Hier mag jemand historische Details: Beim Gang durch das Haus von Lisa und Ingo Wantia ist das sofort zu sehen. Am Rauchfang über dem Herdfeuer blitzt der alte, blaue Anstrich. Zwischen dem Bad – früher war hier die „Knechtkammer“ – und alter Tenne ist ein Guckloch geblieben.
Mitten in der Bauerschaft, in Altenberge-Hansell im Kreis Steinfurt, hat das Paar vor sieben Jahren ein zugewuchertes Kleinod entdeckt: Das einstige Haupthaus einer kleinen Hofstelle, erbaut im Jahr 1818. An einigen Stellen war es einsturzgefährdet. Per Inserat im Internet suchten die Vorbesitzer neue Eigentümer.
Am Ziel einer Suche
Für die Wantias endete damit 5 km nördlich der Stadtgrenze von Münster die Suche nach einem Haus. Dass es ein altes sein sollte, stand schon länger fest. Ingo Wantia, der wie seine Frau aus Vreden im Kreis Borken stammt, ist Zimmermann. An alten Fachwerkhäusern fasziniert ihn die haltbare Handwerkskunst und das besondere Flair. Herausgefallene Gefache und angefaulte Ständer konnten ihn deshalb nicht schrecken. „Ich bekomme es hin, dass es wieder auf eigenen Beinen steht“, verkündete er nach der ersten Besichtigung.
Dass sie einen langen Atem brauchen würden, war beiden klar. Seit dem Kauf des Hauses auf 2000 m2 Grundstück pendelten sie zwischen ihrer kleinen Wohnung in Münster und der Baustelle. Ingo reduzierte seine Stelle, um auch freitags vor Ort sein zu können. Lisa, die als Heilpädagogin in einer Wohneinrichtung für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen arbeitet, packte am Wochenende mit an. Die meisten Arbeiten erledigten sie selbst oder mit Freunden. Fachlicher Rat kam auch von Ingo Wantias ältestem Cousin, einem Architekten.
Zu den ersten Amtshandlungen gehörte es, das Gebäude unter Denkmalschutz stellen zu lassen. Dieser rettete den Bestand. Denn eigentlich hatte das Haus längst abgerissen werden sollen. Schließlich hatten Vorbesitzer nebenan einst einen Ersatzbau errichtet.
Der zuständige Mitarbeiter in der Abteilung für Denkmalpflege des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe stand mit Rat zur Seite und half Fördergelder in Höhe von insgesamt rund 50 000 € zu organisieren. Die Wantias selbst haben neben Geld vor allem viel Eigenleistung in das Haus gesteckt.
Ein Haus als Glücksfall
Für den Denkmalpfleger ist das Haus „ein besonderer Glücksfall, den es zu erhalten gilt“. Selten lasse sich die historische Struktur eines westfälischen Bauernhauses so gut ablesen wie hier. Das Haus ist ganz klassisch aufgebaut. Zum Weg hin öffnet das große Tennentor den Wirtschaftsteil, in dem einst Tiere und Futterlager untergebracht waren. Dahinter schließt sich der Wohnteil an. Von der Seite führt die Haustür ins Flett, den zentralen Wohnraum mit dem Herdfeuer. Dazu kommen eine gute Stube, Upkammern zum Schlafen und weitere Nebenräume.
Die Struktur haben Lisa und Ingo Wantia erhalten, die Tenne aber zum zentralen Wohnraum ungestaltet. Insgesamt kommen sie im Erdgeschoss auf 180 m2 Wohnfläche. Das reicht für die inzwischen dreiköpfige Familie. Auf den Ausbau des Daches haben sie bewusst verzichtet.
Fast ohne Restmüll
Praktisch startete das Paar mit Aufräum- und Sicherungsarbeiten. „Wir haben das Haus im Grunde entkernt, brauchten aber keinen Restmüllcontainer“, berichtet Ingo. Schließlich waren die meisten Teile noch original erhalten, gebaut aus Holz und Kalk, Backsteinen und Hohlpfannen. Was noch zu retten war, sicherte das Paar und baute es wieder ein. Auch das möglichst ohne künstliche Hilfsmittel. „Hier ist nur eine Tube Silikon draufgegangen“, berichtet Ingo lachend.
Schritt für Schritt haben die beiden heute 36-Jährigen das Haus saniert und unzählige morsche Holzteile ersetzt. Die Fenster hat Ingo gemeinsam mit einem befreundeten Tischler selbst gebaut und mit Leinöl gestrichen. Das hat länger gedauert als gedacht und fast einen ganzen Sommer in Anspruch genommen.
Immer wieder haben die Wantias Entdeckungen gemacht und sich in alten Handwerkstechniken ausprobiert. Dazu gehört auch das Verlegen von Strohdocken aus Roggenlangstroh. Sie klemmen jetzt – zu sogenannten Puppen aufgefächert – unter jeder einzelnen der Dachpfannen. Dort schützen sie vor dem Eindringen von Feuchtigkeit und Flugschnee. Die über 100 Jahre alten Hohlpfannen haben die Wantias nach der Ertüchtigung und leichten Begradigung des Dachstuhls wieder aufgelegt. Viele Ersatzteile hat Ingo Wantia auf anderen Höfen geborgen oder über das Internet erstanden.
Der Boden ist geblieben
An Ort und Stelle geblieben ist im gesamten Haus der Boden. „Der hat schließlich schon 200 Jahre funktioniert“, betont der Bauherr. Die Sandsteinplatten auf der Tenne sind gesäubert und ergänzt. Einige Nebenräume haben einen neuen Holzboden bekommen und im Flett findet sich etwas Seltenes: Kalkterrazzo ist heute eine Rarität. In der Erbauungszeit waren die Zutaten in der Gegend einfach zu beziehen.
Geheizt wird das Haus, in das die Familie vor einem Jahr eingezogen ist, vor allem über den 3 t schweren Grundofen auf der Tenne. Für Warmwasser und die Sockelleisten-Heizungen ist Flüssiggas im Einsatz.
Die Wantias haben sich eingelebt, werkeln weiter und packen gerade das nächste größere Projekt an: den Garten.
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