Drei Skelette, zehn Wissenschaftler und ein ungelöster Fall: Liegt Widukind, der Sachsenherzog, in der Stiftskirche in Enger? Widukind, der sagenumwobene Widersacher Karl des Großen, könnte in der kleinen Stadt im Kreis Herford begraben liegen. Bislang fehlten wissenschaftliche Beweise. Forscher und Forscherinnen rätseln seit Langem über die Gebeine in der Stiftskirche. Zehn Forscher kamen in der vergangenen Woche im Widukind-Museum in Enger zusammen, um Spuren zu deuten und Forschungsergebnisse auszutauschen. Doch wer war überhaupt Widukind und warum beschäftigt er die Wissenschaft noch heute?
Wer war Widukind?
Widukind wurde um das Jahr 730 geboren und war ein Adeliger aus dem damaligen Sachsen, das heute zu Westfalen zählt. Er war, wie eingangs erwähnt, Anführer im Widerstand gegen Karl den Großen, der Sachsen erobern und zum christlichen Glauben bekehren wollte. Nach vielen geschlagenen Schlachten verlor Widukind im Jahr 785 schließlich gegen Karl den Großen, der ihn gefangen nahm. Im Tausch gegen seine Freiheit ließ sich der Sachsenkönig taufen. Im Anschluss daran verliert sich Widukinds Spur. Übrig geblieben sind das Bild eines sächsischen Helden, geheimnisvolle Sagen und einige Hinterlassenschaften, die mit ihm in Zusammenhang gebracht werden. Dazu zählen drei Skelette in der Stiftskirche.
Forscher als Ermittler
Viele der Geschichten laufen in der westfälischen Kleinstadt Enger bei Herford zusammen, die noch heute inoffiziell als Widukind-Stadt gilt. 50 m neben der mutmaßlichen Grabstätte stellten sich Forscher und Forscherinnen der Frage: Zu wem gehören die drei Skelette?
Das „Ermittler-Team“ bestand aus Archäologen, Anthropologen, Biologen und Physikern. Jede wissenschaftliche Disziplin ging einer anderen Frage nach, um dem Rätsel auf die Spur zu kommen. So erhielten die Physiker beispielsweise eine Probe der Gebeine und die Frage: Wann starben diese Menschen?
Untersuchungen an Skeletten
Eine Antwort sollte die sogenannte C-14-Datierung geben. Dabei werden die Kohlenstoff-Atome der Überreste untersucht. Je zerfallener die Atome sind, desto älter die Knochen. Heraus kam, was die Archäologen schon vermutet hatten: Alle drei Menschen starben im Zeitraum vom 7. bis 9. Jahrhundert, in einer Zeitspanne von 150 Jahren. Auch Biologen stürzten sich auf das Rätsel und versuchten, die Verwandtschaft der drei Menschen, Männer, wie eine DNA-Analyse ergeben hatte, zu klären. Die neueste Analyse zeigte, dass die drei sehr eng verwandt waren und Sohn, Vater und dessen Halbbrüder sein könnten.
Spurensuche in Enger
Einige Erkenntnisse werfen neue Fragen auf: Der spätestmögliche Todeszeitpunkt eines der Skelette ist das Jahr 775 – also zehn Jahre vor der Taufe Widukinds und der Christianisierung Westfalens. Wieso also ist der Mann in einer Kirche bestattet worden? Ist sein Grab nachträglich in die Kirche verlagert worden? Oder wurde die Kirche um sein oder gar um die Gräber aller drei Männer gebaut? Einige Forscher spekulierten in Enger auch über die Möglichkeit, dass das Christentum schon vor der Eroberung Karl des Großen in Westfalen angekommen sein könnte.
Das Räsel ist noch nicht gelöst
„Das Kapitel ist noch nicht abgeschlossen“, sagt Regine Krull, Leiterin des Museums und Initiatorin des Forschungstreffens. „Durch die neuen Ergebnisse und den Austausch konnten wir dem Rätsel ein Stück näher kommen. Trotzdem kann es sein, dass wir nie wissen werden, ob es tatsächlich Widukind ist, der in Enger begraben liegt.“ So lange der Fall ungelöst bleibt, wird die Geschichte des Sachsenkönigs wohl noch viele Forscherköpfe zum Rauchen bringen und immer wieder nach Enger führen – in die Widukind-Stadt in Westfalen.
Das Museum
Das Widukind-Museum bietet spannende Einblicke in die Geschichte des Sachsenhelden Widukind – inklusive der Legenden, die sich um ihn ranken.
Geöffnet ist das Museum dienstags bis samstags von 15 bis 18 Uhr und sonn- und feiertags von 11 bis 18 Uhr.
Besucher finden es am Kirchplatz 10 in 32130 Enger, direkt neben der Stiftskirche.
Lesen Sie mehr: