Glaubenswelten in der Zeche

„Der geteilte Himmel“: Landesausstellung zur Reformation und zum religiösen Leben an Rhein und Ruhr im Ruhrmuseum in Essen.

Martin Luther war nie in Westfalen. Mit seinen geschriebenen Worten aber hat er das Land wie nur wenige andere verändert. Manchmal reichte schon ein mahnender Brief. Im Frühjahr 1532 etwa schlug er dem Stadtrat zu Soest einen seiner Gefolgsleute als neuen Superintendenten vor – „den ich auch für tüchtig in diesem Amt achte“, so Luther. Von Wittenberg aus mahnte er die Westfalen, darauf zu achten, dass sich keine „unreine und aufrührerische Lehre bei Euch einschleiche“.

Der Originalbrief ist heute zu sehen in einer Ausstellung in Essen mit dem Titel „Der geteilte Himmel – Reformation und religiöse Vielfalt an Rhein und Ruhr“. Sie erzählt mit 800 Ausstellungsstücken von den vielen Wandlungen des Glaubenslebens zwischen Rhein und Weser vom Mittelalter bis heute.

Kelche, Ikonen und Koran

Im Mittelpunkt steht das Ereignis der Reformation, deren Auslöser, der vielzitierte „Thesenanschlag zu Wittenberg“, sich in diesem Jahr zum 500. Mal jährt. Zu sehen sind unter anderem Statuen aus dem Essener Domschatz, Ikonen, mittelalterliche Handschriften, kostbare sakrale Gegenstände aus den Weltreligionen oder etwa auch der erste gedruckte Koran aus dem 19. Jahrhundert.

Die Schau wird im fensterlosen ehemaligen Bunkerraum der Zeche Zollverein in Essen gezeigt. Sie sei aber „keine Ruhrgebietsausstellung, sondern eine Landesausstellung“, betonte der Museumsleiter Heinrich Theodor Grütter auf der Eröffnungs-Pressekonferenz. Es sei auch keine reine Reformations- oder Kirchenausstellung, die sich allein mit den christlichen Konfessionen befasse. Immerhin gebe es in Nordrhein-Westfalen heute mehr als 250 Religionsgemeinschaften – „so viele wie sonst nirgendwo in Deutschland“, so Grütter.

Gebetbücher und Flugschriften, fromme Bilder und scharfe Schwerter lassen die Zeit lebendig werden, als Luthers Lehre die Städte und das Land in Aufruhr versetzt hat. Erzählt wird auch vom starken karitativen Engagement der Kirchen- und Glaubensgemeinschaften – etwa wenn die frühen, von Ordensfrauen gegründeten Hospitäler im Land vorgestellt werden, die Blindenschulen oder auch die im 19. Jahrhundert ins Leben gerufenen Bethel’schen Anstalten bei Bielefeld. Ein weiterer Schwerpunkt blickt auf die Konflikte mit dem Staat, etwa zwischen Bismarcks Preußen und dem katholischen Klerus oder zwischen Nazis und Kirchen.

„Sinn finden statt Sinn machen“

In zwölf kleineren Seitenräumen werden die Riten und Feste der jeweiligen Konfessionen und Religionen vorgestellt, außerdem ihre heiligen Schriften, ihre Kleider- und Speisevorschriften oder ihr Umgang mit Stationen des Lebens wie Geburt, Erwachsenwerden, Heirat und Tod. Der Blick wendet sich dabei nicht nur den drei Buchreligionen Judentum, Christentum und Islam zu. Vielmehr werden auch die Glaubenswelten etwa der Sikhs, Hindus oder Buddhisten beleuchtet. Weitere Exponate befassen sich mit den Pilgerfahrten, den Festen und Ritualen, den Schulen und den „Klangwelten“ – vom frommen Kirchengesang des Mittelalters bis zum Muezzinruf.

Unter dem Strich will die Ausstellung keine weltliche Predigt sein, wie Museumsleiter Grütter vor der Presse hervorhebt. „Wir sind nicht Sinnstifter“, sagt er und setzt hinzu: „Sinn kann man nicht stiften und auch nicht machen. Sinn kann man nur finden.“

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Ort: Die Ausstellung „Der geteilte Himmel – Reformation und religiöse Vielfalt an Rhein und Ruhr“ ist bis zum 31. Oktober zu sehen im Ruhrmuseum in der Zeche Zollverein, Gelsenkirchener Straße 181, in Essen.

Öffnungszeiten: täglich – auch montags! – von 10 bis 18 Uhr geöffnet.
Eintritt: 7 €, ermäßigt 4 €. Für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren ist der Eintritt frei. Der umfangreiche Begleitkatalog (400 Abbildungen, 408 Seiten), kostet 24,95 €.
Weitere Informationen: Tel. (02 01) 24 68 14 44, www.ruhrmuseum.de

Text: Gisbert Strotdrees