Depressionen behandeln

Wege aus seelischer Not

Depressionen machen das Leben schwer. Um depressive Episoden durchzustehen, sind Therapien hilfreich, die Menschen ganzheitlich im Blick haben. Seit einigen Jahren gibt es das Konzept der Genesungsbegleiter.

Bis zu seinem 34. Lebensjahr führt Reiner Ott ein normales Leben. Er hat Hobbys, pflegt soziale Kontakte und arbeitet viel. Die Arbeit ist ihm sehr wichtig, denn sie vermittelt ihm das Gefühl, „gesehen zu werden“, wie er sagt. Eine 70-Stunden-Woche wird zur Regelarbeitszeit. Damit er das Pensum schafft, putscht er sich morgens mit Kokain auf. Abends raucht er Cannabis, um wieder runterzukommen.

Dann gerät sein Leben völlig aus den Fugen. Der Liebe wegen zieht er nach Berlin. Doch die Beziehung scheitert und alsbald schlittert er in die Langzeitarbeitslosigkeit. Soziale Kontakte hat er nicht und verkriecht sich immer häufiger in seine dunkle Hinterhofwohnung. Er fühlt sich elend und erschöpft, ist hoffnungs- und antriebslos. In dieser psychischen Krise versucht er, sich das Leben zu nehmen.

Depression behandeln

Wer wie Reiner Ott an einer schweren Depression erkrankt, leidet unter einem anhaltenden Stimmungstief, aus dem sich Betroffene nicht mehr befreien können. Psychische Störungen oder Erkrankungen lassen sich unterschiedlich therapieren. Nicht selten werden Antidepressiva verordnet, deren Einsatz umstritten ist.

Äußerst kritisch setzt sich mit diesem Thema „Die Klinke“, der Verein für psychosoziale Arbeit im Kreis Herford, auseinander. Auf ihrer jüngsten Tagung standen daher Vorträge auf dem Programm, die sich mit Behandlungsmöglichkeiten alternativ zur medikamentösen Therapie von Depressionen befasste. Zu Gast war auch Reiner Ott, der mittlerweile gelernt hat, mit seiner Erkrankung zu leben und seit vier Jahren als Genesungsbegleiter tätig ist.

Betroffene begleiten andere

„Ich verstehe mich als Betroffenenfürsprecher“, sagt der 50-jährige Genesungsbegleiter. Dahinter steht die Idee, dass sich Menschen, die selbst eine psychische Krise durchlebt haben, besser in Patienten in ähnlichen Situationen hi­neinversetzen und anders helfen können als Fachpersonal.

Diese Erfahrung machte auch Reiner Ott, als er nach mehreren Aufenthalten in der Psychiatrie und in Tageskliniken schließlich in der ambulanten Sozialpsychiatrie eine EX-IN-Genesungsbegleiterin an die Seite gestellt bekommt. Diese unterstützte ihn, seine persönlichen „Baustellen“ wie Wohnungssuche oder fehlende soziale Kontakte zu meistern.

2013 lässt sich Reiner Ott ebenfalls zum Genesungsbegleiter fortbilden und arbeitet als solcher seit 2014 stundenweise beim Verein Genesungsbegleitung und Peerberatung Hamburg e. V. Hier begleitet er Menschen mit seelischen Einschränkungen und hilft nicht nur ihnen, sondern auch sich selbst. Denn er verbindet damit eine sinnbringende und erfüllende Aufgabe. Näheres auch unter www.ex-in.nrw.

Aus der Naturheilkunde

Auch naturheilkundlich lassen sich Depressionen behandeln, wie Dr. Rainer Stange, Internist und Experte für Naturheilverfahren und physikalische Therapie am Immanuel Krankenhaus Berlin, informierte.

Demnach kann eine Weißlichttherapie für Menschen mit leichten bis mittelgradigen Episoden sowie einer saisonal abhängigen Depression wie der „Winterdepression“ erwogen werden. Als Lichtquelle kommen Geräte infrage, die weißes, fluoreszierendes Licht erzeugen und den UV-Anteil herausfiltern. Für eine halbe Stunde – am besten direkt nach dem Aufstehen – sollte eine Lichtintensität von 10 000 Lux auf den Augenhintergrund fallen. „Es reicht schon, wenn Sie vor dem Gerät Zeitung lesen oder frühstücken“, informierte der Experte.

Auch der Einsatz von Johanniskraut sei stimmungsaufhellend. Zu beachten sind allerdings Nebenwirkungen wie eine erhöhte Lichtempfindlichkeit oder Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten.

Das Verhalten ändern

Über Möglichkeiten einer kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) informierte Sandra Münstermann, psychologische Psychotherapeutin aus Bielefeld. „Grundvoraussetzung für die Therapie ist, dass die Beziehung zum Therapeuten gut ist“, erklärte die Dipl.-Psychologin.

Um das herauszufinden, können Patienten zunächst vier Sitzungen in Anspruch nehmen. Patienten sollten darauf achten, dass ihnen der Therapeut sympathisch ist und er ihnen wertfrei begegnet. „Sie müssen sich von ihm ernst genommen und verstanden fühlen.“ In der KVT werden psychische Erkrankungen als Folge ungünstiger Erfahrungen in der Vergangenheit verstanden. Aber auch Gedanken, negative Einstellungen und Gefühle spielen dabei eine Rolle.

Bloß keine „Schoneritis“

In der Therapie mit depressiven Menschen gehe es vor allem da­rum, Symptome zu reduzieren und wieder Antrieb und Lebensfreude aufzubauen. Nach dem Prinzip „Ich fange an, wieder aktiv zu werden, ohne Lust und obwohl mein Körper sagt, heute ist ein ganz schlechter Tag dafür“ werde verbindlich vereinbart, was für den Patienten machbar ist. Und das könne zunächst sein, dass er zu einer bestimmten Uhrzeit aufsteht.

Den vollständigen Beitrag lesen Sie auf den Gesundheitsseiten der Wochenblattausgabe 39/2018.

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