Ein Hof, viele Besitzer

„Ich hatte schon früher die Vision, in einer Gemeinschaft zu leben“, sagt Annette Weber-Vinkeloe. „Als unsere Kinder größer und unsere Eltern älter wurden, haben wir ernsthaft überlegt, welche Möglichkeiten es gibt.“ Heute ist diese Vision Wirklichkeit geworden – auf dem Förthof in Minden-Stemmer. Diesen hat eine siebenköpfige Baugemeinschaft in den vergangenen drei Jahren umfassend saniert und umgebaut. Entstanden ist ein „Mehrgenerationenhof“.

Eine Baugemeinschaft gründen
Für Kauf und Sanierung haben sich die sieben Bauherren in einer Baugemeinschaft zusammengefunden. Als Rechtsform haben sie dafür eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gewählt. Diese hat den Hof gekauft, über sie läuft auch die Finanzierung. Alle Gesellschafter haften gesamtschuldnerisch. Nach Abschluss der Bauarbeiten soll der Hof in Eigentumswohnungen aufgeteilt werden. Was jeder Einzelne finanziell eingebracht hat, wird dabei berücksichtigt.

Mit ihm Boot sind Annette Weber-Vinkeloe und Ehemann Christian, ihre Schwester Dorothee Weber mit ihrem Partner Manfred Raker sowie drei weitere Mitstreiterinnen, alle zwischen Mitte 50 und Anfang 60.

Vier Wohnungen im Haupthaus und eine im alten Schweinestall sind inzwischen fertig. Eine zweite dort ist aktuell noch im Bau. Die Besitzer, Bauherren und Bauhelfer – alles in Personalunion – sind müde, aber die Begeisterung für das Objekt ist geblieben.

Ein Hof mit Geschichte

Manfred Raker blättert in einem Abriss über die Geschichte des Hofes, den er für den Bauantrag zusammengestellt hat. Im Jahr 1550 wurde der Förthof in Minden-Stemmer erstmals urkundlich erwähnt. Über 400 Jahre war er im Besitz der Familie Tüting. Elf Generationen wirtschafteten auf dem Betrieb, zu dem rund 50 ha Fläche gehörten. Zuletzt lebten vier Geschwister auf dem Hof, ohne Nachkommen. Ein Bauer von der anderen Weserseite übernahm schließlich erst die Bewirtschaftung des Hofes und kaufte dann Gebäude und Flächen. Von ihm hat der Freundeskreis die Hofstelle erworben.

Wohnen am weißen Fleck

„Minden war für uns bis dahin ein ganz unberührter Fleck auf der Landkarte“, gibt Annette Weber-Vinkeloe unumwunden zu. Einige Monate hatte sie mit Familie und Freunden nach einem geeigneten Objekt für die Idee von einem „Mehrgenerationenhof“ gesucht. Liegen sollte er „in der Mitte Deutschlands“ zwischen Ruhrgebiet und Berlin. Denn dort wohnten sie bis dahin. Dort waren Kinder und Eltern zu Hause, dort waren Arbeitsplätze und Freunde.

Mit Herz und Verstand

Ihr Herz hatten die Bauwilligen an den Förthof schnell verloren, ihrem Verstand gaben sie ein halbes Jahr Zeit. Bevor sie den Kaufvertrag unterzeichneten, prüften sie die Bausubstanz, entwickelten ein Umbau- und Finanzierungskonzept, stimmten sich mit den Baubehörden ab – und übernachteten auch mal auf dem Förthof. „Es ist toll, dass die Verkäufer uns diese Möglichkeit gegeben haben“, sagt Annette Weber-Vinkeloe.

Wichtiger Berater in dieser Zeit war der Architekt Wolfgang Riesner aus Petershagen. Er weiß, wie knifflig es ist, eine große Hofstelle zu kaufen – und auch zu verkaufen. „Ein Pferdefuß bei Hofanlagen ist ihre enorme Größe“, sagt er. Während für kleinere Kötterstellen oft schnell ein Käufer gefunden sei, bereiteten die großen Anwesen meist Kopfzerbrechen. „Da braucht man verschiedene Nutzungen.“

Hofgemeinschaften finden sich aus seiner Sicht viel zu selten zusammen. Ein Grund: „Viele wollen allein König in ihrem Reich sein“. Das sei bei einem Gemeinschaftsprojekt nicht möglich. Auch wenn sich Nachbarn in Neubaugebieten häufig viel dichter auf der Pelle säßen als Bewohner eines weitläufigen Bauernhofes. ahe

Mehr zum Mehrgenerationen-Projekt auf dem Föhrthof lesen Sie in der Ausgabe 30/2016 des Wochenblatts ab Seite 74.