Projekt am Niederrhein

Hausboote vermieten statt Kühe melken

Volker und Dorothee Dingebauer aus Wesel vermieten Hausboote auf dem Diersfordter Waldsee. Den Kuhstall haben sie verpachtet und sich die Nutzungsrechte am Baggersee vor der Haustür gesichert.

"Glück gehabt“, erzählt mir ein Urlauber, den ich zufällig an der kleinen Rezeption treffe. Er hat spontan einen kurzfristig frei gewordenen Zeit-Slot für drei Tage auf dem Hausboot Niederrhein gebucht und ist zu Gast bei Familie Dingebauer in Wesel. „Die Nachfrage nach einem Kurzurlaub auf einem unserer acht Hausboote ist so groß, dass die Wartezeit ­aktuell etwa bei einem Jahr liegt“, berichtet Volker Dingebauer.

Die schwimmenden Urlaubsdomizile sind jeweils 50 m² groß und haben zusätzlich 60 m² Terrasse. (Bildquelle: Pia Buchmann)

Seit 2019 hat der 63-jährige Landwirt seinen Kuhstall verpachtet und konzentriert sich gemeinsam mit Ehefrau Dorothee (56) auf die Vermietung ihrer Hausboote auf dem Diersfordter Waldsee. Auslöser für die Betriebsumstrukturierung war die Milchkrise.

Dorothee und Volker Dingebauer haben ihren Betrieb neu aufgestellt. Die Kinder (von links) Hendrik (22), Sören (25) und Nele (20) mit ihrem Freund Erwin (24) unterstützen ihre Eltern schon jetzt bei der Arbeit. (Bildquelle: privat)

Der Diersfordter Waldsee grenzt unmittelbar an den Hof und ist ein klassischer Baggersee. „Schätzungsweise wird hier noch fünf bis sieben Jahre Kies abgebaut“, mutmaßt der Landwirt. Die Tier- und Pflanzenwelt ist schon heute vielfältig.

Zehn Jahre Planung

Das Ehepaar sicherte sich rechtzeitig die Nutzungsrechte am See. Schritt für Schritt entwickelten die Dingebauers die Idee für den neuen Betriebszweig. Von der ersten Antragsstellung bis zur Realisierung vergingen zehn Jahre. Die Zeit nutzten die zwei, um an ihrem Konzept zu feilen.

Inspirationen hierfür holten sie sich bei Hausbootanbietern in ­Berlin, Holland und auf der Messe Boot in Düsseldorf. Qualitäts­merkmal der schwimmenden, gut isolierten Ferienhäuser ist die massive Holzkonstruktion, umgesetzt durch den tschechischen Tiny-­House-Anbieter Freedomky. Die Boote liegen rund 8 m vom Ufer entfernt, sind mit einem Holzsteg verbunden und schwimmen auf Stahlpontons.

Die Innenausstattung ist durchdacht und schlicht. An den Fenstern gibt es Fliegengitter. Einziges No-Go sind Haustiere. (Bildquelle: Pia Buchmann)

„Vorab mussten wir eine Wasserwanne von rund 90 cm Höhe ausheben, um zu verhindern, dass die 36 t schweren Boote bei Niedrigwasser auf Grund laufen“, erklärt Volker Dingebauer. Die Boote können sich lediglich hoch und runter bewegen. Eine Kreuzverspannung mittels Drahtseilen verhindert ­eine Seitwärtsbewegung bei Wind und Sturm.

Trockenen Fußes an Bord

Eine große Herausforderung war die Stegkonstruktion. Pro Hausboot ließ Dingebauer je drei Rohrdalben aus Stahl mehrere Meter in den Boden rammen. Der damit verbundene Holzsteg ist so gebaut, dass die Gäste auch bei Hoch­wasser trockenen Fußes an Bord kommen. Alles in allem inves­tierte das Ehepaar pro Boot 370  000 €. Dazu kommen weitere Kosten. ­Allein 30  000 € steckte die Familie in ein Buchungsportal. ­Eine Übernachtung für zwei Personen in der Nebensaison kostet heute 190 €.

Über die Verankerung der Boote und Stege hat sich die Familie viele Gedanken gemacht. (Bildquelle: Pia Buchmann)

Mit Sauna und WLAN

Die hochwertige Ausstattung mit Fußbodenheizung, Spülmaschine, Fernseher und WLAN, Kaminofen inklusive Holzbriketts, Sauna und Tretboot gefällt den Gästen. Der enge Kontakt zu ihnen macht sich bezahlt. „Hören Sie zu, was Ihre Gäste wünschen, das sorgt für gute Bewertungen“, rät Dorothee Dingebauer.

Der Mindestaufenthalt beträgt inzwischen drei Tage, um die Kosten in Schach zu halten. Denn pro Monat fällt etwa eine Tonne Wäsche an. Die Reinigungskosten hierfür belaufen sich auf rund 1440 €. Das Zweier-Reinigungsteam benötigt pro Hausboot jeweils 1,5 Stunden für die Grundreinigung. Nötige Repara­turen schreiben sie in die Betriebs-Whatsapp-Gruppe und Volker Dingebauer kümmert sich selbst darum, dass alles wieder ins Lot kommt. Der Spaß an den Hausbooten ist groß, Ende dieses Jahres sollen zwei weitere am Hof ankern.

Gastgeber gesucht

Unsere Schwester-Zeitschrift „Hof Direkt“ sucht Gastgeber mit Ideen. Das können spannende Übernachtungsmöglichkeiten sein, ein Er­lebnishof, der Klein und Groß zu ­einem Tagesausflug einlädt, oder eine ausgefallene Gastronomie. Vielleicht machen Freundlichkeit, Barrierefreiheit oder ein Händchen für außergewöhnliches Ambiente Ihr Angebot aus? Dann schicken Sie bis zum 1. Juni 2023 Ihr Konzept in Wort und Bild per E-Mail an redaktion@hofdirekt.com. Unter allen Teilnehmenden werden drei Übernachtungen für zwei Personen vom 6. bis zum 9. November 2023 auf einem der Hausboote in Wesel verlost.

Lesen Sie mehr:

Westfalen-Lippe hat jede Menge Se(h)enswürdigkeiten zu bieten. Erholung ist garantiert, sei es beim Spaziergang, auf dem Spielplatz oder bei einer Bootstour.

Umbau mit durchdachtem Konzept

Altes Heuerlingshaus, neue Ferienwohnungen

von Andrea Hertleif

Die Sanierung eines alten Hauses ist teuer. Der Wunsch nach mehr Wirtschaftlichkeit brachte Familie Ruwisch aus Versmold dazu, Ferienwohnungen einzurichten.


Mehr zu dem Thema