Mangelernährung bei Senioren

Wenn das Essen nicht ausreicht

Etwa ein Drittel aller Senioren ist unter- bzw. mangelernährt. Über Ursachen, Folgen sowie praktische Tipps zur Behandlung sprachen wir mit Diätassistentin Heike Dethardt von der Klinik für Gastroenterologie am Johannes Wesling Klinikum Minden.

Es heißt doch immer, dass man im Alter nicht so viel Energie benötigt. Dann wäre weniger essen doch richtig. Warum stimmt das so nicht?

Diätassistentin Heike Dethardt (Bildquelle: Johannes Wessling Klinikum Minden)

Zwar nimmt im Alter der Bedarf an Energie ab, auch weil alte und vor allem bettlägrige Menschen sich weniger bewegen, folglich weniger Muskelmasse haben und weniger Energie verbrennen. Doch der Bedarf an essentiellen Nährstoffen wie Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen sowie Eiweiß bleibt mindestens gleich so hoch wie in jungen Jahren bzw. steigt sogar. Es kommt als nicht nur darauf an, wie viel man isst, sondern vor allem was.

Falsche Essgewohnheiten mit einseitiger Auswahl von Lebensmitteln, wie vorrangig Süßem, können dazu führen, dass dem Körper wichtige Nährstoffe fehlen, obwohl der Mensch normal- oder übergewichtig ist.

Senioren achten häufig zu wenig auf ihre Ernährung. Vor allem Hochbetagte und pflegebedürftige Menschen sind mangelernährt. Wie kommt es dazu?

Die Ursachen sind sehr komplex und können individuell verschieden sein. Generell ändert sich mit dem Älterwerden der Stoffwechsel. Die Muskelmasse nimmt ab, vor allem an Armen und Beinen. Auch die Organmasse verringert sich. Meist werden nicht mehr so viele Verdauungsenzyme produziert, sodass die Nahrung schlechter aufgenommen und verwertet werden kann.

Oft fehlt auch der Appetit, weil sich Hunger-, Durst - und Sättigungsempfinden verändern und Geruchs- und Geschmackssinn nachlassen. Hinzu kommen häufig auch Kau- und Schluckbeschwerden.

Chronische Erkrankungen, Schmerzen, Gedächtnisschwäche, Depressionen, körperliche Behinderungen, die an den Rollstuhl oder das Bett fesseln, aber auch unerwünschte Neben- und Wechselwirkungen von Medikamenten beeinflussen die Nahrungsaufnahme ebenfalls nachteilig. Bei älteren Menschen gilt jeglicher ungewollte Gewichtsverlust als Risikofaktor für Mangelernährung.

So hoch ist der Kalorienbedarf älterer Menschen

- Der Kalorienbedarf ist abhängig von der Körperaktivität. Wer bettlägerig, aber normalgewichtig ist, benötigt täglich etwa 20 bis 25 kcal pro kg Körpergewicht.
- Körperlich Aktive benötigen mit 30 Kcal pro kg Körpergewicht etwas mehr.
- Wer allerdings schon einen BMI unter 21 hat, muss Körpergewicht zulegen und sollte 32 bis 40 kcal pro Kilogramm Körpergewicht veranschlagen. Die Kalorienzufuhr muss individuell und langsam gesteigert werden.

Mangelernährung verschlechtert das Allgemeinbefinden, die Wundheilung und erhöht die Sturzgefahr. Wie lässt sich Untergewicht wieder ausgleichen?

Wer im Alter untergewichtig ist, sollte hochkalorisch essen. Suchen Sie Lebensmittel mit mehr Fett aus oder reichern Sie das Essen mit Fetten wie Sahne, Öl, Butter oder Nussmus an. Bei Milch und Milchprodukten lässt sich auf Lebensmitteln mit 3,5 % Fett und mehr zurück greifen.

Wichtig ist, dass das Essen ansprechend und geschmackvoll angerichtet ist. Essen Sie öfter einmal Ihre Lieblingsgerichte und bei Bedarf auch in kleinen Häppchen. Verwenden Sie aromatische Lebensmittel wie Zwiebeln, Knoblauch, Sellerie und frische Kräuter.

Kilos, die einmal verloren gegangen sind, sind schwierig wieder aufzuholen"

Gute Eiweißlieferanten sind neben Ei- und Milch auch Fleischprodukte. Wer das aber nicht mag oder Fleisch nicht essen kann, greift auf Fisch, Hülsenfrüchte oder Sojaprodukte zurück. Oft geht aber Joghurt und Käse beispielweise als Brotbelag oder zum Überbacken.

Manchmal lässt sich das Gewicht auch mit Hilfe medizinischer Trinknahrung oder Eiweißkonzentraten steigern. Sinnvoll sind hier vollbilanzierte Produkte, weil sie alle wichtigen Nährstoffe enthalten und man sich theoretisch ausschließlich davon ernähren kann. Sie können bei Bedarf vom Arzt verordnet werden.

Mangelernährt heißt nicht gleich zu dünn. Häufig fehlt es auch nur an bestimmten Nährstoffen wie an Vitamin B12. Sie lässt sich der Mangel verhindern?

Vit. B12 und Eiweiß sind vor allem in tierischen Lebensmitteln enthalten.

Es wird empfohlen täglich vier Mikrogramm Vit. B 12 aufzunehmen. Das entspricht beispielsweise 100 g magerem gekochten Rindfleisch, 60 g fettem Frischkäse und 30 g Gouda (30 % Fett i.Tr.).
Alternativ können auch drei gehäufte Esslöffel Quark (20 % Fett i. Tr.), 70 g gegarter Lachs und 100g Mozzarella (20 % Fett i. Tr.) gegessen werden.

Im Alter leiden einige Menschen an Vit B12-Aufnahmestörungen. Aus unterschiedlichen Ursachen kann das Vitamin dann nicht mehr so gut aus der Nahrung aufgenommen werden. Besteht bereits ein Defizit, lässt sich dieses über die Ernährung nicht mehr ausgleichen. Ein Mangel an Vit. B12 muss ärztlich diagnostiziert und je nach Ursache über Injektionen bzw. entsprechende Präparate ausgeglichen werden.

Welche Vitamine und Mineralstoffe in der Ernährung von alten Menschen häufig noch zu kurz kommen, lesen Sie im Wochenblatt für Landwirtschaft & Landleben auf den Gesundheitsseiten der Folge 44 vom 31. Oktober. 2019.

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