Wie essen Pflegebedürftige?

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hat einen neuen Ernährungsbericht herausgebracht. Dieses Mal widmet sie sich besonders der Ernährung von Pflegebedürftigen in Privathaushalten.

Große Überraschungen gab es nicht. Trotz einem reichlichen und guten Angebot an Lebensmitteln ernähren sich die Deutschen nicht so, wie es die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) für richtig hält. Das zeigte einmal mehr der jüngst veröffentlichte Ernährungsbericht 2012, herausgegeben von der DGE, dessen Ergebnisse die Gesellschaft kürzlich in Bonn vor Journalisten vorstellte.

Kurzes Fazit der Ernährungssituation: Wir essen zu viel Fleisch, zu wenig Obst und Gemüse und zu wenig Ballaststoffe. Daran hat sich seit dem vergangenen Ernährungsbericht aus dem Jahr 2008 – die DGE gibt alle vier Jahre einen solchen Bericht heraus – nicht viel geändert.

Pflegebedürftige ernähren

Neben der Analyse des Ernährungsstatus der gesamten Bevölkerung widmet sich die Gesellschaft aber in jeder Ausgabe ihres Berichts unterschiedlichen Schwerpunktthemen. Dieses Mal stand unter anderem die Ernährungssituation von Pflegebedürftigen in Privathaushalten im Mittelpunkt. Daten dazu lieferte die ErnSIPP-Studie. Die Abkürzung steht für „Ernährungssituation von Seniorinnen und Senioren mit Pflegebedarf in Privathaushalten“. Für die Studie wurden 353 Senioren aus Bonn, Nürnberg und Paderborn zu ihren Ernährungsgewohnheiten befragt. Außerdem wurden sie gemessen und gewogen.

Die Studienteilnehmer waren im Durchschnitt 84, mindestens aber 65 Jahre alt. 59 % erhielten Leistungen der Pflegestufe I, 30 % der Pflegestufe II und 11 % der Pflegestufe III. Die Senioren wurden überwiegend von ihren Angehörigen mit Mahlzeiten versorgt, erklärte Prof. Dr. Dorothee Volkert von der Universität Erlangen-Nürnberg, die diesen Teil des Ernährungsberichts betreut hat.

Annähernd die Hälfte der Studienteilnehmer war beim Essen auf Unterstützung angewiesen, etwa beim Kleinschneiden von Speisen oder beim Öffnen von Getränken. Mehr als ein Drittel der Befragten klagte über einen mäßigen oder schlechten Appetit, die Hälfte litt unter Kaubeschwerden und Mundtrockenheit und fast ein Drittel unter Schluckbeschwerden.

BMI etwas über dem Normbereich

Im Großen und Ganzen sieht die Versorgung von Pflegebedürftigen, die in Privathaushalten versorgt werden, gar nicht so schlecht aus. Der BMI der Studienteilnehmer, also das Verhältnis von Körpergewicht zu Körpergröße, lag im Schnitt bei 28,2 kg/m2, also etwas über dem Normbereich von 18,5 bis 25 kg/m2. 4 % hatten einen BMI unter 20 kg/m2 und 33 % einen BMI über 30 kg/m2.

Bei steigender Pflegestufe und wenn die Senioren an Demenz erkrankt waren, lagen häufiger niedrigere BMI-Werte vor, sie neigten also eher zu Untergewicht. Dass die BMI-Werte allgemein etwas zu hoch lagen, ist für Prof. Dr. Volkert nicht unbedingt ein Grund zur Besorgnis. Denn das Mortalitätsrisiko, also das Risiko zu versterben, ist bei einem BMI von 27 kg/m2 am niedrigsten. Liegt der BMI darunter, ist dieses Risiko sogar deutlicher erhöht, als wenn er darüber liegt.

Zu viel Fleisch, zu wenig pflanzliche Produkte

Bei der Ernährungssituation und der Lebensmittelauswahl zeigten sich kaum Unterschiede zur Allgemeinbevölkerung. Die Studienteilnehmer aßen zu viel Fleisch und Fleischprodukte und zu wenig pflanzliche Lebensmittel. Die Versorgung mit lebenswichtigen Nährstoffen war in der Regel gut, außer bei den Vitaminen D und E, Folat und Calcium. Die Frauen waren zudem nicht ausreichend mit den Vitaminen B1 und C versorgt.

Prof. Dr. Dorothee Volkert merkte an: „Mit zunehmender Pflegebedürftigkeit scheint es schwerer zu werden, die Nährstoffe den Empfehlungen entsprechend aufzunehmen“. Sie räumte aber auch ein, dass bisher noch wenig über den tatsächlichen Bedarf von Hochbetagten bekannt sei.

Gesamteindruck positiver als die Realität?

Erstaunlich gut war laut der Studie die Flüssigkeitsaufnahme. Hier zeigt sich aber vielleicht besonders deutlich, wo bei dieser Studie die Schwachstellen liegen. Denn wie Prof. Dr. Volkert erklärte, war es äußerst schwierig, Teilnehmer für die Studie zu finden. Nur wenige der angesprochenen und angeschriebenen Senioren waren dazu bereit, daran teilzunehmen. Dadurch ist das Ergebnis möglicherweise etwas verfälscht, denn bei den Teilnehmern handelt es sich ausschließlich um Probanden, die sich freiwillig zu der Teilnahme entschieden haben. Dadurch kann ein etwas zu positiver Gesamteindruck entstanden sein.

Dennoch ist es wichtig, der Ernährungssituation von Pflegebedürftigen in Privathaushalten eine stärkere Aufmerksamkeit zu schenken, betonte Prof. Dr. Volkert. Denn Mangelernährung, unerwünschter Gewichtsverlust und andauernder Flüssigkeitsmangel können langfristig die Pflegebedürftigkeit sowie die Krankheitsanfälligkeit erhöhen. „Eine gute Ernährungsversorgung kann das Wohlbefinden und die Lebensqualität steigern“, so das Fazit von Prof. Dr. Dorothee Volkert. Wul