Während andere vor dem Fernseher abschalten, macht Jan Niklas Reitmeyer sich auf den Weg zur Weide. Bei seinen Dexter-Rindern findet der Hobbyzüchter aus Minden Entspannung. Sie zählen mit etwa 95 bis 115 cm Widerristhöhe zu den kleinsten Rindern in Europa.
Zahm und zutraulich
„Dexter sind ruhig, lieb und sehr umgänglich. Sie haben keine großen Ansprüche“, beschreibt Reitmeyer den Charakter seiner Tiere. Vor dreieinhalb Jahren entschied er sich für diese Rasse. Der Verfahrensmechaniker für Kunststoff hat keinen landwirtschaftlichen Hintergrund und lebt mit seiner Familie in einer Siedlung im Mindener Ortsteil Stemmer. Vor 15 Jahren kauften seine Eltern eine Hofstelle im Außenbereich für die Pferdehaltung. Rund 20 ha Grünland gehören dazu, davon 5 ha Weide.
Jan Niklas, der sich für Landwirtschaft interessiert, sah die Chance, hier Rinder zu halten. „Ich wollte aber keine 800 kg schweren Tiere“, schränkt er ein. So stieß er auf die Dexter. „Sie sind mit ihren oft nur 300 bis 350 kg noch gut händelbar“, weiß der 28-Jährige heute. Bereits vor dem Kauf der ersten Tiere trat er in den Bundesrasseverband der Dexterhalter und -züchter ein. Von einem Züchter in der Nähe bekam er 2020 die ersten drei Dexter-Kühe. Heute ist seine Herde auf 13 Tiere gewachsen: vier Bullen, sieben Kühe und zwei wenige Wochen alte Kälber.
Zuchtziel in greifbarer Nähe
Reitmeyer züchtet die Tiere und vermarktet ihr Fleisch in seinem Umfeld. „Das Fleisch ist feinfaserig, sehr zart und ähnelt im Aussehen Wildfleisch“, beschreibt er. Stolz ist er auf seine erste hornlos gezüchtete Kuh. Denn Hornlosigkeit ist sein Zuchtziel. Das mache den Umgang noch risikoärmer.
Der Hobbyhalter züchtet nach englischem Herdbuch (siehe Kasten „Dexter: Kurz- oder langbeinig“). Zu seiner Herde gehören Tiere vom lang- und kurzbeinigen Typ. Letztere gefallen ihm besonders. All seine Rinder sind Herdbuchtiere mit Abstammungsnachweis, die über den Bundesrasseverband in England registriert werden.
Routine
Wichtig ist dem Hobbyhalter der tägliche Kontakt zu den Tieren, die nach Kühen, Bullen und Färsen getrennt auf verschiedenen Weiden stehen. „Jeden Morgen drehe ich vor der Arbeit eine kurze Kontrollrunde zu den Weiden“, erzählt er. Am Nachmittag wiederholt er das. Dann nimmt er sich mehr Zeit.
Intensiver Kontakt
Die Tiere sind genügsam. Gras und Heu reichen ihnen als Nahrung. Bei Bedarf bekommen die Kühe nach dem Kalben Rübenschnitzel. Im Winter hält Reitmeyer die Tiere im Stall. So hat er keinen Stress mit eingefrorenen Wassertränken und das Grünland kann sich erholen.
Über das Jahr verteilt fallen Arbeiten wie zwei Grasschnitte, das Reparieren der Zäune oder Schleppen, Düngen und Mulchen der Weiden an. All das erledigt Reitmeyer selbst und wird von Familie und Freunden unterstützt. Sorge macht ihm, dass 10 km von seinem Hof ein Wolf gesichtet wurde. Kommt das Raubtier näher, muss der Hobbyzüchter an sieben Weiden die Zäune aufrüsten.
„Ein Dexter-Rind ist nicht einfach nur ein Rasenmäher. Die Haltung braucht Expertise“, macht der 28-Jährige deutlich. Er steht ständig im Kontakt mit Haltern, Freunden aus der Landwirtschaft und Bundesrasseverband: Stellt er dort in der Whatsapp-Gruppe eine Frage, bekommt er in wenigen Minuten Antworten von erfahrenen Züchtern. „Schließlich bin ich noch Anfänger.“ #
Regelmäßig schaut der Tierarzt, ob alles in Ordnung ist, erledigt bei Bedarf die Klauenpflege, nimmt Blutproben und enthornt die Kälber. Für die Tiere hat der Dexter-Fan zwischen 800 und 2000 € gezahlt, verrät er. „Unsere Futterkosten sind durch das eigene Heu gering. Für mich ist es circa ein Plus-Minus-Null-Geschäft. Es ist ein Hobby, ein Ausgleich – das soll es auch bleiben.“ So stehe am Wochenende oft „Kühekuscheln“ an, erzählt er schmunzelnd.
Dexter: Kurz- oder langbeinig
Dexter-Rinder kamen aus Irland über England ab 1970 nach Deutschland. Sie sind einfarbig schwarz, rot oder grau-braun (dun-farben). Unterschieden wird die Rasse in größere, langbeinige und kleinere, kurzbeinige Tiere. Die extreme Kurzbeinigkeit beruht auf einem Gendefekt, der eine Störung des Knorpelwachstums bewirt. Dies wird Chondrodysplasie genannt.
Problematisch: Tragen beide Elterntiere den Gendefekt, können mit einer Wahrscheinlichkeit von 25 % missgebildete, nicht lebensfähige Bulldogkälber auftreten. Sie haben einen Bulldog-ähnlich verformten Kopf, häufig einen offenen Leib und stummelförmige Gliedmaßen.
Seit etwa 20 Jahren ist per Gentest nachweisbar, ob ein Tier den Gendefekt in sich trägt. Durch die Wahl der Elterntiere lässt sich ein Bulldogkalb ausschließen. Werden nur langbeinige Tiere, also solche ohne Gendefekt, verpaart oder ein lang- und ein kurzbeiniges Tier, von denen so maximal eins den Gendefekt in sich trägt, besteht die Gefahr nicht.
Hierzulande gibt es zwei Rasseverbände mit folgender Ausrichtung:
Bundesrasseverband Deutscher Dexterzüchter und -halter e. V. (BDDZ): Die Mitglieder orientieren sich am englischen Herdbuch und züchten den ursprünglichen, original englischen Typ mit kurz- und langbeinigen Tieren, wie er in England gezüchtet wird. Sie verpflichten sich, bei den Zuchtbullen testen zu lassen, ob diese den Gendefekt in sich tragen. Gegebenenfalls wird auch der Status der Kuh ermittelt.
Dexter Verband Deutschland e. V. (DVD): Die Mitglieder züchten nach deutschem Herdbuch. Zur Zucht werden nur Tiere verwendet, die frei von dem Gendefekt sind, um die weitere Verbreitung von Tieren mit Gendefekt zu verhindern.
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