Der Limes: Grenzerfahrung in Lippe

Der Niedergermanische Limes entlang des Rheines schirmte fast 400 Jahre das römische Reich ab. Wie die Grenze auf die Menschen jenseits des Limes wirkte, zeigt das Landesmuseum in Detmold.

Lange bevor der Todesstreifen die Bundesrepublik von der DDR trennte, durchschnitt weiter westlich eine militärisch gesicherte Grenze das heutige NRW: der Niedergermanische Limes (lateinisch für Grenze) entlang des Rheins.

Diese Barriere überdauerte mehr als 400 Jahre und steht im Fokus der siebten Archäologischen Landesausstellung. Sie wird in fünf Städten aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Das Lippische Landesmuseum in Detmold widmet sich bis zum 27. Februar den „Grenzüberschreitungen am Limes“.

Der Fluss als Grenze


Doch bevor wir den indigenen Stämmen im heutigen Westfalen einen Besuch abstatten, ein paar Sätze zum Niedergermanischen Limes: Er zählt als Bodendenkmal seit 2021 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Die etwa 400 km lange Grenze reichte von Katwijk an der niederländischen Küste bis nach Remagen in Rheinland-Pfalz.

Vollends ausgebaut wurde dieser Limesabschnitt, nachdem die ­Römer in den Jahrzehnten nach Christi Geburt ihre Expansions­pläne bis an die Elbe endgültig begruben und sich die Legionen hinter den Rhein zurückzogen – unter ­anderem nach der Schmach in der Varusschlacht (9. n. Chr).

Entlang des Rheins bauten die ­Römer weitere Kastelle und Wachtürme. Auf dem Fluss patrouillierte eine Flotte. In ihrem Schutz ­entstand eine Vielzahl von Land­gütern und Siedlungen. Das heutige Köln entwickelte sich zur Provinzhauptstadt. Aus Militär­lagern erwuchsen die späteren Städte Neuss und Bonn.

Für Besucher

Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 10 bis 18 Uhr, Samstag, Sonntag und feiertags 11 bis 18 Uhr; 24., 25. und 31. Dezember sowie 1. Januar geschlossen.
Eintrittspreise: Erwachsene 7 €, ermäßigt 3,50 €, Kinder und Jugend­liche bis 17 Jahre frei.
Beachten Sie die Corona-Regeln.
www.lippisches-landes­museum.de

Östlich des Limes

Der Rhein war nun aber für die östlich des Flusses lebenden Menschen nicht mehr ohne Weiteres passierbar. Relativ abrupt endet im heutigen Westfalen das, was die Römer Zivilisation nannten. Städte, Schrift und befestigte Straßen gab es dort nicht. Dennoch blieb der Austausch über die Grenze hinweg bestehen.

Dessen unterschiedliche Tiefe gliedert die Ausstellung in Detmold chronologisch in vier Hauptkapitel. Von der späten Eisenzeit (etwa 150 bis 50 v. Chr.) bis zur Völkerwanderungszeit (um 500 n. Chr.) erzählt sie von kulturübergreifenden Begegnungen zwischen Maas und Weser.

Um Christi Geburt war der Austausch intensiv. Im Mittelpunkt steht hierbei eine Siedlung im heutigen Delbrück-Anreppen, die etwa 100 m entfernt von einem römischen Militärlager lag. Spätestens mit der Einrichtung der Provinz Niedergermanien (Germania Inferior) links des Rheins im Jahr 85 n. Chr. schloss sich die Grenze aber verstärkt.

Eine typische einheimische Keramik des Rhein-Weser-Raumes. Sie wurde in Bad Salzuflen-­Grastrup gefunden. (Bildquelle: Lippisches Landesmuseum, A. Drewes)

Die ansässigen Stämme, von Tacitus und Co pauschal als Germanen bezeichnet, standen unterschiedlich eng mit dem römischen Weltreich in Kontakt. Was es definitiv nicht gab, war ein stammesübergreifendes Gemeinschaftsgefühl. Sie unterteilten sich in Cugerner, Sueben oder Ubier. Ihre Lebensweise ähnelte sich.

Sie lässt sich aber nur aus archäologischen Funden ergründen, da die Stämme selbst keine Schrift verwendeten. Wenn dann schrieben die Römer über sie. Dort schwankte ihr Bild zwischen „edlen Wilden“ und „kriegerischen Barbaren“.

Die meisten Bewohner zwischen Rhein und Weser waren einfache Bauern. Sie lebten auf Hofstellen, die in Weilern mit mehreren Höfen gruppiert waren. Diese lagen in aufgelichteten Wäldern. Ackerbau und Vieh bestimmten den Alltag der Selbstversorger.

Fehlende Güter kamen per Tauschhandel in die Langhäuser aus Lehm und Holz. Vor allem Gerste und Hirse wuchsen auf den Feldern. Der ertragreichere Weizen und Dinkel fanden jenseits des Limes noch keine Verbreitung.

Blütezeit am Rhein


Im 2. und 3. Jahrhundert erlebte die Provinz Niedergermanien eine Blütephase. Davon profitierten auch die jenseits gelegenen Bereiche. So nutzten die Bewohner ­römische Gegenstände im Alltag, recycelten sie und gaben sie ihren Toten mit, wie eine Ausgrabung in Porta Westfalica-Vletheim zeigt.

Ab dem 3. Jahrhundert statten sich die Eliten immer mehr mit römischen Gegenständen aus, wie ein vergoldeter Zierbeschlag, gefunden in Kamen-Westick, und ein Münzschatz, gefunden bei Fröndenberg, zeigen. Dass die Begegnungen nicht immer friedlich waren, verdeutlichen Kettenhemdfunde aus Dortmund-Oespel.

Die Darstellung eines Hirsches auf einem vergoldeten Beschlag, der vermutlich Teil eines Gürtels war, wurde bei Kamen-Westick entdeckt.­ (Bildquelle: LWL-Archäologie für Westfalen, H. Menne)

Im 4. Jahrhundert setzte ein noch stärkerer Austausch ein, da aus den nicht unterworfenen Gebieten immer mehr fränkische Krieger Eingang in die römische Armee fanden. Sie verstärkten unter anderem die Grenze, nachdem diese in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts löchriger geworden war. Die Veteranen kehrten zum Teil in ihre Heimat zurück und brachten neue Gegenstände und Erfahrungen mit.

Insgesamt rückt die Ausstellung vor allem die einfachen Menschen in den Mittelpunkt. Über 400 Exponate, zum Teil noch nie gezeigt in NRW, berichten über ihr Leben östlich des Limes und ihren Erlebnissen mit den Römern. Zum Reden bringt ein Chatbot manches Ausstellungsstück. Aktiviert per QR-Code fürs Smartphone erfahren die Gäste digital mehr zum Beispiel über einen Kochtopf aus Haltern.

In der Ausstellung dürfen die Besucher auch Keramik, Kettenhemd und Stoffe in den Händen halten. Mit dem Zerfall der römischen Welt und einem kurzen Ausblick auf die frühmittelalterliche Phase endet die Ausstellung. Der Rhein wurde nun wieder zu einem verbindenden Element. Dabei klingt der Gang durch die Geschichte mit der Frage aus, ob die römische Grenzziehung für Rheinländer und Westfalen bis heute Folgen hat.

Roms fließende Grenze
Die siebte Archäologische Landesausstellung Nordrhein-Westfalen trägt den Titel „Roms fließende Grenzen“. An fünf verschiedenen Standorten wirft sie unterschied­liche Perspektiven auf das Leben am Limes.

30. September 2021 bis 16. Oktober 2022 in Xanten: Im Archäo­logischen Park und im Römer­museum werfen Originalfunde ein neues Licht auf den Alltag der Legio­näre, die Heiligtümer und das zivile Leben am Limes. Dabei lässt sich unter anderem ein Schiffs­nachbau entdecken.

25. November 2021 bis 16. Oktober 2022 in Bonn: Das Landesmuseum stellt die Vielfalt der Menschen am Niedergermanischen Limes vor. Wie wohnte und arbeitete man in den Militärlagern und zivilen Siedlungen? Ein interaktives Modell veranschaulicht den Limes.

25. März bis 30. Oktober 2022 im Römermuseum in Haltern am See: Um Christi Geburt versuchten die Römer das Imperium nach Osten zu erweitern. Sie errichten Militärlager entlang der Lippe. Doch der Widerstand indigener Stämme zwang sie an den Rhein zurück. Neufunde, die Rekonstruktion eines Wachhauses und der neue „Escape Room“ lassen die Antike auferstehen.

29. April bis 9. Oktober 2022 im Römisch-Germanischen Museum in Köln: Die Metropole am Rhein war ein Abbild Roms und Hauptstadt der Provinz. Archäologische Funde erzählen von der großen Vergangenheit der antiken Stadt und dem ­Alltag ihrer Bewohner. ­Digitale Rekons­truktionen lassen Colonia Claudia Ara Agrippinensium wieder auferstehen.
www.roemer.nrw

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Museum im Osnabrücker Land

Kalkriese: Im "Park" der Römer und Germanen

von Gisbert Strotdrees

Nach der Corona-Pause wieder geöffnet: Kinder, Jugendliche und Erwachsene können sich im „Museum und Park Kalkriese“ bei Bramsche wieder auf die Spuren der Römer und Germanen ­begeben.