Römer in Westfalen

Reste eines Römer-Marschlagers in der Senne entdeckt

In einem Waldstück bei Bielefeld-Sennestadt haben Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) die Reste eines 26 ha großen römischen Marschlager aufgespürt. Wer sich das ansehen möchte: An diesem Wochenende werden Führungen angeboten.

In einem Wald im Südosten Bielefelds, zwischen Sennestadt und Oerlinghausen, haben Archäologen des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) die Reste eines etwa 26 ha großen Marschlagers entdeckt, das römische Soldaten vor rund 2000 Jahren angelegt haben. Die Wall-Graben-Anlage soll aus der Zeit des römischen Kaisers Augustus stammen, der von 31. v. Chr. bis 14 n. Chr. regiert hat.

Wie der LWL mitteilt, wurden die Reste des Marschlagers mithilfe spezieller Laseraufnahmen entdeckt, die das Bodenrelief "nackt", also ohne den jeweiligen Bewuchs abbilden. Das Gelände wurde im 19. Jahrhundert aufgeforstet und blieb seither unangetastet, so dass die Wallanlage auf rund 1400 m Länge gut erhalten geblieben ist. Der Wall soll ursprünglich bis zu 60 cm hoch gewesen sein und ist heute auf etwa 40 cm zusammengesackt. Bei Grabungen konnte vor dem Wall ein Spitzgraben von 80 cm Tiefe nachgewiesen werden.

Im Römermuseum Haltern wurde kürzlich demonstriert, wie ein römisches Marschlager angelegt worden ist. (Bildquelle: P. Jülich (LWL))

Am Ende eines Marschtages angelegt

"Solch eine Wall-Graben-Anlage ist typisch für römische Marschlager", erläutert Dr. Bettina Tremmel, die beim LWL für Provinzialrömische Archäologie zuständig ist. "Die römischen Truppen legten am Ende jedes Tagesmarsches ein solches Lager an, um darin die Nacht zu verbringen." Dazu hoben sie einen Graben aus und häuften auf der Seite zum Lager hin die Erdmassen zu einem Wall auf. Oben auf dem Wall pflanzten die Legionäre dann eine dichte Reihe von spitzen Schanzpfählen aus Holz auf, von denen jeder Soldat einen in seinem Marschgepäck mit sich führte. Die Schanzpfähle wurden zusätzlich mit Seilen verbunden. So entstand ein effektiver Schutz gegen Überfälle und auch gegen Wildtiere.

In dem Lager, das sich über eine Fläche von 26 ha erstreckt hat, konnten drei römische Legionen inklusive Hilfstruppen und Tross gleichzeitig untergebracht werden, „also je nach Truppenstärke etwa 25.000 Menschen", so Tremmel. „Auf dem Marsch campierten die Legionäre in Lederzelten.“

Entlang des Bachtales im Osten haben die Legionäre auf die Errichtung eines Walls verzichtet. Eine mehrere Meter hohe Hangkante zum Bach hin bildete dort ein natürliches Annäherungshindernis.

Mit Laserscans entdeckt

Bereits 2017 hat der ehrenamtlich tätige Archäologie René Jansen Venneboer die Anlage entdeckt. In seiner Freizeit sucht der im Rheinland lebende Venneboer nach Spuren der römischen Feldzüge im nordrhein-westfälischen Raum. Dazu nutzt er vor allem Laserscans, die vom Land frei zur Verfügung gestellt werden. Sie erlauben es, auf der Geländeoberfläche Strukturen zu erkennen, die durch natürlichen Bewuchs verdeckt sind.

Im digitalen Geländemodell ist der Verlauf des Walls erkennbar. Auf diese Weise entdeckte René Jansen Venneboer das Lager. (Bildquelle: Land NRW / B. Tremmel (LWL))

Das Gelände bei Sennestadt wird in weiteren Grabungen sowie Begehungen mit Sonden untersucht. Allerdings ist das ausschließlich Profi-Archäologen erlaubt. "Wälder sind ein absolutes Tabu für die Suche mit dem Metalldetektor", erklärt der LWL-Archäologe Sven Spiong. Der "Fundkontext" würde zerstört, wenn der Gegenstand ohne wissenschaftliche Begleitung aus dem Erdreich geholt werden würde. "Dadurch gehen uns wertvolle Informationen verloren, zum Beispiel wie der Fund ursprünglich in den Boden gelangt ist und wie genau er datiert", fügt Spiong hinzu. "Um dem durch Raubgräber verursachten Schaden vorzubeugen, müssen wir selbst systematisch nach Funden suchen. Dabei greifen wir auch auf die Hilfe von Freiwilligen zurück, die sich aber an unsere Auflagen halten müssen."

Weiter warnt der LWL: Wer ohne Genehmigung mit dem Metalldetektor unterwegs ist, macht sich strafbar. Und zwar nicht nur wegen Raubgräberei, sondern oftmals auch wegen Landfriedensbruch. Denn auch in Bielefeld-Sennestadt befinden sich die Grundstücke mit dem Römerlager in privatem Besitz.

Hintergrund: Römer in Westfalen
Vor 2000 Jahren, in gut drei Jahrzehnten um Christi Geburt, zogen immer wieder römische Soldaten durch Westfalen. Erstmals stieß Drusus, der Adoptivsohn des Kaisers Augustus, im Jahr 11 v. Chr. von der Lippe bis an die Weser vor. In den Jahren 1 bis 5. n. Chr. folgten weitere Feldzüge römischer Soldaten gegen den Stamm der Cherusker, die zwischen Teutoburger Wald und Weser siedelten. Ihnen folgte der Statthalter Varus, der mit seinen drei Legionen im Jahr 9 n. Chr. den "Ureinwohnern", angeführt durch Arminius, unterlag.
Diese so genannte Varusschlacht ist von vielen Legenden umwoben. Auch wenn mancherorts, etwa in Kalkriese, das Gegenteil behauptet wurde: Der Ort dieser Schlacht ist bis heute nicht zweifelsfrei geklärt.
Mit den folgenden Rachefeldzügen des Tiberius und von Drusus' Sohn Germanicus in den Jahren 11 bis 12 und 14 bis 16 n. Chr. durchzogen wieder große römische Feldzugsheere den Landstrich. "Auf welches dieser militärischen Ereignisse der Bau des nun gefundenen Marschlagers zurückzuführen ist, werden vielleicht weitere archäologische Forschungen zeigen", gibt sich Prof. Michael Rind, Leiter der LWL-Archäologie, bedeckt.
In Westfalen sind bereits einige Marschlager aus der Zeit des Kaisers Augustus bekannt. Zuletzt wurde 2011 bei Olfen-Sülsen im Kreis Coesfeld ein römisches Lager entdeckt. Weiter westlich befinden sich im Kreis Recklinghausen in Dorsten-Holsterhausen und in Haltern am See mehrere Marschlager entlang der Lippe. Ein weiteres befindet sich an der Weser in Barkhausen bei Porta-Westfalica (Kreis Minden-Lübbecke). Hinzu kommen die festen Standlager in Haltern, Bergkamen-Oberaden und Lünen-Beckinghausen im Kreis Unna sowie in Kneblinghausen (Kreis Soest) und Delbrück-Anreppen (Kreis Paderborn).
Zum neu gefundenen Ort südöstlich von Bielefeld erklärt die Archäologin Bettina Tremmel: "Die Nähe zu einem Pass über den Teutokamm und die sehr gute Wasserversorgung durch den Bach erlaubte einen zügigen Vorstoß in das Siedlungsgebiet der Cherusker an der Weser."

An diesem Wochenende zu besichtigen

Für Interessierte gibt es an diesem Wochenende die Gelegenheit das Gelände des neuen Fundortes näher zu erkunden. Am Samstag und Sonntag, 11. und 12. Mai, bietet die LWL-Archäologiin Bettina Tremmel jeweils um 11 Uhr, 13.30 Uhr und 15 Uhr öffentliche Führungen an. Neben der aktuellen Grabung wird sie auch die im Gelände noch erkennbaren Wallstrukturen des Lagers zeigen. Festes Schuhwerk wird empfohlen.

Treffpunkt zu den Führungen ist der Eingang von Haus Neuland, Senner Hellweg 493, 33689 Bielefeld. Die "Hermanns-Küche" bei Haus Neuland bietet an beiden Tagen einen Mittagstisch und ein Kuchenbüffet an (https://www.hermanns-kueche.de). Um Vorbestellung wird gebeten unter Tel. (0 52 05) 9 12 60.