Festival „Musiklandschaft Westfalen“

Musik trotz Corona: Hupkonzert für Justus Frantz

Klassische Musik im Autokino: Das ist das Konzept des Festivals „Drive & live“ in Borken. Freitags und samstags spielen Größen der Szene vor Blechkulisse. Auch Götz Alsmann und die Höhner werden kommen.

Die Macher versprechen eine Weltpremiere: In Borken findet das "erste Drive-In Klassikfestival" statt – weltweit versteht sich. Kleiner macht es Dirk Klapsing nicht. Der Intendant des Festivals „Musiklandschaft Westfalen“ ist schließlich in der Werbebranche zu Hause.

Der Auftakt am vergangenen Freitag kommt dann doch weniger pompös und eher ungezwungen daher. 75 Autos reihen sich auf dem Parkplatz an der Borkener Parkstraße neben- und hintereinander. Einweiser in gelben Westen lotsen alle auf ihren Platz. Hohe Wagen müssen erst einmal hinten warten, damit sie vorne keinem die Sicht versperren. Jeder soll im Notfall schnell ausparken können und durch die Windschutzscheibe ­einen Blick auf Bühne und Leinwand haben. Meistens gelingt das.

Regeln für den Applaus

Intendant Klapsing eröffnet und weist in die Applausregeln ein: möglichst mit der Lichthupe, bei besonderer Begeisterung und in den frühen Abendstunden auch mal mit Ton. Dann kraxelt Justus Frantz auf die Bühne, in wärmender Steppjacke und mit sportlichen Schuhen. Neben dem Flügel leuchtet ein Heizstrahler rot.

Drei Tage vor seinem 76. Geburtstag spielt der sturmerprobte Pianist und Dirigent Werke des Komponisten Frédéric Chopin. Der Abend ist eine Reise nach Mallorca. Denn auf dem Programm stehen Stücke, die auf der Baleareninsel entstanden. Zwischendurch plaudert Frantz über Leben und Lieben des Komponisten.

Eine weitere Tonspur von nebenan

Zwei Kameras filmen das Geschehen und übertragen die Bilder live auf die LED-Wand. Der Ton wird, gut abgemischt, über eine UKW-­Frequenz an die Autoradios geschickt. Die Zuhörer erleben das Konzert in Stereoqualität.

Wer das Fenster öffnet, bekommt eine weitere Tonspur gratis dazu: Ab und an dringen Geräusche aus der nahen Kleingartenanlage und vom Skater Park herüber.

Justus Frantz lässt sich von alldem nicht stören. Die Zuhörer haben es sich in ihren Wagen bequem gemacht. Einige haben Verpflegung und Getränke dabei. Ein Konzert im Autokino ist eine entspannte Angelegenheit. Die Garderobe ist kein Thema. Wer mit dem Bei­fahrer plaudert, muss nicht mit empörtem Räuspern rechnen.

Der Pianist Justus Frantz zauberte bei der "Weltpremiere" in Borken Chopin in den westfälischen Abendhimmel. (Bildquelle: A. Hertleif)

Den Künstlern die Bühne zurückgeben

„Wir wollen den Künstlern die Bühne zurückgeben“, sagt Dirk Klapsing. Corona hat eine breite Schneise in die Konzertkalender geschlagen. Den Künstlern fehlt das Publikum, und ohne Auftritte gibt es auch keine Gagen.

Ende April schwirrten die ersten Ideen für Live-Konzerte im Autokino durch das Büro der Festivalmacher. Der Chef hängte sich ans Telefon. Von namhaften Künstlern erhielt er schnell Zusagen. Länger dauerte der Antrag auf eine Sendefrequenz. Die wollen zurzeit viele haben.

Platz für maximal 125 Autos

Normalerweise bringt das Team der Musiklandschaft Westfalen im Sommer klassische Musik an un­gewöhnliche Orte, in Schlosshöfe und Scheunen, aber auch schon mal in einen Baumarkt. Die Hoffnung für die letzten „echten“ Konzerte der Saison im November hat Klapsing noch nicht aufgegeben. Bis dahin hilft „Drive & live“, Löcher zu stopfen. Das Programm geht vorerst bis zum 18. Juli. Eine Fortsetzung ist nicht ausgeschlossen.

Nach gut einer Stunde gibt Dirk Klapsing ein Signal, dass Justus Frantz zum Ende kommen möge. Auf der Parkstraße reihen sich schon die Autos, die zum zweiten Konzert des Abends wollen. Voll ist es zum Auftakt noch nicht. Maximal 125 Fahrzeuge haben Platz.

Die Gäste der Weltpremiere verabschieden sich mit einem Hupkonzert von Justus Frantz und rollen an der LED-Wand vorbei, zurück auf die Straßen von Borken.


Musik in der „Carantäne“ von Bach bis Sting

Im Autokino in Borken gibt es bis ­Juli diese Musiker und Konzerte zu sehen und zu hören:

  • Freitag, 22. Mai: Kammerphilharmonie Westfalen spielt Mozart.
  • Samstag, 23. Mai: Kammerphilharmonie Westfalen spielt Mozart und Haydn.
  • Freitag, 29. Mai, und Samstag, 30. Mai: Klavierkonzert mit Joja Wendt.
  • Donnerstag, 4. Juni: Kammerphil­harmonie Westfalen spielt Mozart, Tschaikowski und andere.
  • Freitag, 5. Juni: Kammerphilhar­monie Westfalen spielt Schubert, Haydn, Penderecki und Grieg.
  • Samstag, 6. Juni: Konzert mit Liedern aus Oper und Operette von Mozart bis Lehár.
  • Donnerstag, 11. Juni: Die Höhner (Köln) spielen ihr Programm ­„Carantäne“.
  • Freitag, 12. Juni, und Samstag, 13. Juni: Philharmonix – sieben Musiker der Berliner und Wiener Philharmoniker spielen Stücke von Brahms bis Sting, von Strauss bis Queen.
  • Freitag, 19. Juni: Götz Alsmann und Band.
  • Samstag, 20. Juni: Christian Tetzlaff spielt Bachs Violinen-Solos.
  • Donnerstag, 25. Juni: Kammer­philharmonie St. Petersburg spielt Mozart, Elgar und andere.
  • Donnerstag, 2. Juli: Kaiserkeller –„the Beatles Tribute Band“.
  • Freitag und Samstag, 3. und 4. Juli: Martin Grubinger spielt „Freestyle“ – ein Abend mit Percussion.Freitag, 10. Juli: Kammerphilharmonie Westfalen – Classic meets Gipsy.
  • Freitag, 17. Juli: Kammerphilhar­monie Westfalen spielt Carl. Ph. E. Bach und Schostakowitsch.
  • Samstag, 18. Juli: Klavierkonzert mit Justus Frantz und Christoph Eschenbach.

Sämtliche Konzerte finden im Autokino am Aquarius-Schwimmbad in Borken an den angegebenen Tagen jeweils zweimal statt: um 19 Uhr und um 21 Uhr. Sie dauern jeweils gut eine Stunde. Karten kosten 59 € pro Pkw.
Im Pkw dürfen sich maximal zwei ­Erwachsene und im Haushalt lebende Kinder bis 14 Jahre befinden. Gäste sollten mit dem Wagen spätestens 30 Minuten vor Veranstaltungsbeginn vor Ort sein. Der Ton wird über das Autoradio (UKW-Frequenz 105,1 Mhz) übertragen. Karten sind erhältlich unter Tel. (0 28 61) 7 03 85 86 und über die Internetseite des Festivals: www.musiklandschaft-westfalen.de.