Eine Erkältung, die nicht abklingen mag, Hustenanfälle bis zum Erbrechen und ein unangenehmer Druck auf dem Brustkorb – alles deutet zunächst auf eine Verschlechterung des Bronchialasthmas hin, an dem Landwirt Thomas W. seit vielen Jahren leidet. Doch weit gefehlt. Der Landwirt aus dem Westmünsterland ist an einem seltenen Tumor im Brustraum erkrankt. Einem aufmerksamen Lungenfacharzt und einem Experten vom Klinikum Ibbenbüren, der den Tumor per Operationsroboter „da Vinci“ entfernt, hat er wieder mehr Lebensqualität zu verdanken.
Er wird Erkältung nicht los
Thomas W. ist Mitte 40. Er lebt mit seiner Familie auf einem landwirtschaftlichem Betrieb. Die Arbeit macht ihm Spaß. Einzig: Seit rund 16 Jahren ist er an allergischem Asthma erkrankt, das durch Ammoniak ausgelöst und durch den täglichen Kontakt zu Tierdung weiter aufrecht erhalten bleibt. „Seitdem trage ich im Stall stets eine Atemschutzmaske“, sagt Thomas W. Auch medikamentös ist er gut eingestellt.
Doch Anfang 2018 wird er eine Erkältung nicht mehr richtig los. Ihm geht zunehmend die Puste aus. Er muss viel husten, fühlt sich schnell erschöpft. Von nun an beginnt eine Odyssee von Therapiemaßnahmen und statiönären Klinikaufenthalten. Doch alles hilft nicht. Er entwickelt schon bei geringster Anstrengung Luftnot und Hustenanfälle bis zum Erbrechen. Ein starkes Druckgefühl auf Luft- und Speiseröhre will nicht weichen. „Vor allem morgens und abends konnte ich das Essen nicht bei mir behalten, musste es häufig erbrechen", schildert der Landwirt. In seiner körperlichen Leistungsfähigkeit ist er nun deutlich eingeschränkt.
Vergrößerte Thymusdrüse ist Verursacher
Schließlich ordnet sein Lungenfacharzt zur weiteren Diagnostik eine Computertomografie (CT) vom Brustraum (Thorax) an und wird fündig. Auf dem CT ist eine stark vergrößerte Thymusdrüse zu erkennen, die bis zum Hals reicht und diesen sogar verengt. Doch ob der Tumor gutartig oder bösartig ist, vermag zu dem Zeitpunkt niemand sagen.
„Geschwulste der Thymusdrüse sind zwar äußerst selten und meist gutartig, können sich aber bösartig verändern. In besonderen Fällen lösen sie eine Muskelerkrankung wie die Myasthenia gravis aus“, erklärt Prof. Dr. Stefan Fischer vom Klinikum Ibbenbüren. Diese durch Autoantikörper verursachte neuromuskuläre Übertragungsstörung führt zu einer Muskelschwäche. „Verändertes Thymusdrüsengewebe sollte daher immer entfernt werden“, erklärt der Facharzt für Thorax- und Herzchirurgie.
Minimalinvasiver Eingriff mittels da-Vinci-Roboter
Am 2. Juli 2019 wird Thomas W. operiert. Der Eingriff wird minimalinvasiv durchgeführt. Der Brustkorb muss nicht eröffnet werden. Das Besondere: Die Operation erfolgt unter Einsatz des „da Vinci“-Operationsroboters. Ein solcher Roboterassistierter Eingriff an der Thymusdrüse wird deutschlandweit bislang nur an wenigen Kliniken durchgeführt.
Wird die Thymusdrüse entfernt, muss der Chirurg bei einem offenen Eingriff das Brustbein durchtrennen. Es entsteht eine bis zu 30 cm lange Narbe. Bei minimal-invasiven Schlüsselloch-Operationen entfällt dieser für den Patienten häufig belastende Schritt. „Für die Entfernung der Thymusdrüse mit dem OP-Roboter daVinci Xi sind lediglich drei kleine Schnitte im Bereich des linken Brustkorbes notwendig“, sagt Prof. Dr. Stefan Fischer.
Das neue Verfahren, das der Experte erstmals bei einer Thymektomie, wie die operative Entfernung der Thymusdrüse genannt wird, eingesetzt hat, vereint zwei Techniken: das minimal-invasive Operieren und Roboter-Assistenz.
Der da-Vinci-Roboter assistiert dem Operateur
Doch wie genau funktioniert das? Das System besteht aus zwei Einheiten: Eine Steuerkonsole mit Kamera stellt das Innere des Körpers in zehnfacher Vergrößerung dar. Sie steht abseits vom Operationstisch. Der Chirurg trägt jeweils an Daumen und zwei Fingern einen Ring, über die er die Instrumente an den Greifarmen des Roboters in Echtzeit steuert.
Die zweite Einheit ist der Roboter mit seinen drei bis vier mechanischen Armen, die sich über dem OP-Tisch befindet. An den Greifarmen befinden sich Spezialinstrumente wie eine 3-D-Kamera, eine Greifzange und ein Skalpell. Sie lassen sich in alle Richtungen bewegen. Durch Computertechnik und Feinmechanik werden die Bewegungen der Finger und Hände des Operateurs an der Steuerkonsole exakt auf die Greifarme des Roboters übertragen.
Vor und Nachteilte der da-vinci-Robotertechnik
- Ein großer Vorteil dieser roboter-assistierten Methode ist, dass das System ein natürliches Zittern des menschlichen Hand herausfiltert. Dadurch lässt sich das Tumorgewebe präzise entfernen, ohne beispielsweise winzige Zwergfellnerven oder anderes umgebendes Gewebe zu beschädigen.
Kommt ein Patient für dieses Operationsverfahren in Frage, hat das noch weitere Vorteile, wie Mediziner Fischer erklärt. „Der Patient verliert weniger Blut und kann die Klinik meist nach wenigen Tagen verlassen. Die Wunden heilen schneller ab. Von den äußerlichen Schnittwunden ist später kaum noch etwas zu sehen“.
- Doch es gibt auch Nachteile: Das Verfahren lässt sich nicht bei jedem chirurgischen Eingriff anwenden. Der Chirurg muss das Verfahren mehrere Monate zuvor erprobt haben und zertifiziert sein. Aber auch OP-Assistenz und Pflegepersonal müssen sich in das neue Verfahren erst einarbeiten. Der Eingriff dauert etwas länger und ist aufgrund der Wegwerfinstrumente teurer.
Für Thomas W. war der minimalinvasive Eingriff mittels der da-vinci-Robotertechnik erfolgreich. Wie vermutet, handelte es sich um eine gutartige Geschwulst der Thymusdrüse, die Mediziner Thymom nennen. Der offene Eingriff am Brustkorb ist ihm erspart gebleiben. Nach sechs Tagen wird er aus der Klinik entlassen. Er nimmt noch Schmerzmittel, muss sich schonen und darf nicht schwer heben.
Zweimal die Woche erhält er Atemtraining, um sein Lungenvolumen wieder aufzubauen. Nach rund 14 Tagen werden ihm die Fäden gezogen. Im weiteren Verlauf kommt es noch zu einer Lungenentzündung. Doch die ist nach einigen Tagen der Behandlung überstanden. Bis er wieder hundertprozentig fit ist, muss er noch fleißig Atemtraining betreiben. Das wird allerdings noch etwas dauern.
Die ausführliche Reportage können Sie nachlesen auf den Gesundheitsseiten im Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben Folge 51/52 vom 19. Dez. 2019.
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