Ausstellung in Arnsberg

Wandern, Baden, Winnetou: Wie das Sauerland Urlaubsland wurde

„Das Paradies vor der Haustür“ lautet der Titel der Sonderausstellung im Sauerland-Museum in Arnsberg.

Der Radweg durchs Ruhrtal zählt zu den beliebtesten Fernradwegen weit und breit. Ruhrrevier und Sauerland an einer Strecke – das war noch vor einer Generation völlig undenkbar. Heile Dorfwelt hier, Kohle, Dreck und graue Städte dort: Der Gegensatz konnte kaum krasser sein. Aber Gegensätze ziehen sich ja ­bekanntlich an.

Wie sehr sie sich gegenseitig gebraucht haben, zeigt das Arnsberger Sauerland-Museum in seiner Sonderausstellung zum Tourismus im Sauerland. Sie trägt den Titel: „Das Paradies vor der Haustür“.

Adolf Tegtmeier ruft: „Herrlich, diese Luft!“

Schon vor dem Eingang ist der ­unvergessene Kabarettist Jürgen von Manger alias Adolf Tegtmeier zu hören, wie er vom Sauerland schwärmt: Die gute Luft, die unbezahlbare Mittelgebirgslage, eines der allerletzten Paradiese.

Was humorvoll daherkommt, hatte einen bitterernsten Hintergrund. Unter den Bedingungen der Schwerindustrie im Ruhrpott mit Untertagearbeit, Maloche in Staub und Hitze, bei Krach und Dreck am Tag und in der Nacht, bei oft miesen Wohnverhältnissen ging es nicht um Spiel und Spaß. Denn wer mit einer Steinstaublunge in die Fachklinik nach Schmallenberg kam, war arm dran. Erholung hatten alle Familien dringend nötig, die im Schatten von Zeche und Stahlwerk wohnten. Welche Wohltat müssen damals Luft, Licht und Platz im Grünen gewesen sein?

Andererseits konnten die Sauerländer Bargeld gut gebrauchen. So richteten sie ihre bescheidenen ­Behausungen auf Sommergäste ein und schliefen selbst im Stroh. All dies war aber nur möglich, nachdem sich die Arbeiterschaft die ersten Urlaubstage erkämpft hatte.


Kommentar: Etwas mehr Abstand, bitte


Zur Ausstellung ist ein ansehnliches Katalogbuch erschienen. Viel gründlicher, als es die Ausstellung kann, gehen die Autorinnen und Autoren des Buches der Tourismusgeschichte des Sauerlands auf den Grund. Ein bisschen mehr kritische Distanz hätte dem Werk allerdings gut getan. Oder kommt der Tourismus so ganz ohne jeden Nachteil daher, zum Beispiel für Natur und Umwelt?
Am Ende darf ein bekannter Hoteleigentümer im Ausstellungskatalog die Erfolgsgeschichte seines eigenen Hotels beschreiben. Da sind die Grenzen zwischen sachlicher Darstellung und Marketing in eigener Sache dann doch arg ins Rutschen ­geraten. Schade. CM

Als Bahn und Bus kamen

Die Ausstellung zeichnet nach, wie es begann mit dem Wintersport, dem Wandern und Baden im Stausee. Die weltweit erste Jugendherberge entstand nicht zufällig im Sauerland. Der neu gegründete Sauerländische Gebirgsverein kümmerte sich um die Wander­wege. Weitere Meilensteine waren

  • der Bau der Bahnstrecken, zum Beispiel durch das obere Ruhrtal,
  • das Aufkommen des Verkehrsmittels Omnibus und schließlich
  • das Auto: Mit Zelt und Wohnwagen ging es auf frisch angelegte Campingplätze.

Das Auto brachte die Touristen aber auch in weitere Fernen. Bayern und Italien rückten näher, das Sauerland hatte langsam das Nachsehen. Um nicht abgehängt zu werden, ließen sich die Sauerländer etwas Neues einfallen. Sie bauten die Skipisten aus, kümmerten sich erneut um die Wanderwege und ihre Vermarktung („Rothaarsteig“) und entdeckten mit den Elektrorad-Fahrern eine neue Zielgruppe.

In Elspe zog Pierre Brice als Winnetou seine Fans und Freunde in Scharen an. Die Tourismusprofis bauten Winterberg und Willingen zu Hotspots aus, mit Programm rund ums Jahr.

Heute ist das Ruhrgebiet selbst eine spannende touristische Region geworden. Da muss sich das Sauerland anstrengen. Bike-Arena, Erlebniswelt Eis-Arena, Sauerland-­Höhenflug und Skiliftkarussell heißen die aktuellen Attraktionen. Ein „Paradies“? Da haben sich die Maßstäbe sicherlich verschoben. Aber tausend Berge, blaue Seen und gute Luft sind echte Trümpfe. Sie werden ihren Wert behalten.


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Ort: Die Sonderausstellung „Das Paradies vor der Haustür – Vom Revier ins Sauerland“ ist bis zum 4. Oktober zu sehen im Sauerland-Museum, ­Alter Markt 24 – 30, in Arnsberg.
Öffnungszeiten: dienstags 9 bis 18 Uhr, mittwochs bis freitags 9 bis 17 Uhr, samstags 14 bis 18 Uhr, sonn- und feiertags 10 bis 18 Uhr.
Eintritt (Kombiticket für Dauer- und Sonderausstellung): Erwachsene 8 €, ermäßigt 4 €, Schüler, Studenten 4 €, unter 6 Jahren frei.
Weitere Informationen:
- Das Katalogbuch zur Sonderaus­stellung kostet 19,90 €.
- Im Museum gelten die üblichen Corona-Hygienevorschriften.
- Anmeldungen für Gruppen und Führungen sowie weitere Informa­tionen unter Tel. (02931) 944444.
www.sauerland-museum.de