Wer Klinken sucht, muss Klinken putzen. Das hat Volker Eloesser in den vergangenen Jahren zu Genüge erlebt. Vor gut 20 Jahren hat der heute 51-Jährige ein denkmalgeschütztes Haus gekauft. Auf dem Meyerhof in Schledehausen, einem Ortsteil von Bissendorf im Landkreis Osnabrück, hat er vieles selbst gemacht und selbst gesucht. Aber an den passenden Griffen für die barocken Türen hätte er sich beinahe die Zähne ausgebissen. Zum einen war auf Flohmärkten und Kleinanzeigenportalen im Internet wenig zu finden, zum anderen passten die Maße häufig nicht.
Komplizierte Handarbeit
Eloesser dachte über einen Nachguss der alten Beschläge nach. Aber in Europa gibt es kaum Firmen, die sich auf das alte Handwerk verstehen – und wenn ist das sehr teuer. Spritzguss wäre eine Alternative. Aber der braucht erstens große Stückzahlen und zweitens sieht eine Klinke dann haargenau wie die andere aus.
Eloesser wollte aber Handarbeit. Das bedeutet: Sandguss. Dafür wird ein Modell in leicht feuchten Sand gedrückt. Wer zwei Hälften übereinanderlegt, erhält eine Hohlform, in die flüssiges Metall gegossen werden kann. Nach dem Guss wird der Sand abgeschlagen. Es braucht immer wieder neue Formen. Das macht das Verfahren aufwendig.
Eine Stadt für den Messingguss
Bei der Suche nach Menschen, die sich auf dieses Handwerk verstehen, wurde Volker Eloesser schließlich in Indien fündig. „Im Norden des Landes gibt es eine Stadt – groß wie Münster –, die komplett auf den Guss von Messing spezialisiert ist.“ Und aus diesem Material sind viele alte Griffe. Übrigens aus gutem Grund: Das Metall desinfiziert sich durch die Abgabe von Kupferionen selbst.
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Volker Eloesser hat die Werkstätten vor Ort besucht und Partner gefunden. Sie gossen erst Klinken für Eloessers privates Bauvorhaben. Als sich auch Nachbarn für die Beschläge interessierten, wurde daraus ein Geschäft. Das Unternehmen heißt Ventano.
Mit Abenteuerlust
Aber wie kommt man überhaupt auf die Idee, solch eine Firma zu gründen – ohne Erfahrungen in dem Metier? Die Antwort: Eloesser vereint Unternehmergeist und Abenteuerlust. Schon als Schüler programmierte er Computerspiele. Mit dem Geld aus dem Verkauf seiner ersten Firma kaufte er den alten Meyerhof. Nach Stationen im IT-Bereich gründete er in Nordkorea eine Firma, die Handyspiele programmiert. Einige Jahre lebte er selbst in Pjöngjang. Die Firma Nosotek gehört ihm bis heute.
Mit der Familiengründung verlegte Volker Eloesser seinen Lebensmittelpunkt zurück ins Osnabrücker Land. Er blieb Unternehmer, aber in einem völlig anderen Bereich. Eloesser und seine 20 Mitarbeiter haben sich auf Messingbeschläge und Zementfliesen nach historischen Vorbildern spezialisiert. Die einen werden in Indien, die anderen in Vietnam produziert.
Verliebt ins Detail
In das Thema Beschläge hat sich Volker Eloesser eingegraben. Das macht er beim Rundgang durch den Unternehmenssitz deutlich. Die alte Raiffeisen-Genossenschaft von Wissingen, einem Ortsteil von Bissendorf, wurde 1953 gebaut. Hier tragen die Türen Alugriffe. „Das sind alles Originale“, sagt Volker Eloesser. „Vielleicht gießen wir die irgendwann auch einmal nach.“ Der Patentschutz läuft spätestens nach 70 Jahren aus.
Im ehemaligen Lager mit Blick auf die angrenzende Bahnlinie kümmern sich fünf Mitarbeiterinnen um den Versand. Jedes Teil nehmen sie in die Hand und polieren nach. Sie verstärken auch die Beschläge. Bei Bedarf werden eine Stahlplatte und einen Ziehschutz eingebaut, der das Schloss vor rustikalen Attacken mit Hebelwerkzeug schützt.
Mit der CNC-Fräse
Unten im Keller demonstriert Eloesser eine CNC-Portalfräse. In die Langschilder der Türbeschläge fräst sie Schlüssel- und Schraublöcher genau so, dass sie auch zur Tür passen, auf der sie montiert werden sollen. Die Tücken liegen in solchen Details. Heute beträgt der Abstand zwischen der Mitte der Klinke und der Mitte des Schlüssellochs in Deutschland meist 72 mm bei Zimmer und 92 mm bei Haustüren. Früher hatte jede Region, jede Provinz, jeder Kleinstaat sein eigenes Maß. Europaweit gibt es die Unterschiede bis heute. In der Schweiz sind 78 mm Abstand gefragt, in Frankreich 70 und in den Niederlanden 55 mm.
Die meisten Kunden bestellen online. In Bissendorf gibt es eine kleine Ausstellung, in der auch die verschiedenen Oberflächen – von poliert bis vernickelt – zu sehen sind.
Prozesse optimieren
„Dieses Business ist zwar traditionell, aber der Online-Verkauf ist IT-getrieben“, betont Volker Eloesser. Er kümmert sich um die benötige Software und den Einkauf. „Mein Hobby ist Prozessoptimierung und nicht Türgriffe hämmern“, erklärt er lachend.
Der Laden läuft. 2020 hat die Gruppe 3 Mio. € Umsatz gemacht. Zum Sortiment gehören inzwischen auch Klingelplatten und Wandhaken. Der nächste Plan sind handgeschmiedete Langbänder für Tore.
Die Vorlagen für die Replikate liefern häufig die Kunden selbst. Sie schicken Klinken und Fenstergriffe ein, die sie gerne neu hätten. Einige Modelle nimmt Ventano dann ins Sortiment auf. Die besonders verschnörkelten verkaufen sich besonders in Süddeutschland und Frankreich, in Norddeutschland ist eher Schlichtes gefragt – dann auch gerne in Serie. Gerade hat Ventano den Landtag in Kiel mit neuen Fenstergriffen ausgestattet.
Anbieter finden
Es gibt inzwischen einige deutsche Firmen, die sich auf historische Beschläge oder Nachgüsse spezialisiert haben. Unter anderem sind das diese Unternehmen:
- Antik-Ersatzteile Hanisch, 06901 Kemberg, www.antik-ersatzteile-hanisch.de;
- Die Abbeizzentrale, 49191 Belm, www.dieabbeizzentrale.de;
- Hoffschulte Metallmanufaktur, 49549 Ladbergen, www.hoffschulte.com;
- Hummel Kunstbeschläge, 87764 Legau, www.kunstbeschlag.de;
- Messing-Zawadski, 12045 Berlin, www.historisch.de;
- Ralph Horak, 16307 Mescherin, www.nachguss.de;
- Schrader Beschläge, 20146 Hamburg, www.schraderbeschlaege.de;
- Ventano Beschläge, 48143 Bissendorf, www.ventano-beschlaege.de
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