Blei gießen, Wunderkerzen entzünden, Raketen in die Luft jagen – nicht nur Kinder verwandeln sich über den Jahreswechsel in kleine Alchemisten. Doch was verbirgt sich hinter der Alchemie? Bis heute umweht sie etwas Geheimnisvolles, aber auch Unheimliches.
War sie eine Wissenschaft? Oder doch eher Hokuspokus? Eine Ausstellung im Weserrenaissance-Museum Schloss Brake in Lemgo gibt Einblicke zu diesem Vorläufer der modernen Naturwissenschaft.
Zwischen Wissenschaft und Betrug
Empfangen werden Gäste von einem Nachdruck des Splendor Solis, zu deutsch Sonnenglanz. Dieser mehrteilige Bildbogen aus dem 16. Jahrhundert zeigt die Vorstellungen der Alchemisten anhand zahlreicher Allegorien, Bildern und Symbolen. Im Mittelalter und der Frühen Neuzeit versuchten sie, Gold herzustellen und den Stein der Weisen zu finden. Dieser versprach das ewige Leben.
Zahlreiche historische Gemälde und Kupferstiche zeigen, wie unterschiedlich Zeitgenossen die Alchemisten wahrnahmen: Für die einen waren sie seriöse Gelehrte, die neue Stoffe und Verbindungen fanden.
Für die anderen waren sie Scharlatane, die versuchten, die Natur nachzuäffen und ihre Familien ins Armenhaus trieben. Dieses negative Bild zeigen vor allem Stiche niederländischer Künstler.
Für die Kirche war hingegen klar: Es sind Hexer, die mit okkulten Mächten paktieren. Schon in Dantes Inferno schmorten sie im achten Kreis der Hölle.
Das negative Bild des Alchemisten überdauerte und findet heute noch Widerhall im verrückten Wissenschaftler, der in Gedanken versunken und weltvergessen über seinen Experimenten brütet.
Porzellan und Phosphor
Die Realität sah meist anders aus: Bei ihrer Suche nach dem Stein der Weisen gelangen den Alchemisten bahnbrechende Entdeckungen. Henning Brand schaffte es erstmals, Phosphor zu isolieren.
Johann Böttger stellte das europäische Porzellan im Dienste des sächsischen Kurfürsten August der Starke her. So darf Meißner Porzellan in der Ausstellung nicht fehlen, ebenso Rubinglas, das sogar einen Hauch von Gold enthält.
Eine Legende hingegen ist der Franziskanermönch Berthold Schwarz, der angeblich im 14. Jahrhundert das Schwarzpulver erfand. In Wahrheit gelangte dieses Wissen über den Handelsweg von China nach Europa. Aber auch verschiedene Medikamente und wichtige Legierungen für den Buchdruck stammen aus den Alchemistenküchen.
Abgelöst wurde die Alchemie mit ihrer Vier-Elemente-Lehre aus Wasser, Luft, Erde und Feuer von Männern wie dem Franzosen Antoine de Lavoisier Ende des 18. Jahrhunderts. Er gilt als einer der Väter der modernen Chemie und erkannte die Rolle des Sauerstoffs bei der Verbrennung.
Labor in Lippe
Inmitten der Sonderausstellung steht ein nachgebautes Laboratorium. Es zeigt, wie die Alchemisten von einst gearbeitet haben. Es brodelte, zischte und dampfte bei den vielen, oftmals nicht ungefährlichen Experimenten.
Auch in Lippe und am Schloss Brake in Lemgo lebten und experimentierten Alchemisten. Einer ihrer Förderer war Graf Simon VI. (1554–1613). Als klassischer Renaissancemensch interessierte er sich für sämtliche Wissenschaften und hatte sogar eine Sternwarte im Turm des Schlosses. Er engagierte zwei Alchemisten und richtete ihnen ein gut ausgestattetes Laboratorium ein.
In einer Vitrine entdeckt der Besucher kleine goldene Partikel auf einem Gestein. Bekanntlich ist nicht alles Gold, was glänzt. Es ist Katzengold, wie das Mineral Pyrit im Volksmund heißt. Die Lipper Alchemisten versuchten daraus vergeblich echtes Gold zu gewinnen.
Wirkung bis heute
Auch wenn die moderne Chemie die Alchemie längst abgelöst hat, gibt es bis heute Verweise in Literatur und Film. Im ersten Band von Harry Potter „Der Stein der Weisen“ taucht der mittelalterliche Alchemist Nicolas Flamel auf. Er fand angeblich den wertvollen Klumpen und lebt immer noch.
Übrigens ist es der modernen Wissenschaft mittlerweile gelungen, ein unedles Metall in Gold zu verwandeln. 1980 wurde durch eine Atomkernumwandlung aus Bismut Gold. Hobby-Alchimisten sollten aber beim Bleigießen bleiben. Der Energieaufwand steht in keinem Verhältnis.
Für Groß und Klein
Die Ausstellung „Alchemie –Magie oder Naturwissenschaft?“ ist bis zum 29. Mai 2023 im
Weserrenaissance-Museum Schloss Brake, Schlossstraße 18 in Lemgo, zu sehen.
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr, an Feiertagen auch montags.
Eintritt: Die Sonderausstellung ist nur in Kombination mit der Dauerausstellung zur Weserrenaissance für 6 € pro Person zu sehen. Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren haben freien Eintritt.
Weitere Informationen: Tel. (0 52 61) 94 50-10.
Passend zur Ausstellung sind Konzerte, spannende Kindertheaterstücke und bebilderte Vorträge geplant. Für Kindergärten und Schulklassen gibt es spezielle museumspädagogische Angebote zum Mitmachen.
Digital lässt sich die Ausstellung über die Homepage erkunden. Ein virtueller Rundgang ermöglicht es, sich einen kostenfreien ersten Eindruck von der Ausstellung zu verschaffen.
museum-schloss-brake.de
Lesen Sie mehr: