mittel wie Ginseng oder Medikamente wie Cortison könnten probiert werden. G. Lütke Hockenbeck

Den ausführlichen Bericht mit konkreten Therapieansätzen finden Sie in der Wochenblattausgabe 19/2013 auf Seite 93.