Eigentlich müsste das Ruhrgebiet einen anderen Fluss im Namen tragen: die Emscher. Sie war vor allem ab der Mitte des 19. Jahrhunderts der Wasserlauf, der den industriellen Aufstieg der Region mitprägte.
Dabei geriet sie so stark in Mitleidenschaft, dass sie nicht umsonst „Köttelbecke“ und „Cloaca maxima“ genannt wurde. Seit 2021 ist der Fluss wieder abwasserfrei.
Die Fotoausstellung „Die Emscher. Bildgeschichte eines Flusses“ im Ruhrmuseum auf der Zeche Zollverein in Essen dokumentiert diesen Wandel noch bis zum 16. April. Kernstück der Ausstellung sind über 200 Fotografien aus dem Archiv der Emschergenossenschaft.
Grenzfluss wird Abfluss
Vor Kohle und Stahl war die Emscher ein Grenzfluss zwischen verschiedenen Herrschaften. In ihren Auen züchteten die Menschen schon im späten Mittelalter eine besondere Pferderasse, die sogenannten Emscherbrücher. Bis zu 50 Schlösser und Herrenhäuser säumten das Ufer des Flusses.
Anfang des 19. Jahrhunderts verschwand diese Beschaulichkeit. Die alten Mühlen entlang des Flusses, der in Holzwickede entspringt und nach knapp 80 km bei Dinslaken in den Rhein mündet, mussten Platz machen.
Der Bergbau fraß sich von seinen Anfängen entlang der Ruhr in Richtung Norden. Er verursachte Gebietssenkungen und formte so das Emschertal um. Parallel explodierte die Bevölkerungszahl im Revier. Die Exkremente gingen ungeklärt in die Emscher. Im Volksmund hieß sie „die Schwatte“.
Wegen des fehlenden Gefälles trat sie immer wieder über die Ufer. An ihrem Lauf grassierten Typhus und Cholera. Um den Notstand zu beheben, gründete sich 1899 die Emschergenossenschaft – der erste Wasserwirtschaftsverband Deutschlands.
Wie ein Kanal
Im Fokus der Genossenschaft stand zunächst, dem Abwasserproblem Herr zu werden. Ein gigantisches Bauprogramm setzte ab 1906 ein. Die Emscher und ihre Zuflüsse wurden reguliert und verwandelten sich in ein oberirdisches Kanalsystem.
Gewundene Bäche wurden zu geradlinigen Betonrinnen, die eingefasst von Deichen und Dämmen die Landschaft durchschnitten. Die Genossenschaft errichtete zahlreiche Kläranlagen und Pumpwerke.
Diese Bauarbeiter waren nicht so präsent wie Kumpel und Stahlkocher, doch wichtig für das Funktionieren des Ruhrgebietes. Die Fotografien vermitteln einen Eindruck von der Schwere der körperlichen Arbeit.
Allein in der ersten Bauphase bis 1914 wurden über 10 Mio. m³ Erde von den Baustellen abtransportiert. Beeindruckend sind die Panoramaaufnahmen und Vorher-Nachher-Bilder.
Renaturierung des Flusses
Das Ende des Bergbaus ermöglichte verstärkt den Bau unterirdischer Abwasserkanäle. Das säuberte den Fluss schrittweise. Ende 2021 ging durch die Medien, dass die Emscher wieder abwasserfrei ist.
1992 begann der ökologische Umbau des Flusses. Große Abschnitte des Flusses und seiner Nebenläufe wurden renaturiert. Ziel der Renaturierung ist es, den gesamten Fluss aus seinem Betonbett zu befreien, ihn zu verbreitern und ihm, wo es möglich ist, seinen mäandrierenden Lauf zurückzugeben.
Parallel dazu verändern sich die angrenzenden Stadtteile. Der gesamte Umbau dauert noch Jahre und geht über die Renaturierung hinaus: Klimaschutz, Hochwasserschutz und Kreislaufwirtschaft bestimmen heute die wasserwirtschaftlichen Aufgaben der Emschergenossenschaft.
Für den Besuch
Ruhrmuseum, Gelsenkirchener Straße 181, 45309 Essen
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr.
Preise: Erwachsene zahlen 10 €, Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sowie Schüler unter 25 Jahren haben freien Eintritt.
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