Ausstellung im Landesmuseum

Eine Rückerstattung der anderen Art

Die Westfälische Provinzial-Versicherung sammelt Kunst, geschaffen von Künstlern aus oder in Westfalen. Das Landesmuseum für Kunst und Kultur in Münster stellt die Sammlung erstmals vor.

Wenn Museumsleute von einem „Kartoffelraum“ sprechen, meinen sie kein Kellerlager für essbare Wintervorräte. Der fensterlose Raum, von dem hier die Rede ist, befindet sich in bester Lage: im Obergeschoss des Westfälischen Landesmuseums für Kunst und Kultur in Münster. Dort ist derzeit eine Sonderausstellung mit Kunstwerken zu sehen, die die Westfälische Provinzial AG seit den 1980er-Jahren zusammengetragen hat. Ausgestellt sind unter anderem zwei plakatgroße Druckgrafiken von Peter August Böckstiegel, dem expressionistischen „Bauernmaler“ aus Werther. Seine Druckgrafiken „Mein Vater am Sensendengeln“ und „Kartoffelernte“ gaben den Anstoß für den museumsinternen Namen „Kartoffelraum“.

Neben den beiden Böckstiegel-Grafiken hängt eine Schwarz-Weiß-Bilderserie mit Pflanzenskizzen, gezeichnet von Rosemarie Trockels. Nur wenige Schritte weiter sind großformatige Blätter von Gunter Keusen ausgestellt. Er hat sie gestaltet, indem er Holunderdolden und -beeren auf Pappe gepresst und zerdrückt hat.

Bezüge zu Westfalen

Diese und die anderen 140 ausgestellten Kunstwerke verbindet vor allem zweierlei:

  • Zum einen haben sie einen Bezug zu Westfalen – sei es, dass die Künstler aus Westfalen stammen, hier gelebt haben oder leben, sei es, dass sie hier ihre Bildmotive gefunden haben.
  • Zum anderen stammen alle gezeigten Werke aus der Sammlung des Versicherungskonzerns Westfälische Provinzial AG. Die Sammlung wird im Landesmuseum aufbewahrt und betreut.

Diese Kooperation geht auf eine pfiffige Idee zurück. Sie entstand um 1985, als die Versicherung in Münster einen Neubau plante und dabei auch über Mittel für „Kunst am Bau“ zu befinden hatte. Der damalige Leiter des Landesmuseums, Prof. Klaus Bussmann, regte an, mit dem Geld gezielt Kunstwerke westfälischer Künstler zu erwerben und sie so zu fördern. Systematisch wurden daraufhin Arbeiten vielversprechender Künstlerinnen und Künstler angekauft. Erworben wurden auch Werke von Trägern des Konrad-von-Soest-Preises, den der Landschaftsverband Westfalen-­Lippe vergibt.

Emil Nolde in Soest

Über die Jahre ist eine exzellente Kunstsammlung entstanden, finanziert aus Mitteln der Westfälischen Provinzial AG. Sie umfasst derzeit mehr als 1600 Grafiken sowie weitere etwa 100 Gemälde, Fotografien und Videoarbeiten.

Die Sammlung wird im Landesmuseum aufbewahrt, war aber bislang so gut wie nie öffentlich zugänglich. Nur ein kleiner Teil der Werke hängt zeitweilig in den Büroräumen des Versicherungskonzerns in Münster, wo sie letztlich auch nur wenige zu sehen bekommen. Die nun eröffnete Schau im Landesmuseum ist also, salopp formuliert, eine Beitrags-Rückerstattung der anderen Art.

In der vor wenigen Tagen eröffneten Sonderausstellung wird eine Auswahl von 140 Werken der Sammlung gezeigt. Zu den Glanzstücken zählen drei großformatige, handgewebte Farbquadrate des aus Bottrop stammenden Bauhaus-Künstlers Josef Albers, die 42-teilige „Hommage an Johann Sebastian Bach“ von Eduardo Chillida, oder auch die Gemälde mit Droste-Hülshoff-Motiven, mit kräftigem Strich gemalt von Martin Kippenberger.

Eher unscheinbar ist
dagegen die Radierung
Emil Noldes von 1906,
die den „Schiefen Turm“
 der Thomäkirche in
 Soest zeigt. Dazu passen
 die unmittelbar daneben hängenden westfälischen Motive: etwa das Gemälde „Paderborner Dom“ von Helmuth Macke
oder eine turbulente An-sicht Arnsbergs, als Holzschnitt
 gestaltet von Karl Schmidt-Rottluff.

Jüngste Arbeit in schwarz-rot-gold

Gezeigt werden auch eindrucksvolle fotografische Arbeiten der früheren „FAZ“-Fotografin Barbara Klemm sowie des Ehepaars Bernd und Hilla Becher. Sie haben sich für Fachwerkgebäude im Siegerland ebenso interessiert wie für Fördertürme im Ruhrgebiet – diese Fotoserie ist in der Ausstellung zu sehen.

Eine der jüngsten Arbeiten stammt von der 1977 geborenen Künstlerin Johanna Reich aus Minden. Sie setzt sich in einer Video-Arbeit mit dem „Fußball-Sommermärchen“ der WM 2006 auseinander.

Tipps für Besucher

Die Ausstellung „Unerwartete Begegnungen – Nolde, Kippenberger, Fritsch & Co in der Sammlung der Westfälischen Provinzial“ ist bis zum 25. Februar im Landesmuseum für Kunst und Kultur in Münster, Domplatz 10, täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Der Eintritt (für Sonderausstellung und Dauerausstellung) kostet 12 €, ermäßigt 6 €, Familien 20 €. Weitere Informationen unter Tel. (02  51) 5  90  72  01.

www.lwl-museum-kunst-kultur.de