Staatsgebilde werden meist mit feierlichen Formeln oder hochwohlklingenden Erklärungen gegründet. Nicht so das Bundesland Nordrhein-Westfalen. Seine „Gründungsurkunde“ beginnt mit diesen Worten:
„Ohne die Möglichkeit, eine spätere Neugliederung auszuschließen, werden die Provinzen des Landes Preußen oder Teile davon in der Britischen Zone hiermit als solche aufgelöst und erhalten vorläufig die staatsrechtliche Stellung von Ländern.“
Mit dieser ebenso verschraubten wie sachlichen Formel vereinte die britische Militärregierung im August 1946 den Norden der alten Rheinprovinz mit Westfalen zum neuen Bundesland. 75 Jahre ist das nun her. Aus Anlass dieses Geburtstages wurde in Düsseldorf am Donnerstag vergangener Woche die Jubiläumsausstellung „Unser Land – 75 Jahre Nordrhein-Westfalen“ eröffnet.
Zu sehen ist die Schau im „Behrensbau“ am Rheinufer, wenige Fußminuten vom Landtag entfernt. Das wuchtige Gebäude selbst ist das größte Ausstellungsstück. Denn der Bau, vor 111 Jahren vom Architekten Peter Behrens für die Mannesmannröhren-Werke AG entworfen, war bis 1946 Sitz eben jener britischen Militärregierung, später dann Sitz der Staatskanzlei.
Und innendrin? Auf einem Rundgang durch acht großzügige Räume sind 300 Einzelobjekte zu sehen, die jeweils eine besondere Geschichte erzählen. Da ist etwa
- der Stoffteddy, den ein dreijähriges Mädchen bei der Flucht aus Dresden 1947 mitnimmt. Ihre Familie landet in Bad Driburg, später in Oberhausen – der Teddy immer mit dabei;
- eine ABC-Gasmaske aus dem im Kalten Krieg errichteten „Ausweichsitz der Landesregierung“ – einer streng geheimen Bunkeranlage im Eifeldorf Urft, die erst 1994 aufgegeben worden ist;
- das Moped, das 1964 dem millionsten „Gastarbeiter“, einem 38-jährigen Portugiesen, am Bahnhof in Köln-Deutz überreicht wird;
- Reste einer Mauer, die 1960 in einer ländlichen Grundschule in Ringenberg bei Hamminkeln katholische von evangelischen Schülerinnen und Schülern trennt;
- eine Schallplatte mit Liedern von „Bauer Maas“ alias Josef Maas, der in den 1970er-Jahren bei den Protesten gegen das geplante Kernkraftwerk in Kalkar bekannt wird;
- ein Rennanzug des Formel-I-Rennfahrers Kimi Räikkönen, hergestellt von der Firma Ibena aus Bocholt und Symbol für den Strukturwandel der Textilindustrie Westfalens.
Der Rundgang beginnt in einem Raum, der sich dem Elend der frühen Nachkriegszeit und der Entstehung von NRW widmet – und führt dann über 1200 m2 Ausstellungsfläche durch sieben Generalthemen der Landesgeschichte: Migration, Soziales, Strukturwandel, Umwelt, Sicherheit, Religionen sowie Kultur und Medien.
Im Raum zum „Strukturwandel“ findet sich die Landwirtschaft wieder, Seite an Seite mit Kohle und Textilindustrie. Ernteaufnahmen früherer Jahrzehnte sind auf einem Bildschirm zu sehen. Exponate wie ein Pferdekummet, ein Traktormotor der Marke Deutz oder ein Produktenkoffer der Firma Bayer mit Pflanzenschutzmitteln erzählen von der „stillen Revolution“, die auf dem Land in den zurückliegenden 75 Jahren stattgefunden hat.
Neben den Exponaten kommen Zeitzeugen per Video zu Wort. Zeitungen, Plakate, Pressefotografien und Tondokumente runden die Ausstellung ab. Unter dem Strich präsentiert sie keine „großen Männer, die Geschichte machen“. Erzählt wird vielmehr, wie Landtagspräsident André Kuper bei der Eröffnung betonte, „die Landesgeschichte und die Lebensgeschichten der Menschen in NRW.
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Neues Haus der Geschichte NRW
Die Ausstellung „Unser Land – 75 Jahre NRW“ ist Auftakt und Testlauf zugleich für das seit Langem diskutierte „Haus der Geschichte NRW“. Es soll 2028 im Behrensbau öffnen. Vor der Presse betonte Ministerpräsident Armin Laschet, dass das geplante Haus kein Ort für Regierungswerbung sein solle, sondern von einem überparteilichen Konsens im Landtag getragen sei. Laschet zeigte sich überzeugt, dass das Haus „das Landesbewusstsein für Generationen von Schülerinnen und Schülern prägen wird“.
Hier geht’s lang
Die Ausstellung „Unser Land – 75 Jahre Nordrhein-Westfalen“ ist bis zum 23. Mai kommenden Jahres zu sehen im neuen Haus der Geschichte NRW, Mannesmannufer 2 in Düsseldorf. Es ist dienstags bis freitags von 9 bis 18 Uhr sowie samstags, sonntags und feiertags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.
Weitere Informationen unter Tel. (02 11) 51 36 13 33.
www.unser-land.nrw