Es wirkt so, als ob gerade erst Feierabend wäre. Der Cordhut des letzten Brennmeisters hängt noch am Haken in der einstigen Kornbrennerei „Christian Meyer“ in Hille im Kreis Minden-Lübbecke. Aus dieser früheren landwirtschaftlichen Destille fließt aber schon seit fast 30 Jahren kein Alkohol mehr.
Im Mai 2002 öffnete der Heimat- und Gartenbauverein Hille die Tore des mittlerweile denkmalgeschützten Baus und rettete ihn so vor dem Verfall. In dem Museum lebt die Tradition der Branntweinerzeugung aus Getreide fort. Allein in Westfalen gab es zu Hochzeiten mehr als 1200 Kornbrennereien. Heute existieren nur noch wenige.
Kraftfutter für Bullen
In dem 15 m hohen Gebäude befinden sich noch alle Geräte und Apparaturen, die aus Roggen und Weizen ein „geistreiches Getränk“ machten. So nennt Rainer Eschedor, einer der ehrenamtlichen Museumsführer, den Korn, der hier fast 100 Jahre floss und tropfte – immer in der Brennsaison von Mitte Oktober bis April. Produziert wird hier heute aber nicht mehr.
Am Standort selbst brannte die Familie Meyer schon seit 1721 Korn. Christian Heinrich Meyer errichtete in den 1890er-Jahren eine neue Destille. Deren Blütezeit dauerte bis in die Nachkriegszeit.
Zur Brennerei gehörte auch ein Hof. Oder besser gesagt: Zum Hof zählte eine Brennerei. Das Bauernhaus und eine Firmenvilla sind noch erhalten. Von Ställen und dem Nebengebäude der Brennerei gibt es dagegen nur noch Fotos. Nebenan steht jetzt ein Supermarkt.
Der Schlempe-Kreislauf
„Es war ein Kreislauf“, erklärt Rainer Eschedor. Die Schlempe, die Rückstände des Brennens, bekamen die fast 50 Bullen als Kraftfutter. Ihr Dung wiederum landete auf den Äckern. Doch auch so ist der Lössboden um Lübbecke fruchtbar. Rainer Eschedor fasst die Ausgangslage so zusammen: „Die Bauern erntete mehr Getreide, als sie selbst brauchten. Den Überschuss veredelten sie zu Alkohol.“
Daran erfreute sich die Obrigkeit – zunächst die Preußen, später die Bundesrepublik. Der Fiskus kassierte eine Steuer auf Spirituosen, bis 2017 geregelt durch das Branntweinmonopolgesetz. „Hier ging kein Alkohol unverzollt raus“, erzählt Rainer Eschedor.
Doch bevor aus den Körnern der flüssige Korn mit mindestens 32 % Alkohol wurde, waren einige Schritte nötig. Das Wie erklärt Rainer Eschedor anhand der erhaltenen Geräte, Bottiche und Röhren. Zunächst geht es mehrere steile Treppen nach oben. „Sie ließen die Schwerkraft für sich arbeiteten“, sagt der Gästeführer.
Oben befindet sich ein großer Wassertank. Im sogenannten Henzedämpfer wurden Roggen oder Weizen zunächst mit Wasserdampf aufgekocht. Dabei quoll das Gemisch auf. Die Stärke löste sich. Im Maischebottich kamen dann Wasser und Malz und danach Hefekulturen hinzu, die den Zucker zu Alkohol vergärten. Das dauerte drei Tage. „Jetzt hatte das Gemisch acht bis zehn Umdrehungen“, erklärt Rainer Eschedor mit Blick auf den Alkoholgehalt.
Ganz unten wird es dann hochprozentig: Im Rohrbrandturm nutzte der Brennmeister die unterschiedlichen Siedepunkte von Wasser (100 °C) und Alkohol (78 °C) aus. Die Maische tropfte über mehrere Glockenböden nach unten. Der Alkohol verdampfte dabei und stieg nach oben.
„Noch ist er ungenießbar“, sagt Rainer Eschedor. In einem zweiten Schritt verflüchtigten sich die ungenießbaren Stoffe. Der Trinkalkohol hatte dann eine Alkoholkonzentration von über 95 %. Die geistreiche Flüssigkeit floss dann durch den Weingeistzähler in die vom Zoll verplombten Sammeltanks im Keller. Im Anschluss verdünnte man ihn mit Wasser auf 32 %.
Rainer Eschedor fasst es in Zahlen zusammen: In einem Schnapsglas stecken etwa 370 Weizenkörner, aber auch 5 g reiner Alkohol. „Daher mäßig nippen, statt kippen.“
Besucher-Infos
An jedem zweiten Sonntag im Monat von April bis Oktober ist die Alte Brennerei von 13.30 Uhr bis 18 Uhr geöffnet.
Gruppen können jederzeit Termine für Museumsführungen telefonisch mit Hermann Böhne unter Tel. (0 57 03) 820 oder mit Rainer Eschedor unter (01 60) 95 25 25 59 vereinbaren.
Die Adresse des Museums lautet Mindener Str. 71, 32479 Hille. Der Eintritt kostet 5 € und beinhaltet einen Probierschnaps.
www.altebrennereihille.de
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