Deutsches Bergbau-Museum Bochum

Vor der Hacke 
ist es bald duster

In Kürze schließen die letzten beiden Zechen in Nordrhein-Westfalen. Bergbau ist dann Geschichte, bleibt aber Ausflugsziel – zum Beispiel in Bochum. Dort können Besucher in ein Schaubergwerk einfahren. Es liegt "in 1650 cm" Tiefe…

Die Metallwände der Kabine ruckeln hin und her. Seilwinden klappern, die Luft zischt. Wir stehen in einem Korb, wie der Bergmann sagt, und es geht abwärts. Erst langsam. Dann rasend schnell. Durch Lochgitter sieht man die Wände vorbei­rauschen. Zwischendurch stoppt die kohlenschwarze Kabine. Ein Bergmann linst hinein und erzählt von seiner Arbeit, von der Zeche und von seinem Schnupftabak. Ein zweites Mal hält die Kabine, und der Blick geht in eine Sohle, aus der ein Kohlekumpel ruft: „Watt iss? Geehd dat nich weita? Issat hier ’ne Kaffeeffaahd oda watt?“

In „1650 cm“ Tiefe

Nach einigen Minuten Fahrt öffnet sich die Tür des Korbes. Feuchtwarme Luft schlägt einem entgegen – in 1200 m Tiefe sind wir dem glühenden Erdkern eben ein klein wenig näher gekommen. Oder doch nicht?

Wir befinden uns im Deutschen Bergbau-Museum in Bochum. Ein Seilfahrt-Simulator fährt dort seit einigen Jahren die Besucher in 
die Irre. Die Seilwindengeräusche kommen aus versteckten Laut­sprechern, die Zugluft zischt aus Düsen am Boden. Das Ruckeln des Korbes ­besorgen unsichtbare Hydraulikzylinder. Eine ausgetüftelte Beamerprojek­tion an den Metallwänden tut ihr Übriges, um eine perfekte Illusion entstehen zu lassen: Wer den Korb verlässt, befindet sich nicht in 1200 m Tiefe, sondern gerade einmal „1650 cm“ unter der Oberfläche, wie ein Schild an der Wand augenzwinkernd verrät.

Mit Bergleuten einmal „in echt“ einzufahren – das war schon schwierig, als es noch eine Vielzahl an Zechen im Land gab. Das Schaubergwerk in Bochum war und ist da eine gute und eindrucksvolle Alternative. Es diente ursprünglich einmal Ausbildungszwecken für angehende Kumpel. Das ist lange vorbei. Heute können dort kleine und große Besucher sehen, wie das einmal funktioniert hat mit dem Abbau der Kohle.

Rettung mit der Bombe

Die Arbeits- und Transportwege – die „Strecken“ und „Streben“, wie der Bergmann sagt – sind gut 2,5 km lang und originalgetreu ausgestattet. Es ist ein Labyrinth im Halbdunkel, in dem man sich leicht verlaufen kann. Ehemalige Bergleute führen die Besucher an Kabelschächten und Lorenbahnen vorbei, an Grubenfahrrädern und einer raketenähnlichen Röhre. Mit dieser „Dahlbusch-Bombe“ konnten verschüttete Bergleute geborgen werden.

Der Rundgang streift sogar einen Stall, in dem ein Pferd steht. Erst spät ist im diffusen Licht zu erkennen, dass es sich um ein Modell handelt. Das letzte Grubenpferd, so teilt eine Tafel mit, hat hier bis 1966 seinen treuen Dienst unter Tage versehen.

Kohleabbau: So geht’s

Aber es geht nicht nur um Historie. In einem Tunnel – einer „Strecke“, wie es unter Tage heißt – ist der jüngste Stand der Technik zu sehen. Sie sieht eher aus wie aus ­einem Science-Fiction-Film. In blinkendem Weiß stehen gut 30 hy­­draulische Stützen, die 
„Ausbauschilde“, hintereinander. Ein mannshoher Spiralbohrer an der Wand macht der Kohle den 
Garaus. Ein Stahlförderband, der „Kettenkratzförderer“, schafft die schwarzen Bruchstücke vollautomatisch fort.

Wer nach dem Rundgang noch mehr wissen will, erfährt über Tage in den weitläufigen Bochumer Museumsfluren und -hallen alles, aber auch wirklich alles über den Bergbau. Wie es begann mit dem Kohleab­bau, welche Technik wann und wie benutzt wurde, wie die Bergleute lebten, welche unterschiedlichen Arten von Gestein sie „durchwühlt“ haben, wie ihr Geleucht, sprich: die Grubenlampen zu unterschiedlichen Zeiten und Orten ausgesehen und welche Schalen, Pokale und Ehrenskulpturen die Bergleute erhalten haben.

„Hängen im Schacht“

Keine Frage bleibt da offen. So ­lernen die Besucher, dass gängige Redensarten aus dem Bergbau stammen. Weithin vergessen etwa ist, was „vor Ort“ ursprünglich meinte: nämlich einzig und allein die Stelle, an der die Kohle abgebaut wurde.

Wenn niemand genau weiß, wie es weitergeht, heißt es unter Tage: „Vor der Hacke ist es duster.“ Beim Blick auf die tiefschwarze Kohlewand im Schaubergwerk erklärt sich dieser Satz von selbst. Und wenn gar nichts mehr geht, ist „Hängen im Schacht“. Auch davon bekommt der Besucher einen Eindruck, wenn der Korb auf seiner scheinbaren Fahrt in die Bochumer Tiefe eine Pause einlegt und „hängt“. Aber keine Angst, es geht weiter. Irgendwann jedenfalls.

Gut zu wissen
Das Deutsche Bergbau-Museum in Bochum mit seinen 12  000 m2 Ausstellungsfläche, seinem „Anschauungs­bergwerk“ und seinem angegliederten Forschungsinstitut gilt als weltweit größtes Museum seiner Art und zählt mit jährlich etwa 370  000 Gästen zu den meistbesuchten Museen in Deutschland.
Das markante, gut 70 m hohe Fördergerüst kann normalerweise bestiegen werden und bietet bei gutem Wetter einen tollen Ausblick. Aufgrund von Umbauarbeiten ist es derzeit und noch bis in den Sommer hinein geschlossen. Ein genauer Termin, wann es wieder zugänglich ist, steht derzeit noch nicht fest.
Im Schaubergwerk gibt es besondere Angebote wie etwa Führungen für Familien oder Kindergruppen, Geburtstags-Grubenfahrten oder auch Rundgänge bei Nacht. Die Teilnahme muss vorher angemeldet werden.
Für Personen mit Gehbehinderung oder Rollstuhl ist das Museum voll zugänglich, das Schaubergwerk hingegen nur bei rechtzeitiger Voranmeldung. So kann das Museum dort eine notwendige Begleitperson zur Seite stellen.
Ort: Deutsches Bergbau-Museum, Am Bergbaumuseum 28, 44791 Bochum.
Geöffnet: dienstags bis freitags 8.30 bis 17 Uhr, außerdem samstags, sonntags und feiertags 10 bis 17 Uhr.
Eintritt: Erwachsene 5 €, ermäßigt 2 €, Familien 11,50 €.
Weitere Informationen: Tel. (02  34) 5  87  70, www.bergbaumuseum.de