Westfälisches Klostermuseum Dalheim

Verschwörungstheorien: Von bösen Mächten rätselhaft gesteuert?

Ist der Klimawandel ein "Klimaschwindel"? War die Mondlandung inszeniert? Welche finstere Macht hat die Kartoffelkäfer abgeworfen? Das alles klärt eine Sonderausstellung über Verschwörungstheorien in Lichtenau-Dalheim.

"Wie, das wussten Sie noch nicht? Der Strichcode auf Lebensmitteln strahlt! Er verbreitet negative Energie. Das weiß doch jeder! Die Barcode-Striche sollen die Bevölkerung dezimieren. Dagegen hilft nur ein Entstörstift. Bei uns zu kaufen, für 11,20 €. Eine geheime Verschwörung ist da im Gange. Wussten Sie das nicht?!? Kein Wunder, in der Zeitung steht das natürlich nicht. Die Journalisten dürfen das ja gar nicht schreiben  ...“

So und ähnlich bekommt man von „Gläubigen“ zu hören, die einer Verschwörungstheorie anhängen. Vor allem im Internet blühen diese Theorien auf wie Schimmel im feuchten Keller. Da wird wortreich behauptet, Kondensstreifen am Himmel sollten als „Chem-Trails“ die Menschheit vergiften. Oder die Mondlandung 1969 habe nicht stattgefunden, sondern sei „von den Amis“ inszeniert worden. Andere sagen das von den Angriffen vom 11. September. Oder vom Klimawandel – Verschwörungsfreunde erklären ihn gern zum „Klimaschwindel“ , der angeblich von einem „öko-industriellen Komplex“ in Szene gesetzt werde.

Feindbild mit bösen Folgen

Mit solchen Verschwörungstheorien setzt sich eine neue Sonderausstellung auseinander, die im Landesmuseum für Klosterkultur des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Lichtenau-Dalheim zu sehen ist. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sie am Freitag eröffnet.

Ein seltener Gast: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Ausstellung in Dalheim eröffnet. (Bildquelle: Bundespräsidialamt)

In Dalheim sind rund 250 Ausstellungsstücke aus neun Jahrhunderten zu sehen, beispielsweise

  • die mittelalterliche Handschrift der Regel des geheimnisvollen Templer-Ordens,
  • Kleidung und Orden einer Freimaurerloge aus Minden,
  • Spionagewerkzeuge aus dem Kalten Krieg oder auch
  • ein demolierter Aufzugmotor aus den zerstörten Türmen des World Trade Centers in New York,
  • außerdem historische Urkunden, Holzstiche, „geheime“ Bücher, Flugschriften, Plakate – oder eben auch der angebliche Entstörstift für Barcodes.

Was sie alle verbindet, ist die Auffassung, es seien angeblich verborgene Mächte am Werke, die über exklusives Wissen verfügten und aus dem Versteck Macht ausübten. „Verschwörungstheorien machen neugierig, weil sie vorgeben, Wahrheiten zu enthüllen“, sagt der Museumsleiter Dr. Ingo Grabowsky. „Zugleich erzeugen sie Feindbilder mit teils drastischen Folgen.“

Ein altes Denkmuster

Das Muster ist jahrhundertealt. Im Mittelalter gerieten der Templerorden oder Hexen unter Verdacht, später die Geheimlogen der Freimaurer, im 20. Jahrhundert schließlich die Juden, denen Antisemiten eine verdeckte Weltverschwörung unterstellten – und bis heute unterstellen. Als Beweis werden oftmals die „Protokolle der Weisen von Zion“ herbeizitiert, die behaupten, die Absprachen einer angeblichen jüdische Weltverschwörung zu enthalten.

Das Dokument aber ist frei erfunden und eine arglistige Fälschung, niedergeschrieben vor mehr als hundert Jahren von einem russischen Gutsbesitzer. Eine Urschrift ist in Dalheim im Original zu sehen – erstmals in einem deutschen Museum, so Grabowsky.

Auch kluge Köpfe fallen rein

Die „Protokolle“ wurden in viele Sprachen der Welt übersetzt und führten seit den 1920er-Jahren Millionen von Lesern weltweit in die Irre, unter ihnen sonst so kluge Köpfe wie den Unternehmer Henry Ford, der die „Protokolle“ übersetzen und drucken ließ.

Ein anderes Beispiel ist der Kartoffelkäfer, der in Westfalen um 1880 erstmals auftauchte. Im Ersten Weltkrieg wurde hierzulande behauptet, die Franzosen würden ihn verbreiten. Im Zweiten Weltkrieg drehte die NS-Propaganda den Verdacht gegen England. 1950 schließlich propagierte die DDR, die „Amis“ würden den gefräßigen Käfer abwerfen, um die Versorgung der Bevölkerung und damit den Sozialismus zu destabilisieren. Kein Geringerer als Bertolt Brecht dichtete für Ost-Berlin ein Kinderlied mit den holprigen Versen: „Die Ammiflieger fliegen / Silbrig im Himmelszelt: / Kartoffelkäfer liegen / In deutschem Feld.“

Süßes, gefährliches Gift

Verschwörungstheorien seien „ein süßes, aber gefährliches Gift“, sagte LWL-Direktor Matthias Löb auf der Eröffnungspressekonferenz zur Austellung. Oftmals werde ein vermeintlich Schuldiger präsentiert. In Zeiten „alternativer Fakten“ und „,neuer Medien“ werde es immer mühevoller, die komplexe Gegenwart zu verstehen, erläutert Löb. „Wir wollen mit der Ausstellung Aufklärung, also ein wenig Gegengift, anbieten.“

Das „Gegengift“ in der Ausstellung und im Begleitkatalog sei von Experten geprüft, ergänzte Museumsleiter Grabowsky. Ein wissenschaftlicher Beirat habe das Projekt von Beginn an begleitet.

Das Museum beschreitet bei der Vermittlung des Themas auch neue Wege. So hat es eigens für die Sonderausstellung einen „escape room“ entwickelt und im Gewölbekeller des Klosters eingerichtet. Dort haben Gruppen bis acht Personen eine Stunde Zeit, um die verstreuten Spuren zu deuten und einen „Schatz des Templerordens“ zu finden

Tipps für Besucher

Ort: Die Ausstellung „Verschwörungstheorien – früher und heute“ ist bis zum 22. März 2020 im Landesmuseum für Klosterkultur in Lichtenau-Dalheim, Kreis Paderborn, zu sehen.

Geöffnet: Dienstags bis sonntags sowie feiertags von 10 bis 18 Uhr.

Eintritt: Erwachsene 9 €, ermäßigt 4,50 €, Kinder und Jugendliche bis 17 Jahre frei.

Begleitprogramm: Vorträge, eine Wissenschaftsshow „Geheimakte Verschwörung“ am 29. Juni sowie zwei Lesungen „Zeit für Helden“ am 21. und 22. September. Der rund 300 Seiten umfassende Katalog kostet 29,90 €.

Weitere Informationen: Tel.: (0 52 92) 9 31 92 25, www.kloster-dalheim.de.