Was ist Diabetes mellitus?

Diabetes ist mehr als Insulinmangel. Wir haben den Diabetologen Prof. Dr. Michael Nauck gefragt, was sich hinter dem Begriff „Alterszucker“ verbirgt.

WOCHENBLATT: Wie verbreitet ist die Erkrankung Diabetes?
NAUCK: Es gibt verschiedene Diabetesformen, aber der Diabetes mellitus Typ 2, auch als „Alterszucker“ bekannt, ist die bei Weitem häufigste Form. Allein in Deutschland leben 7 bis 8 Mio. Menschen mit dieser Diagnose. Schätzungen zufolge liegt die Dunkelziffer noch etwa 50 % darüber. Mit steigendem Lebensalter nimmt die Wahrscheinlichkeit, an „Altersdiabetes“ zu erkranken, zu.

WOCHENBLATT: Was ist Diabetes und welche Unterschiede gibt es bei den verschiedenen Diabetes-Typen?
NAUCK: Bei einem Menschen mit Diabetes produziert die Bauchspeicheldrüse entweder zu wenig oder fast gar kein Insulin. Dieses Hormon wird benötigt, um den Zucker aus der Nahrung vom Blut in das Gewebe zu transportieren. Fehlt Insulin, steigt der Blutzucker an. Bei Personen mit Typ-1-Diabetes wird gar kein Insulin mehr produziert. Diese Menschen sind sofort auf eine Insulintherapie angewiesen. Anders sieht es aus beim Diabetes Typ 2. Hier ist die Insulinproduktion eingeschränkt oder es liegt eine Insulinresistenz vor. Das bedeutet, dass das Insulin nicht mehr so gut wirkt. Die Erkrankung ist aber nicht allein auf den Blutzucker beschränkt. Es ist eine komplexe Erkrankung, die oft im Zusammenhang steht mit Übergewicht, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen.

WOCHENBLATT: Zu welchen Folgeerkrankungen kann Diabetes führen?
NAUCK: Hohe Blutzuckerwerte richten Schäden an den Blutgefäßen an. Außerdem führt Diabetes zu Nervenveränderungen. So ist vor allem das Schmerzempfinden in den Füßen gestört. Zusammen mit den diabetesbedingten Durchblutungsstörungen kommt es häufig zum diabetischen Fußsyndrom, das sind schlecht heilende Wunden an den Füßen. Häufig sind auch die Nieren in Mitleidenschaft gezogen. Ferner treten bei Patienten mit Diabetes oft Schäden an den Augen auf. Untersuchungen haben gezeigt, dass eine Diabeteserkrankung die Lebenserwartung um 10 bis 15 Jahre verkürzt. Durch eine gute Blutzuckereinstellung lassen sich die Folgeerkrankungen wesentlich reduzieren bzw. hinauszögern.

WOCHENBLATT: Mit welchen Symptomen macht sich die Krankheit bemerkbar?
NAUCK: Diabetes Typ 2 ist eine Erkrankung, die zunächst keine Beschwerden macht. Häufig wird die Diagnose zufällig, zum Beispiel bei einer Vorsorgeuntersuchung, gestellt. Dann kann die Erkrankung jedoch schon zu ersten bleibenden Schäden geführt haben, denn unter Umständen besteht der Diabetes schon seit bis zu zehn Jahren. Deshalb ist eine frühzeitige Diagnose wichtig. Menschen, bei denen verschiedene Risikofaktoren zusammenkommen, sollten alle zwei bis drei Jahre überprüfen lassen, ob sie an Diabetes leiden.

WOCHENBLATT: Welche Menschen sind besonders gefährdet, an Diabetes zu erkranken?
NAUCK: Zu den Risikofaktoren gehören Übergewicht und Bluthochdruck sowie ein Schwangerschaftsdiabetes in der Vergangenheit. Ebenso spielt die erbliche Veranlagung eine Rolle. So erkranken Menschen, deren Eltern oder Geschwister an Diabetes leiden, häufiger. Eine große Rolle spielt jedoch der Lebensstil. Bei gesunder Lebensweise mit einer ausgewogenen Ernährung und viel Bewegung bricht die Krankheit möglicherweise trotz erblicher Vorbelastung nicht aus. Die Tatsache, dass Diabetes heute so häufig auftritt, ist auch darauf zurückzuführen, dass in Deutschland ein ungünstiger Lebensstil weit verbreitet ist.

WOCHENBLATT: Lässt sich Diabetes vorbeugen?
NAUCK: In gewissem Rahmen hat jeder Mensch die Möglichkeit, einer Diabeteserkrankung vorzubeugen. Wichtigste Aspekte dabei sind eine ausgewogene, fettarme Ernährung und regelmäßige Bewegung. Die Erkrankung entsteht nicht durch übermäßigen Verzehr von Zucker, wie viele meinen. Das Fett in der Torte macht den Diabetes, nicht der Zucker. Wul