Muscheln, Seeigel und Haie bevölkerten vor mehr als 90 Mio. Jahren den nördlichen Kreis Soest. Die Westfälische Bucht war damals Teil eines Urmeeres. Die Küste brandete etwa dort, wo Millionen Jahre später der Hellweg verlief. In dieser Brandungszone, etwa 20 km westlich und östlich von Soest, entstand ein Stein, der vor allem durch seine einmalige grüne Farbe beeindruckt.
Auf ihm lassen sich die Spuren der ehemaligen Bewohner noch heute entdecken. Fossilien von bis zu 20 cm Länge prägen den Naturstein, der als Grün- oder Grünsandstein bekannt ist. Zahlreiche Kirchen und Höfe der Hellwegregion sind aus ihm gebaut. Aber auch heute findet er innen und außen Verwendung. Sogar in den Garten des Bundeskanzleramtes in Berlin hat der Anröchter Stein es geschafft.
Entlang des Hellweges
Im Mittelalter brachen Steinhauer den grünen Stein entlang des Hellweges im heutigen Kreis Soest. Der Altstadt von Soest verleiht er bis in die Gegenwart ein einmaliges Ambiente. Allein in der in weiten Teilen noch existierenden Stadtmauer stecken 35 000 m3 Steine. Viele stammen aus Brüchen um den Soester Ortsteil Ampen oder aus der Nähe von Werl. Diese Steinbrüche sind mittlerweile erschöpft. Je weiter man nach Osten kommt, desto blaugrüner wird der Stein.
Aktuell stammt der Grünstein nur noch aus Anröchte und Umgebung. Nahe der Autobahn 44 erstreckt sich das Steinabbaugebiet im Ortsteil Klieve. Fünf Betriebe verarbeiten noch den Stein. Einer davon gehört der Familie Rinsche. Auf gut 25 ha bricht die Familie seit 150 Jahren den Grünstein.
Zunächst sprengen die Mitarbeiter die 15 bis 25 m überlagernden Kalksteinschichten und verarbeiten sie im werkseigenen Schotterwerk für den Straßen- und Gartenlandschaftsbau. Darunter liegen die etwa 2 m starken Bänke des Grünsteins, wobei der obere Teil bläulich schimmert und die untere Bank als grün gilt. Der Laie erkennt den Unterschied meist erst auf den zweiten Blick.
Seine besondere Farbe verdankt der Naturstein dem Mineral Glaukonit. Es bildete sich am seichten Uferbereich des Urmeeres unter dem damaligen tropischen Klima und verband sich mit Kalk und Sand. Der heute noch geläufige Begriff Grünsandstein führt dabei in die Irre. „Das kompakte Sedimentgestein ist mineralogisch ein Kalkstein“, sagt Heiner Rinsche vom Natursteinwerk. Der Stein hat einen Kalkanteil von mehr als 60 % und einen Quarzanteil von etwa 15 %.
Im Vergleich zu Marmor und anderen Kalksteinen verfügt er aufgrund seines hohen Quarzgehaltes über eine höhere Abriebfestigkeit, zählt aber trotzdem zu den Weichsteinen. Daher lässt er sich gut bearbeiten und vielseitig einsetzen.
Vom Bruch ins Werk
Aus dem Steinbruch brechen die Mitarbeiter der Familie Rinsche 5 bis 50 t schwere trapezförmige Blöcke. Dabei bleibt das Farbbild meist homogen. „So lassen sich große Flächen mit derselben Farbe schaffen“, sagt Heiner Rinsche. Der Abbruch der Blöcke orientiert sich meist an natürlichen Bruchstellen. „Etwa 20 % der Blöcke lassen sich direkt im Werk verarbeiten“, so der gelernte Steinmetz.
Die bis zu 18 t schweren Blöcke werden in einem Gatter mit diamantenbesetzten Sägeblättern zu Platten verschiedener Stärken gesägt. In einer Stunde schafft das Ungetüm mit Schwungrad etwa 20 cm. Insgesamt braucht sie sieben bis acht Stunden für einen ganzen Block. Im Werk werden die Platten maschinell geschliffen oder mit einem Weichstrahl gebürstet. Eher handwerklich ist das Sandstrahlen der Oberflächen. Außerdem kann die Oberfläche geflammt werden.
Abgase hinterließen Spuren
Der grüne Anröchter wird eher draußen verbaut als der blaue. Er ist etwas resistenter. An sich ist der Stein aber nicht übermäßig verwitterungsanfällig. Zahlreiche alte Kirchtürme zeugen davon. Sie trotzen schon seit Jahrhunderten Wind und Wetter.
Probleme bereitete jahrelang aber die chemische Verwitterung durch Industrieabgase, die um 1900 vor allem aus dem Ruhrgebiet stammten und per Westwind in die Region kamen. Sie zersetzten das kalkige Bindemittel und das Glaukonit. Mittlerweile ist die Luft aber wieder deutlich reiner und er lässt sich unbedenklich verbauen.
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