Ein Staketenzaun begrenzt den Spielplatz mit Sandkasten, Schaukel und Rutsche. Zwölf Hühner picken vor einem kleinen Stall im Garten und auf der alten Tenne parkt ein Traktor. Miriam Stork und Nils Passon haben sich in Hiddenhausen den Traum vom eigenen Hof erfüllt. Vor knapp zwei Jahren ist das Paar mit Sohn Paul aus Bielefeld in den Ort gezogen. „Da hätten wir uns das nicht leisten können“, sagt der Garten- und Landschaftsbauer. Nach Hiddenhausen lockten nicht nur ein deutlich günstigeres Objekt, sondern auch ein Förderprogramm der Gemeinde.
„Jung kauft Alt“ lautet der griffige Titel. Wer ein Haus kauft, das mindestens 25 Jahre alt ist, und selbst einzieht, bekommt sechs Jahre lang 600 € plus 300 € für jedes Kind. Der jährliche Betrag ist auf 1500 € gedeckelt. Die Höchstförderung liegt so bei 9000 €. Außerdem bezuschusst die Gemeinde ein Altbaugutachten mit einmalig bis zu 1500 €. Wer sein Haus energetisch ertüchtigt und die Effizienzhaus-Standards der KfW-Bank erreicht, kann seit dem vergangenen Jahr weitere Fördergelder einsammeln.
Alarmierende Prognosen
Alexander Graf hat im Rathaus den Überblick über das Programm. Der 44-Jährige leitet seit zwei Jahren das Amt für Gemeindeentwicklung. Als „Jung kauft Alt“ im Jahr 2007 an den Start ging, war er bereits als Sachbearbeiter dabei. Damals brachten gleich mehrere alarmierende Prognosen Architekten, Stadt- und Landschaftsplaner, Immobilienmakler, Baufinanzierer und die Verwaltung an einen Tisch. Zum einen sollte die Einwohnerzahl bis zum Jahr 2020 von rund 20 000 auf 18 650 schrumpfen, zum anderen die Zahl der betagten Haushalte und Leerstände ständig steigen.
Die gemeinsamen Ziele der Expertenrunde: die sechs Ortsteile lebendig halten, junge Familien nach Hiddenhausen holen und gleichzeitig Flächenverbrauch vermeiden. Aus dem Rat gab es für die Idee schnell Rückenwind und in der Bevölkerung viel Interesse.
„Das Programm ist zum Selbstläufer geworden“, sagt Alexander Graf heute. Allein dieses Jahr wurden bereits 14 Anträge bewilligt. Insgesamt sind es inzwischen 609. Die Gemeinde verzichtet bewusst auf bürokratischen Aufwand. Der Antrag passt auf eine DIN-A4-Seite. Nachgereicht werden müssen nur der Eintrag im Grundbuch und der Nachweis über den Hauptwohnsitz in Hiddenhausen.
Vor allem Familien mit Kindern und junge Paare zieht es in den Ort. Sie bewohnen drei Viertel der geförderten Objekte. 41 % von ihnen kommen aus Hiddenhausen, 46 % aus dem übrigen Kreis Herford. Für viele wird der Ort erst durch die Förderung zur Option. Manche suchen auch bewusst alte Immobilien, weil sie sich mehr Platz als in normalen Neubaugebieten wünschen.
Familien mit Kindern
Fast 1150 Erwachsene und über 750 Kinder leben mittlerweile in den geförderten Häusern. Das lässt sich die Gemeinde etwas kosten. Aktuell sind jedes Jahr 300 000 € im Haushalt für das Programm reserviert, zusätzlich 30 000 € für den neuen Baustein „Energetische Sanierung“. Im Gegenzug profitiert Hiddenhausen von höheren Zuweisungen vom Land, die sich nach der Einwohnerzahl richten.Die Bevölkerung ist gerade wieder auf über 20 000 gewachsen. Das hilft auch, die Infrastruktur zu erhalten. Jeder der sechs Ortsteile hat Kindergarten und Grundschule. Auch Laden oder Supermarkt sind überall vorhanden.
Die Gemeinde kümmert sich um die Förderung, vermittelt aber selbst keine Immobilien. Komplett auf Eis liegt die Ausweisung neuer Baugebiete. Zwar werden noch Lücken geschlossen und auch Nachverdichtungen in zweiter Reihe sind manchmal möglich. Auf der grünen Wiese baut in Hiddenhausen aber niemand. Rund 35 ha Siedlungs- und Verkehrsfläche wurden durch diese Strategie gespart, rechnet Alexander Graf vor. Zusätzlich belebten sich alte Nachbarschaften. „Hier werden Quartiere aus den 1970er- oder 1980er-Jahren nicht zu Geisterstraßen.“
Jobs vor Ort
Miriam Stork profitiert auch beruflich vom Run auf Hiddenhausen. Als Tagesmutter betreut die 37-Jährige bis zu fünf Kinder. Im 160 m2 großen Haus und auch draußen ist dafür genug Platz. Insgesamt 1,7 ha gehören zum Hof. Das meiste nutzt die Familie als Pferdeweide.
Die ehemalige Eigentümerin hatte das Anwesen der Kirche vermacht. Nach dem Kauf steckten Miriam Stork und Nils Passon ihre Energie in eine Kernsanierung. Sie haben mehr Licht ins Haus geholt, aber auch alte Böden und Raumzuschnitte erhalten.
Heute freut sich die Familie über ein schmuckes Heim, viel Platz und kurze Wege. Auch Nils Passon hat seinen Arbeitsplatz inzwischen in Hiddenhausen. Seit Oktober arbeitet der 29-Jährige beim Bauhof der Gemeinde.
Nachmachen erwünscht
Das Konzept für „Jung kauft Alt“ ist einfach und eingängig. Deshalb gab es nicht nur ein gutes Dutzend Preise für Hiddenhausen. Schnell klopften auch andere Kommunen an, um sich über das Projekt zu informieren. Nachahmer gibt es inzwischen über 50. Viele haben die Förderung auf bestimmte Stadtteile und besonders alte Objekte beschränkt oder andere Fördersummen gewählt. „Jung kauft Alt“ gibt es unter anderem in diesen Kommunen:
Kreis Borken: Heek und Schöppingen,
Kreis Coesfeld: Rosendahl,
Kreis Gütersloh: Borgholzhausen, Herzebrock-Clarholz, Langenberg, Rietberg und Steinhagen,
Kreis Herford: Rödinghausen und Vlotho,
Kreis Kleve: Kalkar,
Kreis Lippe: Blomberg, Extertal und Horn-Bad Meinberg,
Märkischer Kreis: Menden,
Kreis Minden-Lübbecke: Bad Oeynhausen und Rahden,
Rhein-Kreis Neuss: Kaarst,
Kreis Steinfurt: Ladbergen, Lengerich, Metelen, Ochtrup und Steinfurt,
Kreis Unna: Bönen und Werne,
Kreis Wesel: Alpen,
Landkreis Cloppenburg: Lastrup,
Landkreis Emsland: Lehe,
Landkreis Osnabrück: Bad Laer und Glandorf,
Landkreis Vechta: Lohne.