Kommunalwahl NRW

Junge Kandidaten für den Rat

Sie sind jung und wollen am 13. September gewählt werden. Vier Kandidaten für die Kommunalwahl erzählen, warum sie sich politisch engagieren und in die Bürgervertretung wollen.

Am Sonntag dürfen alle Bürger ab 16 Jahren in NRW wählen. Mit ihrem Votum bestimmen sie die Zusammensetzung der Räte und Kreistage zwischen Borken und Höxter. Dass ein Platz im Rat nicht nur etwas für ältere ist, beweisen wir junge Köpfe aus Westfalen.

Geschwister kandidieren für unterschiedliche Parteien

Auf dem Hof Hegemann in Herbern im Kreis Coesfeld steht die Politik gerade im Mittelpunkt. Denn die Geschwister Silke, 22, und Frank, 24, wollen beide in den Gemeinderat von Ascheberg. Doch sie treten für unterschiedliche Parteien an. Frank kandidiert für die CDU und seine Schwester für die FDP. „Unser Verhältnis ist trotzdem gut“, sagt ­Silke, die mit 22 Jahren die jüngste Kandidatin in Ascheberg ist. Die ­kaufmännische Angestellte studiert berufsbegleitend in Dortmund BWL.

„Politisch sind wir uns aber nicht immer einig“, sagt ihr Bruder. Der Agrarbetriebswirt führt gemeinsam mit seinem ­Vater den Milchviehbetrieb samt Bullen- und Schweinemast und dazugehörigem Ackerbau. „Die Positionen der beiden Parteien liegen oft ­nahe beieinander. Nach einer ­Meinungsverschiedenheit finden wir meist schnell einen gemeinsamen Nenner“, sagt die Landwirtstochter.

Politisiert hat beide das Thema Wohnraum in Ascheberg. Sie wollen sich dafür einsetzen, dass Alleinstehende und junge Familien weiterhin bezahlbare Bauplätze und Wohnungen in der Gemeinde finden. „Wer auf Dauer vor Ort wohnen möchte, kann sich auch engagieren“, nennt ­Silke ihr Motiv. Die Kommunal­politik sei ein Weg, damit die Gemeinde auch in Zukunft lebenswert bleibt. Dafür nimmt sie sich neben Studium und Arbeit gerne Zeit.

Politisch interessiert war sie gefühlt schon immer. Seit dem ­vergangenen Jahr ist sie Mitglied der FDP. „Die Schnittmenge ­passte einfach“, sagt sie. Unab­hängig von der Partei fehlen ihr junge weibliche Stimmen im Rat der 15  000-­Einwohner-Gemeinde. „Dort sitzen überwiegend ältere Männer“, meint sie. Das könnte sich mit ihr ändern.

Ihr Bruder sieht sich als junge Stimme der Landwirtschaft im Rat. Denn der letzte Landwirt in der Gemeindevertretung, einer seiner ehemaligen Lehrherren, tritt nicht mehr an. „Das An-den-Pranger-stellen der Bauern muss ein Ende haben“, meint er. Dabei will er vor Ort den Dialog mit anderen Parteien, den Bürgern und Verbänden suchen.

Ihm ist ein ganzheitlicher Blick auf Ascheberg wichtig. Darum engagiert er sich auch lieber lokal­politisch als bei rein landwirtschaftlichen Organisationen. Frank hat auf dem Hof gelernt, Verantwortung zu übernehmen. Das möchte er als Ratsmitglied auch für seine Heimatkommune. Im vergangenen Jahr hat er sich entschieden zu kandidieren. Selbst ist er schon seit 2013 Mitglied der Jungen Union. „Auch wenn mal Fehler gemacht wurden, die Linie der Partei vor Ort stimmt“, sagt er.

Seine Kandidatur nimmt Zeit in Anspruch. Hat er einen Wahlkampftermin, melkt sein Vater für ihn. Samstags stehen Frank und ­seine Parteifreunde vor dem Supermarkt und stellen sich vor. Sie gehen auch von Haustür zu Haustür. Corona-bedingt fallen sämtliche größeren Veranstaltungen wie Schützenfeste, Reitturniere oder Fußballspiele aus. „Da hätte man mit den Wählern gut ins Gespräch kommen können“, meint er.

Partei statt Protest

Die Grünen haben Leo Lütke Dörhoff aufgestellt. (Bildquelle: privat)

Gerade mal 19 Jahre ist Leo Lütke-­Dörhoff aus Oelde. Während viele Altersgenossen im Rahmen der „Fridays for Future“-Bewegung im vergangenen Jahr auf die Straße gingen, hat der angehende Versicherungs­kaufmann einen anderen Weg eingeschlagen: Er ist den Grünen beigetreten und möchte für sie in den Stadtrat einziehen.

Der junge Mann möchte mehr als nur seine Meinung äußern und ­lieber selbst gestalten. „Fridays for future ist eher was für die Großstädte“, sagt Leo, der vom Stadtrand kommt und dessen Onkel den großelterlichen Hof weiterführt. „Im Rat gibt es kaum jemanden unter 30 Jahren. Es fehlt oft der Mut zu neuen Projekten“, meint er. Leo setzt sich zum Beispiel vor Ort für mehr Photovoltaik auf öffentlichen Dächern und den Umbau des Marktplatzes ein.

Der Auszubildende kann verstehen, dass manche in seinem Alter Parteien für verstaubt und die Kommunalpolitik für verschlafen halten. Auf ihn wirkt die Landes- und Bundespolitik auch unterhaltsamer. „In der Kommunal­politik kann man aber am meisten bewegen und mitgestalten“, sagt er. Der Nachwuchspo­li­tiker baut gerade ­eine Grüne Jugend in Oelde auf.

Den Wahlkampf führt er verstärkt über die sozialen Medien wie Insta­gram und Facebook. Dort postet er regelmäßig Forderungen und Slogans. Mit seinen Parteikollegen steht er aber auch auf dem Wochenmarkt und lädt zu Veranstaltungen ein. Ob sich das bundesweite Umfragehoch für die Grünen auch in Oelde widerspiegelt und er mit seinem Listenplatz acht in den Rat einzieht, ist offen. Seine Motivation für die Lokal­politik kann es aber nicht bremsen.

Schon zwei Jahre im Rat

Lars Dünneback möchte für die SPD punkten. (Bildquelle: privat)

Lars Dünnebacke weiß, was es heißt, Ratsmitglied zu sein. Denn der 27-Jährige ist 2017 in die Bürgervertretung der Stadt Sundern nachgerückt. Alle sechs Wochen ist eine Ratssitzung. Vorher kommt die Fraktion zusammen. Hinzukommen Ausschusssitzungen.

Im Rat sind nur zwei von 40 Mitgliedern jünger als 30 Jahre. „Ich sehe mich als Stimme der jungen Bürger im Rat. Manchmal fühle ich mich aber nicht ernst genommen“, sagt das Dorfkind aus Stockum. „Doch nirgendwo sonst haben die Entscheidungen eine so unmittelbare Wirkung auf Familie und Freunde wie im Stadtrat“, sagt er. Sie betreffen die Schulen, die Kindergärten und die Baugebiete einer Kommune. Das motiviert ihn, sich in der Lokalpolitik zu engagieren.

Mittlerweile ist der ehemalige Schützenkönig auch Stadtverbandsvorsitzender der SPD. Das erhöht das ehrenamtliche Arbeitspensum des Marketingleiters einer Bäckerei, gerade jetzt im Wahlkampf. Jeden zweiten Abend hat er Termine.

Gemeinsam mit seinen Genossen hängt er Plakate auf, verteilt Flyer und organisiert kleinere Veranstaltungen, alles unter Einhaltung der Corona-Schutzmaßnahmen. „Im Gegensatz zu einem reinen Onlinewahlkampf erreichen wir so auch die älteren Mitbürger“, sagt er.

Zurzeit fehlt im Ortsverein der Nachwuchs. „Parteipolitik ist aus der Mode gekommen“, sagt er. „Dabei muss man als Kommunalpolitiker nicht die Gemeindeordnung auswendig lernen.“ Wichtig ist ein offenes Ohr für die Probleme der Bürger. Dabei sollte das Wohl der Kommune im Vordergrund stehen. „Das Parteibuch kommt erst an zweiter Stelle“, meint das Ratsmitglied.