Landleben gestern

Eine Bauernwelt im Wandel: Wenn elf Geschwister erzählen

Der Tübinger Historiker Ewald Frie, Bauernsohn aus dem Münsterland, hat ein faszinierendes Buch über seine Familie, das ländliche Milieu und dessen Umbrüche verfasst.

Wenn in den 1950er-Jahren Zuchtviehmarkt in Münster war, kamen die jungen Bauern mit ihren herausgeputzten Tieren in die Stadt. In der Halle Münsterland standen sie zwischen den Tieren, es wurde getrunken, geraucht, diskutiert, manche zogen noch durch die Kneipen der Stadt – „dann schliefen die jungen Bauern in den Ställen vor oder hinter den Trögen, wo die Tiere standen, und am nächsten Tag wurden die Tiere verkauft“. So erfuhr es der Historiker Ewald Frie von seiner älteren Schwester, die ihm davon halb belustigt erzählt hat.

Das Detail stammt aus einer bäuerlichen Lebenswelt, die noch vor wenigen Jahrzehnten gelebter Alltag war: Ewald Frie, Professor für Geschichtswissenschaft in Tübingen, hat diesen Wandel auf dem Land zwischen Kriegsende und Mauerfall erkundet.

Besonderer Weg des Erinnerns

Das haben schon viele vor ihm getan. Doch Frie hat einen besonderen Weg gefunden – und eine besondere Chance genutzt: Er ist der drittjüngste von elf Geschwistern. Sie alle, geboren zwischen 1944 und 1969, sind auf dem elterlichen Hof in der Bauerschaft Horst bei Nottuln im Münsterland groß geworden.

Trotz des gemeinsamen Ortes der Kindheit hat jeder und jede eine ganz eigene Erinnerung an das Erlebte. „Wenn einer der älteren von der seinerzeit frisch gegründeten Gefriergenossenschaft als etwas neues, modernes schwärmte, hat eine der jüngeren Schwestern abgewunken, weil sie das bereits als etwas vorgestriges erlebt hat“, erzählt Frie im Gespräch mit dem Wochenblatt.

Die Welt der Rindviehzucht

Wie ist das Buch entstanden? Frie...