Dieses Handwerk muss etwas haben. Bester Laune sitzt Christa Urban an ihrem Arbeitsplatz in der großen Halle. Vor ihr auf dem Tisch liegt ein weißer Blendschutz mit gut und gerne 1,50 m Durchmesser, hinter ihr im Regal stehen Dutzende Bordüren-Rollen. Mit geübten Griffen und flinken Fingern klebt die 75-Jährige einen hellen, transparenten Stoff am großen Drahtring fest. „Auch nach 56 Jahren macht es mir immer noch Spaß“, sagt die Seniorchefin der Lampenmanufaktur Urban. Meistens ist sie schon morgens ab 7 Uhr dabei, wenn die Arbeit in dem Betrieb in Müschede beginnt. Von ihrem Wohnhaus aus sind es nur wenige Schritte.
15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter produzieren und reparieren Lampenschirme in allen erdenklichen Formen und Größen. Manchmal sind es Tausende kleine Schirme, die auf einem Kreuzfahrtschiff für Atmosphäre sorgen sollen, mal riesige Modelle für eine Hotellobby, mal Erbstücke, die erhalten werden sollen.
Leuchten in jedem Keller
Der Betrieb der Familie Urban gehört zu den jüngeren in der langen Geschichte der Leuchten-Fabrikation in Neheim, heute ein Stadtteil von Arnsberg. „In jedem Keller wurden Leuchten gemacht“, erinnert sich Christa Urban. Inzwischen ist der Familienbetrieb einer der wenigen, der noch in erster Linie auf Handarbeit setzt. Am Ruder sind heute Christa Urbans Tochter Silvia Siegerink und ihr Mann Ralf. Sie ist gelernte Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte, er eigentlich Heizungsbautechniker. Aber irgendwann lockte dann doch das Familienunternehmen – und für die Herstellung von Lampenschirmen gibt es eh keinen eigenen Ausbildungsberuf.
Silvia Siegerink, heute 53 Jahre alt, ist in das Unternehmen hineingewachsen. „Unsere drei Kinder haben alle schon im Laufstall in der Werkstatt gespielt“, erinnert sich ihre Mutter. Viele Jahrzehnte führte sie das Unternehmen mit ihrem, inzwischen verstorbenen, Mann Jochen. Gegründet hatte es 1956 dessen Vater Ernst Urban.
Werkstatt in der Kirche
Auf der Internetseite des Unternehmens ist ein Selbstporträt des Gründers zu sehen, eine Kohlezeichnung. Ernst Urban war zwar ausgebildeter Förster, aber eher Künstler als Beamter. Nach der Vertreibung aus Schlesien wurde die Familie im Sauerland ansässig. Ernst Urban arbeitete in einer Leuchtenfirma. Für den Sprung in die Selbstständigkeit nutzte er die alte Kirche von Müschede. „Im Altarraum richtete er sich 1956 die Werkstatt ein“, berichtet Christa Urban. „Sie sind mit Handkarren los und haben Schirme verkauft.“
Schon bald ließ sich Ernst Urban eine ausgeklügelte Halterung für eine Wandleuchte patentieren. Für große Firmen produzierte er im Auftrag Lampenschirme, die meisten mit einem Durchmesser von 18 bis 20 cm. Das war das gängige Maß für kleine Stehlampen für Tisch oder Fensterbank. „Größere wurden nicht verlangt“, erinnert sich Christa Urban.
4 m Durchmesser
Das ist heute vollkommen anders. Wer sich einen Lampenschirm unter die Decke hängt, will einen Akzent setzen. „Der größte Lampenschirm, den wir gemacht haben, war 4 m hoch, hatte einen Durchmesser von 3,50 m und hängt heute in der Lobby eines Hotels in Leipzig“, berichtet Ralf Siegerink. Transportieren ließ sich dieses Stück nur in Einzelteilen.
Die meisten Schirme verlassen Müschede im Ganzen. In zwei Hallen fügen Familie und Mitarbeiterinnen die Schirme zusammen. Die „Metallhalle“ ist das Reich von Thomas Urban.
Der Bruder der heutigen Chefin verschweißt die Gestelle aus 3 bis 5 mm dickem verkupferten Eisendraht. Das klingt einfacher als es ist. Damit sich die Gestelle beim Bespannen nicht verziehen, müssen sie sehr sorgfältig gebogen und verschweißt werden.
Letzte Stationen in der Halle sind die Pulverbeschichtung – möglich sind die Farben Schwarz, Weiß, Gold und Silber – und der Einbrennofen. Bei 220 °C wird die Beschichtung fixiert.
Empfehlung Baumwolle
In der Halle nebenan beginnt die Arbeit mit dem Zuschneiden der Stoffe, früher von Hand, heute mit zwei Schneidemaschinen. „Die Stoffe sollten aus Baumwollgewebe sein“, sagt Silvia Siegerink. „Synthetik klebt nicht“, ergänzt ihre Mutter. Die Stoffe – oft in Chintz- oder Leinenoptik – sind meist vorkaschiert, das heißt von einer Seite mit einer Folie beschichtet, die den Schirmen Stabilität verleiht.
Jetzt beginnt die Fleißarbeit an den großen Arbeitstischen. Von Hand ummanteln die Mitarbeiterinnen die Ränder der Gestelle mit einem Papierband und ziehen die Stoffe auf. Gerade arbeiten sie an Leuchten mit Blattgoldmuster, die ein Altenheim bestellt hat. Bei manchen Modellen kommt auch die Nähmaschine zum Einsatz.
Eine Leuchte namens Jüpken
In der Corona-Zeit, als sich viele mehr Gedanken um ihre Einrichtung machten, haben die Urban-Siegerinks eigene Leuchten-Modelle entwickelt. Die Namen sind typisch sauerländisch. Jüpken ist zum Beispiel eine Stehleuchte mit drei Beinen aus Holz.
Erste Hilfe für alte Schirme
Reinigen und reparieren sind bei Lampenschirmen schwierige Aufgaben. Vorsichtiges Absaugen ist gut, feuchte Lappen sollten fern bleiben. Kleine Risse lassen sich notdürftig mit Klebeband flicken, aber kaum beheben. Meist ist es möglich, das alte Gestell neu zu bespannen oder einen Ersatzschirm fertigen zu lassen.
Damit ein neuer Schirm auch passt, sind für alle Hersteller von Lampenschirmen diese Maße und Angaben wichtig:
Art der Lampenfassung: Sie ist für die Größe des Fassungsrings entscheidend. Am häufigsten sind E27 und E14 für eingeschraubte Fassungen.
Durchmesser: Gemessen wir von Außenkante zu Außenkante. Beim Beispiel auf dem Bild rechts reicht ein Maß. Läuft der Schirm konisch zu, oben und unten messen.
Höhe: Die gerade oder schräge Höhe messen.
Einzug: Dieser bezeichnet den Abstand des Fassungsrings von Ober- oder Unterkante. Manche werden von unten (siehe Bild), andere von unten am Gestell befestigt.
Neben den Urban-Siegerinks gibt es einige weitere Anbieter in Nordrhein-Westfalen, die sich ebenfalls auf Lampenschirme spezialisiert haben:
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