An ihren Fliesen hatte sich Anne Freitag längst sattgesehen. Auch die Küche brauchte eine Generalüberholung. „Nach 30 Jahren zeigte sie Abnutzungserscheinungen“, erklärt die Landfrau aus Coesfeld-Lette. Aber die 30 x 30 cm großen Fliesen rausreißen, mit Bohrhammer, Schubkarre und tonnenweise Schutt? Diese Arbeit scheute die Familie. Auf der Suche nach einer Alternative ist sie bei einem Vinylboden gelandet. Das Material in Dielenoptik wurde auf die bestehenden Fliesen geklebt. Wie diese Technik funktioniert, erklärt Martin Kreulich aus Holtwick. Der gelernte Tischler hat sich auf das Verlegen von Fußböden spezialisiert.
Fräsen und spachteln
Den alten Fliesen rückt er zunächst mit einer Diamantfräse zu Leibe. „Der Boden muss angeraut werden, um ihn tragfähig zu machen“, erklärt er. Der angeschlossene Staubsauger sorgt dafür, dass dabei wenig Schmutz entsteht. Alternativ zum Schleifen oder Fräsen kann der Boden auch gründlich gereinigt und neutralisiert werden. Alle Pflege- und Schmutzschichten müssen runter. „Das dauert aber deutlich länger“, betont der Fachmann. Mit der Fräse ist eine mittelgroße Küche in einer halben Stunde behandelt. Ist der Staub entfernt, trägt Martin Kreulich mit der Rolle eine Haftgrundierung für Fliesenböden auf. Danach spachtelt er eine Ausgleichsmasse in 2 bis 3 mm Stärke auf. Sie sorgt für einen absolut ebenen Untergrund. „Die Dehnungsfugen sollte man dabei auf keinen Fall zugießen“, betont Kreulich. „Sonst kann der Estrich nicht mehr arbeiten und zusätzlich kann eine Schallbrücke entstehen.“
Der neue Boden hat inklusive der Ausgleichsmasse eine Aufbauhöhe von etwa 4 mm. Innentüren lassen sich meist gut einkürzen. Wenn der neue Belag an eine Außentür oder andere knifflige Stellen grenzt, lässt sich der Aufbau noch flacher gestalten.
Verlegen und pflegen
Nach der Vorbereitung des Bodens gibt es 48 Stunden Zwangspause. So lange braucht die Ausgleichsmasse, um durchzutrocknen. Noch einmal schleifen und saugen, dann kann der neue Belag aufgeklebt werden. Martin Kreulich verwendet einen speziellen Kleber für Designbeläge, den er aufrollt oder -spachtelt. Der Einbau einer Trittschallmatte ist nicht erforderlich, aber möglich.
Vinylböden gibt es als Planken in Holzoptik oder als Fliesen mit entsprechendem Dekor. Martin Kreulich empfiehlt, auf die Dicke der Nutzschicht zu achten. Gängig sind 0,30 und 0,55 mm. Der Tischler rät zur dickeren Variante. Erstens ist sie strapazierfähiger, zweitens sehe sie authentischer aus. So hat zum Beispiel die aufgedruckte Holzoptik auch eine Holzstruktur. Fliesendekore gibt es mit vertieften Fugen. Die Gesamtstärke des Belags liegt zwischen 2,0 und 2,5 mm. Die Materialkosten bewegen sich zwischen 20 und 30 €/m2. Hinzu kommen Verlegekosten von etwa 23 €/m2.
Anders als Parkett oder Dielenboden muss der Vinylbelag nicht eingepflegt werden. Zur Reinigung im Alltag sind der Staubsauger mit Bürstenaufsatz und der Wischmopp gefragt. Dazu einen speziellen Polyurethan-Reiniger (PU-Reiniger) ins Wischwasser geben. Dieser ist auf den Vinylboden abgestimmt.
Warmes Wohngefühl
Die Freitags sind mit der Entscheidung für Vinyl auch nach knapp einem Jahr zufrieden. „Der Boden fühlt sich warm an. Die Enkelkinder können darauf sitzen“, berichtet Anne Freitag.
Die Kompletterneuerung ihrer Küche hat insgesamt drei Wochen gedauert.
Achtung bei der Auswahl
{{::textbox::standard::Designbelag oder Vinylboden: In Fachhandel und Baumärkten kursieren eine ganze Reihe von Bezeichnungen für Bodenbeläge auf Kunststoffbasis. Sie bestehen in der Regel aus einer Rückenkonstruktion, dem Trägermaterial, einer mit dem Dekor bedruckten Oberschicht und einer Nutzschicht, die den Belag versiegelt.
Im Grunde sind die Böden eine Weiterentwicklung der bekannten Böden aus Polyvinylchlorid (PVC). Bei diesem Begriff schrillen bei vielen die Alarmglocken. Denn bei der Herstellung auf Basis von Erdöl und Steinsalz entstehen unter anderem Dioxine und das Gas Vinylchlorid, das in den 1970er-Jahren viele Chemiearbeiter krank machte.
Ein kritischer Punkt sind außerdem häufig die Weichmacher, die erforderlich sind, um das Ausgangsmaterial elastisch zu machen. Als Weichmacher werden vor allem Phthalate verwendet. Einige sind in Kinderspielzeug seit einigen Jahren verboten, weil sie über den Mund aufgenommen werden können. Alternative Weichmacher sind unter anderem Rizinusöl, Rapsöl, Zitronensäure oder andere Nachwachsende Rohstoffe. Auch die Entsorgung von PVC-Böden ist häufig problematisch.
Die Zeitschrift Ökotest hat in den vergangenen Jahren wiederholt Designbeläge geprüft – und auch im vergangenen Jahr noch zahlreiche belastete Produkte gefunden. Sie empfiehlt, bei der Materialwahl unbedingt auf den Blauen Engel zu achten und ausdrücklich schadstoffarme Varianten zu wählen.::}}