Wasser, Wüsten und Visionen

In Münster finden zum fünften Mal die „Skulptur Projekte“ statt. Dieser Stationenlauf der internationalen Kunst endet am 1. Oktober.

Über das Wasser gehen? In Münster kann das zurzeit jeder im ehemaligen Industriehafen ausprobieren. Ein dicht unter der Wasseroberfläche verlegter Metallsteg macht es möglich. Seit gut zwei Wochen zieht er Scharen von Besucher an, die den Wassergang selbst ausprobieren oder sich das Spektakel anschauen möchten. Der Steg ist 6,4 m breit und 64 m lang, aus Gitterrosten gefertigt und ruht auf einer Konstruktion von Stahl­trägern und Seefracht-Containern.

Die Welt zu Gast in Münster

Die Wasserquerung durch den Hafen geht auf eine Idee der in Berlin und Istanbul lebenden Künstlerin Ayse Erkmen zurück und zählt zu den 35 Beiträgen der „Skulptur Projekte“ des Westfälischen Landesmuseums. Diese internationale orientierte Veranstaltung zur modernen Kunst findet zum mittlerweile fünften Mal in Münster statt. Seit 1977 wird alle zehn Jahre zeitgenössische Skulpturenkunst präsentiert.

Bis Ende September werden rund 650 000 Besucher aus aller Welt zu dieser Freilicht-Ausstellung der Gegenwartskunst in Münster erwartet. Kenner stellen sie längst in eine Reihe mit der Biennale in Venedig und der Documenta in Kassel.

Eine Auswahl: 5 aus 35

Die 35 Beiträge erklären sich selten von selbst und aus dem Stand – aber welche Kunst tut das schon? Wer Interesse, Zeit und Neugier mitbringt, kann eine anregende Vielfalt von Projekten entdecken, die eigens für die Skulpturenausstellung in Münster geschaffen wurden. Eine Auswahl besonders markanter Projekte:

  • Im Friedenssaal des Rathauses zeigt die rumänische Künstlerin Alexandra Pirici mit einem zwölfköpfigen Team ein Szene- und Pantomimenspiel rund um Frieden und Krieg, Grenzziehungen und Kommunikation.
  • An der Promenade, in der Nähe des Buddenturmes, hat die Künstlerin Nicole Eisenman einen Brunnen errichtet. Er ist umsäumt von Figuren aus Gips und Bronze, die zwar überlebensgroß sind, aber nicht in der Pose als „Heilige“, „Helden“ oder „Stars“, sondern in entspannten Alltagsszenen gezeigt werden.
  • Michael Smith hat ein Tattoo- Studio eingerichtet. Besucher über 65 erhalten Rabatt, wenn sie sich ein Tattoo stechen lassen. Sein Werbeclip, der zurzeit an Infoständen und bei Stadtrundfahrten läuft, zeigt eine Gruppe älterer Touristen auf ihrem Weg durch die Stadt ins Tattoo-Studio – und zerlegt galant den Jugendkult und die oberflächliche Glitzerwelt des Münster-Marketings.
  • 2007 hat der britische Künstler Jeremy Deller mehr als 50 Kleingartenvereine in Münster gebeten, aufzuschreiben und zu fotografieren, was in ihren Anlagen so alles passiert: von Wetterdaten über Grillfeste bis zum lokalen Ereignis. Dabei entstanden 30 handgeschriebene Bände, die jeder Besucher nun in einem Schrebergarten an der Gartenstraße einsehen kann – eine Chronik des Alltags im Kleingarten, den Deller als „typisch deutsch“ bestaunt – und voller Respekt erkundet.
  • In einer ehemaligen Eishalle im Norden Münsters hat der Künstler Pierre Huyghe eine düstere Vision in Szene gesetzt: Der Betonboden ist zu einer Wüstenlandschaft aus Erde, Styroporresten und Geröll aufgefräst, die von Bienen, Ameisen und Pfauen bevölkert wird. Menschliche Krebszellen wuchern in einem Brutkasten vor sich hin und steuern digitale Bildschirmprojektionen. Ist das ein Blick in die Zukunft der Menschheit? „Nach einem Leben, das kommt“ lautet frei übersetzt der Titel.

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Die Ausstellung „Skulptur-Projekte Münster 2017“ ist bis zum 1. Oktober zu sehen. Die Skulpturen sind täglich von 10 bis 20 Uhr, freitags bis 22 Uhr frei zugänglich. Der Eintritt ist frei.

Die meisten Skulpturen befinden sich innerhalb des Promenadenringes im Bereich der Altstadt und sind am besten per Rad zu erreichen. Eine kostenfreie Navigations-App kann geladen werden unter der Internet­adresse apps.skulptur-projekte.de.

Der 474 Seiten umfassende Katalog kostet im Museum und im Buchhandel 15 €.

Informationen gibt es im Westfälischen Landesmuseum, Domplatz 10, in Münster, Tel. (02 51) 20 31 82 00, www.skulptur-projekte.de.

Text: Gisbert Strotdrees