Crowdfunding in der Landwirtschaft

Aus Acker wird Blühwiese

Crowdfunding funktioniert nicht nur in der Startup- und Medienlandschaft. Auch Landwirte können über das Internet Geld für ihre Projekte einsammeln. In Gütersloh ist so ein Bienenbuffet entstanden.

Eigentlich sah der Anbauplan in diesem Jahr Mais vor. Doch statt langer grüner Reihen wächst auf 3,7 ha der Familie Wulfhorst ein kunterbunter Mix aus Ringelblumen, weißem Senf und Rotklee. „Die Phacelia ist schon fast verblüht, dafür kommen langsam die Sonnenblumen hoch“, freut sich Heiner Wulfhorst. „Jeden Tag entdecken wir etwas Neues.“

Rund 40 verschiedene Wildkräuter und Blumen wachsen auf dem Ackerbaubetrieb der Gütersloher Landwirtsfamilie. Möglich gemacht hat dieses (Wild-)Bienenbuffet eine Crowdfunding-Kampagne (siehe Kasten "Was ist Crowdfunding?"): Nachdem Heiner (34) und sein Vater Heinrich Wulfhorst (68) im vergangenen März einen Aufruf bei der Online-Plattform Startnext einstellten, spendeten mehr als 1000 Unterstützer etwa 35.000 €.

Was ist Crowdfunding?
Crowdfunding ist eine Form der Projektfinanzierung. Dabei ermöglicht eine Vielzahl an Personen – die sogenannte Crowd – die Finanzierung (engl. „funding“) eines größeren Projektes. Im Prinzip verhält es sich wie bei einem Gemeinschaftsgeschenk: Alle legen für ein größeres Geschenk zusammen.
Die Projektvorstellung und -unterstützung erfolgt online auf Crowdfunding-Portalen. „Kickstarter“ gilt als Pionier aller Crowdfunding-Plattformen und zählt zu den größten und erfolgreichsten Portalen weltweit. Die größte deutschsprachige Plattform ist „Startnext“. Hinter dem allgemeinen Begriff Crowd­funding verstecken sich vier unterschiedliche Arten der Finanzierung:

Spendenbasiertes Crowdfunding: Hierbei handelt es sich im Grunde um ein digitales Spendensammeln. Die Unterstützer bekommen nur selten eine Gegenleistung.
Reward-based Crowdfunding: Unterstützer geben Geld und bekommen dafür eine Gegenleistung. Soll beispielsweise ein Buch finanziert werden, erhalten die Unterstützer dieses nach Erscheinen. Neben solchen materiellen Gegenleistungen sind auch immaterielle – wie die Teilnahme an einer Hofführung – möglich.
Crowdinvesting: Kommt das Projekt zustande, erhalten die Unterstützer Anteile am Projekt. Diese orientieren sich in der Regel am Gewinn.
Crowdlending: Statt von einer Bank leiht man sich Geld von vielen einzelnen Privatpersonen, der Crowd. Das Geld muss nach Ablauf einer festgelegten Zeitspanne zurückgezahlt werden – je nach Projekt verzinst oder unverzinst.

Pro Euro ein Quadratmeter

Die Idee zum Gütersloher Bienenbuffet hat ihren Ursprung in Bayern. Initiiert durch das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ bezahlten dort Unterstützer Landwirte, damit diese ihre Flächen nicht wie herkömmlich nutzen, sondern den Bienen und Insekten zur Verfügung stellen. „Mitte Februar stand mein Vater mit der Idee bei mir vor der Tür“, erzählt Heiner Wulfhorst, der eigentlich als Informatiker arbeitet. Heinrich Wulfhorst ergänzt: „Alleine hätte ich das nie umgesetzt. Aber zusammen haben wir uns gut ergänzt: Heiner hat sich um die Organisation und alles Digitale gekümmert, ich um den Acker.“

Das Prinzip ist einfach: Für jeden Crowdfunding-Euro machen Vater und Sohn je 1 m2 ihrer bisherigen Ackerfläche zur Wildblumenwiese, ihrem „Bienenbuffet“. „Die Resonanz war der Wahnsinn“, blickt Heiner Wulfhorst zurück. „Unser erstes Finanzierungsziel von 3500 € hatten wir schnell erreicht.“ Durch die unerwartet hohe Spendensumme konnte Familie Wulfhorst eine Fläche von 3,7 ha erblühen lassen – gerechnet hatten sie mit 0,8 ha.

Auch die Höhe der Spenden hat die Wulfhorsts überrascht: Durchschnittlich wurden 30 € gespendet, die höchste Einzelspende lag bei 1000 €. Mit dem eingesammelten Geld hat die Familie den Boden vorbereitet, das Saatgut gekauft und ausgebracht. Der Hauptteil des Geldes dient aber als Ersatzleistung für die fehlende Ernte.

Eine mehrjährige und zwei einjährige Blühmischungen hat Familie Wulfhorst gesät. Phacelia findet sich in allen drei. (Bildquelle: Schildmann)

Der Großteil der Flächen (rund 2,5 ha) ist mit einer mehrjährigen Blühmischung bepflanzt, weitere 1,2 ha mit einjährigen Mischungen. „Die mehrjährige Mischung können wir mit dem vorhandenen Budget bis mindestens 2020 stehen lassen“, so Heiner Wulfhorst. Ziel sei es, so Wulfhorst weiter, aus dem vorhandenen Budget das Projekt so lange wie möglich zu finanzieren.

Geteilte Verantwortung

Dass die Blühwiesen durch eine Crowdfunding-Aktion finanziert wurden, lag für den Informatiker Heiner Wulfhorst nahe: „Wir wollten es einer breiten Masse ermöglichen, sich schon mit kleinen Beträgen einfach und transparent für den Artenschutz zu engagieren.“ Zudem habe die Aktion so eine bundesweite Reichweite erzielt. „Auch nach Ablauf der Kampagne trudeln vereinzelt Spenden ein.“

Senior Heinrich Wulfhorst sieht in der Finanzierungsform zudem eine Möglichkeit, die Verantwortung für den Artenschutz zwischen Verbrauchern und Landwirten zu teilen: „Jeder kann sich beteiligen, ohne selbst Landwirt zu sein.“

Jeder kann sich beteiligen, ohne selbst Landwirt zu sein.“ Heinrich Wulfhorst

Eine materielle Gegenleistung für ihr Engagement erhalten die Unterstützer des Gütersloher Bienenbuffets nicht. Als Dankeschön stellt Heiner Wulfhorst den Spendern online aber ein regelmäßig aktualisiertes Fotoalbum der Blühwiesen zur Verfügung. Unterstützer, die mehr als 50 € gespendet haben – rund 250 Personen – werden von der Familie zudem zu einem Besichtigungstag auf die Felder eingeladen. „Außerdem veranstalten wir ein Blütenfest mit Familie und Nachbarn für zehn ausgeloste Spender, die uns mit mehr als 100 € unterstützt haben“, erzählt Heiner Wulfhorst.

Dialog neu gedacht

Ob Heiner und Heinrich Wulfhorst ihre Crowdfunding-Aktion im nächsten Jahr wiederholen werden, wissen sie noch nicht. „Ein Geschäftszweig ist das nicht“, bringt es der Junior nüchtern auf den Punkt. „In erster Linie wollten wir mit der Aktion möglichst viele Menschen zum Mit- und Nachmachen anregen – vom Landwirt bis zum Gartenbesitzer.“ Zudem ist er gespannt, ob die Insekten die Bevölkerung im nächsten Jahr immer noch so stark interessieren.

Für Heiner Wulfhorst geht Crowdfunding über die bloße Projektfinanzierung jedoch weit hinaus. Für ihn ist es eine neue Form von Öffentlichkeitsarbeit, durch die Landwirte und Verbraucher wieder näher zueinandergebracht werden: „Es geht darum, ein Projekt zu unterstützen – ohne Umwege. Man weiß, an wen das Geld geht, man kommt direkt mit den Menschen in Kontakt.“ Gerade das authentische Auftreten habe die Leute von ihrem Projekt überzeugt, vermutet er. „Es gibt ähnliche Crowdfunding-Aktionen, die das richtig groß und professionell aufgezogen haben, letztlich aber gescheitert sind. Irgendwas scheinen wir richtig gemacht zu haben.“

Es geht darum, ein Projekt zu unterstützen – ohne Umwege. Man weiß, an wen das Geld geht, man kommt direkt mit den Menschen in Kontakt.“ Heiner Wulfhorst

Auch ihn ganz persönlich hat die Auseinandersetzung mit alternativen Formen der Bewirtschaftung und Finanzierung zum Nachdenken angeregt. Als Informatiker hat Heiner Wulfhorst keine landwirtschaftliche Ausbildung. Den Ackerbaubetrieb seiner Eltern will er aber auf jeden Fall erhalten. Wie genau, ist dabei noch offen. Nur so viel scheint klar: Ein konventioneller Ackerbaubetrieb wird es nicht werden. Unterstützung für neue Wege erhält er von seinem Vater: „Wir haben hier 30 ha, teils sind die Flächen noch gepachtet. Ein ausreichendes Einkommen für eine Familie bietet eine konventionelle Bewirtschaftung nicht.“

Die Crowdfunding-Aktion hat der Familie gezeigt, dass es auch anders geht. Wie dieses ‚anders‘ aussehen wird, bleibt abzuwarten. Aktuell liebäugelt Heiner Wulfhorst mit dem Anbau von Bambus oder Schilf. „Ich habe noch kein Konzept gefunden, das mich zum Umstellen bewegt hat.“

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