Im Jahr 1636 kamen die Schweden über Glandorf. Sie plünderten, mordeten und vergewaltigten. Diese schaurigen Details erfahre ich in Schwege, einem Ortsteil der niedersächsischen Grenzgemeinde. Per Kurbel aktiviere ich eine Hörstation. Aus ihr erklingt diese Anekdote aus dem Dreißigjährigen Krieg. Als sich endlich Frieden anbahnte, war das ein zähes Ringen. Wichtig dabei waren die Boten, die zwischen Münster und Osnabrück ritten und so dem Frieden auf die Sprünge halfen.
Dem Frieden auf der Spur
Da sich meine Reitkünste in Grenzen halten, habe ich mich für einen Drahtesel (ohne Akku) entschieden. Ich fahre auf der Friedensroute zwischen den beiden Städten, die nur etwa 50 km Luftlinie auseinanderliegen. In ihnen wurde vor 375 Jahren der Westfälische Frieden geschlossen und so der Dreißigjährige Krieg beendet.
Mehr als fünf Jahre dauerten die Verhandlungen. Um die beiden für neutral erklärten und damals kaum zerstörten Städte zu verbinden, ritten zweimal die Woche Kuriere zwischen den Orten und versorgten die Abgesandten der unterschiedlichen Kriegsparteien und Konfessionen mit Post und Nachrichten.
Heute ist die Friedensroute ein Radweg, der sich auf eine östliche Route und eine westliche aufteilt – jeweils gut 80 km lang. Ich habe mich für die östliche entschieden. In Münsters Südosten gestartet überquere ich bei Telgte die Ems. Hier befand sich kurz vor dem Friedensschluss eine der letzten intakten Brücken über den Fluss. Zu Beginn des Krieges bedrohte der tolle Christian (von Braunschweig-Wolfenbüttel) den Marienwallfahrtsort. Zum Friedensjubiläum grüßen 111 goldene Engel von der Mauer der Propsteikirche St. Clemens.
Im Anschluss folgt Ostbevern. Dort passiere ich das Wasserschloss Loburg, einst Adelssitz, heute Internat. Friedlich gleitet die Münsterländer Parklandschaft an mir vorbei. Das Einzige, was hier heute schießt, ist der Mais aus dem Boden. Gestochen wird heute nur der Spargel. Vor mehr als 375 Jahren ein anderes Bild: Marodierende Söldnerheere, egal welcher Konfession, terrorisierten Bauern und Bürger. Mit Brandbriefen, nicht umsonst an den Ecken angesengt, pressten die Heerführer Schutzgeld aus Dörfern und Städten. Wer nicht gehorchte, bekam den „roten Hahn“ aufs Dach gesetzt.
In Glandorf erkenne ich die Spuren des Brandschatzens am Kirchturm. Er schimmert in zwei Farben. Die Schweden brannten die Kirche nieder. Auf die alten Grundmauern des Turms setzte man andere Steine.
Reiter mit Posthorn
Weiter folge ich dem grünen Reiter mit dem Posthorn. Er ist das Symbol der Friedensroute und heute mein Lotse. Hinter Bad Laer sehe ich die Hügel des Teutoburger Waldes aufsteigen. Gleich endet die gemütliche Fahrt.
Die Höfe sehen anders aus. Klinker weicht Fachwerk mit weiß getünchten Gefachen. Maibäume wehen im leichten Regen. Aprilwetter im Mai. Ich erklimme das Städtchen Bad Iburg zur Mittagszeit. Der Schlossberg und die Spuren der Landesgartenschau 2018 prägen die einstige Residenz der Osnabrücker Bischöfe. Während des Krieges – ich kann es mir schon fast denken – haben sich im Schlosskloster die Schweden breit gemacht.
Ich fahre unter dem Baumwipfelpfad durch eine der waldreichsten Gemeinden Niedersachsens. Doch auf einmal Weinreben voraus. Die Familie Brinkmann hat im Teutoburger Wald 2018 den ersten Weinberg Niedersachsens angelegt und vermutlich einen der nördlichsten Deutschlands. Wenn das Fabio Chigi, der Gesandte des Vatikans und spätere Papst Alexander VII, gewusst hätte. Er hätte das westfälische Wetter und Essen vielleicht nicht so sehr verflucht.
Ich verfluche mittlerweile die Steigungen in Richtung Hagen. Wäre das E-Bike meiner Frau nicht doch die bessere Wahl gewesen? Doch wo es hoch geht, geht der Weg auch wieder runter. Die Gerste wogt im Wind und ich sause an beeindruckenden Fachwerkhöfen vorbei. In Hagen erfahre ich aber, dass während des Krieges viele Höfe aufgegeben wurden. „Holt dich nicht der Schwede oder der Hesse, dann die Pest oder der Hunger“, war damals eine verbreitete Weisheit.
Kurz danach überschreite ich die Stadtgrenze Osnabrücks – das Rathaus ist nicht mehr weit. Ein Blick auf den ständigen Stau auf der Autobahn 1 lässt meine Oberschenkel wieder etwas leichter werden. Zum Glück bin ich nicht mit dem Auto gekommen.
Erstmals ohne Waffen
Während die letzten Reste der Osnabrücker Maiwoche weggekehrt werden, erreiche ich den Ort, von dem am 25. Oktober 1648 das Ende des Krieges verkündet wurde. Erstmals in der europäischen Geschichte endete ein Krieg nicht durch Waffen, sondern durch Verhandlungen. Ich drücke die Klinke mit der symbolischen Taube und dem Jahr 1648 und betrete den Friedenssaal. Hier tagte vor allem die protestantische Seite des Konfliktes, unter anderem die Schweden. Sie schickte von hier die Reiter ins katholische Münster.
Für mich geht es mit der Bahn zurück. In einer guten halben Stunde bin ich wieder in Münster. Beim nächsten Mal nehme ich die Westroute. Städte wie Tecklenburg, Lengerich und Greven warten auf mich.
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