Buchtipps

Vom Land lesen

In diesem Jahr sind einige Bücher erschienen, die auf ländliches Leben blicken – mal unterhalsam, mal aufrüttelnd und immer berührend.

Oft sind es die eigenen Wurzeln, die Autorinnen und Autoren dazu bewegen, in ihren Büchern eine ländliche Lebenswelt zu zeigen. Aber es sind auch Erfahrungen im Alltag und Zufallsbegegnungen, die den Anstoß geben. Unter den folgenden Titeln vom Land sind zwei Romane und drei Werke, die wahre Begebenheiten als Grundlage haben, leichte wie schwere.

Lesenswertes vom Literatur-Landwirt

Das Misstrauen sitzt Jakob Fischer in den Kleidern. Er hat es auf dem einstmals runtergewirtschafteteten Hof seiner Familie zum Betrieb des Jahres gebracht. Doch Jakob bleibt in der bäuerlichen Welt Oberösterreichs ein Außenseiter. Er genießt seinen Erfolg ebenso wenig, wie er der Liebe zu Katja traut. Nichts scheint in seiner Familie einfach zu gelingen.

Warum das so ist, erzählt Reinhard Kaiser-Mühlecker auf ruhige, unauf­geregte Weise. Über seine Romane sagt er: „Die Welt, die ich zu beschreiben versuche, eigentlich immer wieder, ist eine, die ich sehr gut kenne, in der ich selber aufgewachsen bin und von der ich immer mehr glaube, dass sie relativ unbekannt ist.“ Damit wendet sich der Schriftsteller eher an eine städtische Leserschaft. Doch sein Blick hinter die Hofmauern ist so wenig abgenutzt und so eindringlich, dass er damit auch mich als ein­gefleischte Landbewohnerin anspricht. Etwa mit seinem Bild vom Wildern – sich etwas Verbotenes nehmen, die Strafe vor Augen. Mit der Hauptfigur Jakob begeben sich die Leser auf den schmalen Grat zwischen Erfolg und Absturz, zwischen Glück und Verlust. ­Ende offen.

Wilderer – von Reinhard Kaiser-Mühlecker. S. Fischer Verlag, ISBN 978-3-10-397104-0, 352 Seiten, gebunden, 24 €.

Ein Hof und sein Geheimnis

Eine Hofchronik der anderen Art hat Monika von Bothmer im Frühjahr 2022 vorgelegt. Darin verwebt sie Personen und Ereignisse ihres Umfeldes mit erfundenen Elementen. Literaturexperten bezeichnen das als Autofiktion. Die Autorin braucht 18 Kapitel, um zu erzählen, wie es auf ihrem fiktiven Bauernhof am Haarstrang zwischen Soester Börde und Sauerland zuging. Ihre Hauptfigur ist Marie, etwa zur selben Zeit geboren wie die Autorin selbst, also 1957. In Rückblenden, die im Jahr 1879 beginnen, schaut der Roman auf vier Generationen von Maries Familie.

Wer selbst eine bäuerliche Familiengeschichte hat, mag viele Themen wiedererkennen: die strengen bäuerlichen Patriarchen, das Kämpfen um den Fortbestand des Hofes, die vom Zweiten Weltkrieg gezeichnete Familie. All das prägt Maries Entwicklung, obwohl sie manches nur spürt, aber nicht weiß. Sie wird in den 1970ern groß und zieht zum Studieren in die Stadt. Damals träumten junge Systemkritiker von der Biolandwirtschaft. Die Rote Armee Fraktion, eine Gruppe radikalisierter...