Etwas nervös warte ich an der Klärstation auf Florian Frensing und seinen großen grünen Unimog, der den schweren Pumpanhänger zieht. Kennengelernt habe ich Florian, als er meine Klärgrube zu Hause geleert hat. Für mich war es damals ungewohnt, dass jemand kommt und meinen Toiletteninhalt und alles, was ich sonst so mit dem Abwasser entsorge, abholt. Nun würde ich selbst mitfahren und Fäkalien einsammeln – und zwar von fremden Menschen.
Drinnen riecht es anders
Als Florian ankommt, heißt es zunächst: Abladen! Denn er hat schon seine erste Runde hinter sich. Er öffnet das Tor zur Klärstation und manövriert sein Gespann um die Ecken zu einem Gebäude, an dem ein dicker Schlauch befestigt ist. Florian springt vom Sitz, geht hinten zum Anhänger und befestigt dort den Schlauch der Klärstation. Schon läuft der Inhalt aus dem Tank. Ab und an klötert es im Schlauch. „Das ist Kies, der sich an den Betonwänden der Gruben bildet, und kleinere Fremdkörper“, erklärt mir Florian und führt mich ins Innere des Gebäudes.
Dort ragt ein riesiges stahlgraues Ding aus einem tiefen Becken. „Das ist der Rechen, der groben Unrat aus dem Wasser harkt“, erklärt er. Danach wird das Wasser gereinigt. Ein bisschen gewöhnungsbedürftig ist der Geruch hier schon. Aber weit entfernt von dem, was ich erwartet hatte. Wir gehen zurück an die frische Luft. Mittlerweile ist der Anhänger leer. Wir starten unsere Tour in die Bauerschaft.
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Betrieb fortführen
Florian leert Kleinkläranlagen und Sammelgruben im Auftrag der Städte und Gemeinden im Altkreis Halle und der Stadt Warendorf. Rund 130.000 dezentrale Kleinkläranlagen gibt es allein in Nordrhein-Westfalen. Anders ausgedrückt: Gut eine halbe Million Menschen hierzulande sind nicht an das Abwassersystem angeschlossen.
Unterwegs erklärt Florian mir, dass er sich regelmäßig auf öffentliche Ausschreibungen bewerben muss, um mit dem Pumpwagen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Behörden nennen ihm die Haushalte, deren Abwasser er abholen und der Entsorgung zuführen muss.
Vor etwa zwei Jahren hat der 37-Jährige den Betrieb von seinem Vater übernommen. Dabei hat er eigentlich Elektriker gelernt und danach Maschinenbau studiert. „Aber ich wollte lieber unseren Familienbetrieb fortführen“, erzählt er.
Bewegter Belebtschlamm
Wir erreichen den ersten Hof. Florian rangiert den Anhänger rückwärts in die Hofeinfahrt und springt vom Bock. „Hier haben wir eine SBR-Anlage“, sagt er. Während er die Grube leert, erklärt er mir in groben Zügen, wie diese Kleinkläranlage funktioniert.
„Sequenzielle biologische Reinigung“ (SBR) bedeutet, dass das Abwasser zur Vorklärung in eine erste Kammer gelangt. Dort bleiben die festen Bestandteile zurück, während der Rest in eine zweite Kammer fließt. Eine Pumpe sorgt für einen steten Wechsel zwischen kurzen Belüftungs- und Ruhephasen. Es entsteht der sogenannte Belebtschlamm mit seinen Millionen an Mikroorganismen, der das Wasser reinigt. In der Ruhephase setzt sich der Schlamm unten ab. Oben bleibt das gereinigte Klärwasser zurück, das in einen Vorfluter oder eine Versickerungsanlage eingeleitet wird. Solch technische Anlagen benötigen Strom für die Umwälzpumpe. „Sie sind in der Anschaffung zwar meist günstiger, verursachen aber etwa 10 € Stromkosten monatlich“, sagt Florian.
Organismen „fressen“
Pflanzenkläranlagen kommen ohne diese aufwendigen technischen Komponenten aus. Sie arbeiten oft auch mit mehreren Kammern, in denen sich die Sedimente unten ablagern und das klarere Wasser in die jeweils nächste Kammer gelangt – eben nur ohne die Pumpe, die den Wechsel zwischen Ruhe und Belüftung beschleunigt. Für die weitere Klärung kommen, wie der Name schon sagt, Pflanzen zum Einsatz. Charakteristisch für Anlagen dieser Bauart sind ein Teich oder Beet aus Kies und Sand, in dem Sumpfpflanzen wachsen. Im Boden und an den Wurzeln der Pflanzen sind Mikroorganismen beheimatet. Sie „fressen“ organische und anorganische Stoffe und reinigen so das Abwasser.
Kurzerhand erklärt Florian den Schnelldurchlauf zur Funktionsweise der verschiedenen Kleinkläranlagen für beendet.
Knien und gucken
Um die Grube komplett zu leeren, muss er das stabile Saugrohr immer wieder nachjustieren. Er kniet vor dem Loch. Ich hocke mich daneben. Auch hier ist der Geruch bei Weitem nicht so intensiv wie befürchtet.
Als die Grube leer ist, zieht Florian das Rohr aus der Grube, spült es mit frischem Wasser ab und befestigt es wieder an der Seite des Anhängers. Noch kurz den Zettel zur Dokumentation für den Eigentümer und die eigenen Unterlagen ausfüllen und schon geht es weiter zur nächsten Adresse.
Die Konsistenz variiert
Unser Anhänger ist nun halb voll. Heißt konkret: Wir können noch 7 t zuladen, eh wir zurück zur Kläranlage müssen. „Dann fahren wir jetzt zur Pferdeklinik, das müsste passen“, beschließt Florian die weitere Route. Alle Kleinkläranlagen sind unterschiedlich groß. Die Kommunen legen das Volumen individuell fest. „Grob gepeilt fordern sie zwischen 0,5 und 1,25 m3 je Person“, erklärt Florian. Reine Sammelgruben ohne Klärung müssen größer dimensioniert sein. „Das Absaugen muss aber bei allen Kammern erfolgen“, sagt er. Der einzige Unterschied: die Konsistenz des Abwassers. „Je weniger Klärung vor Ort erfolgt, desto flüssiger – das erleichtert mir das Absaugen“, erklärt der zweifache Familienvater.
An der Pferdeklinik angekommen, öffnet Florian ein Tor und setzt das rund 14 m lange Gespann erneut passgenau rückwärts in die schmale Durchfahrt. „Das Abwasser hier ist sehr dünnflüssig“, erzählt er, „das liegt daran, dass das Reinigungswasser der Operationsräume komplett in die Grube läuft.“
Gruben selbst leeren
Landwirte, die mindestens 1 ha Land selbst bewirtschaften, dürfen ihr Abwasser selbst absaugen und auf ihre Felder ausbringen. „Werden Betriebe aufgegeben oder die letzten Flächen verpachtet, dann komme ich ins Spiel“, sagt Florian Frensing, „für Inhaber mit einer Sammelgrube ohne Kläranlage kann das schon mal einen dreistelligen Betrag im Monat für die Entsorgung bedeuten.“
Hier geht nichts daneben
Zehn Minuten später ist die Sammelgrube leer und der Tankwagen voll. Wir fahren los in Richtung Klärstation. Dort angekommen beginnt das mir bereits bekannte Spiel des Abladens von vorn. Als Florian den Schlauch am Ablasshahn befestigt, frage ich ihn, ob es ihm schon mal passiert ist, dass er die Muffen nicht richtig aufeinandergesetzt hat und seine Ladung durch die Gegend gespritzt ist. Florian überlegt kurz. Dann sagt er: „Nee, so richtig nicht“ und schiebt achselzuckend hinterher: „Und selbst wenn.“ Mir läuft es kalt den Rücken runter. Ein Tag „Praktikum“ bei der Abwasser- und Fäkalienentsorgung hat wohl nicht gereicht, um so vertraut mit der Materie zu werden, wie Florian es ist.
Anonymer Stuhlgang
„Aber weißt du, welchen Job ich nicht machen könnte?“, erkundigt sich Florian. Ich blicke ihn fragend an. „Ich könnte nie Krankenpfleger sein und Menschen den Hintern abwischen – hier ist es irgendwie anonymer.“
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