Was im Notfall zu tun ist

Omas Tabletten geschluckt oder eine klaffende Platzwunde am Kopf – Gründe für eine notärztliche Versorgung von Kindern gibt es viele. Kennen Sie Erste Hilfemaßnahmen bei Unfällen und Vergiftungen?

Der zweijährige Jan ist unternehmungslustig und neugierig. Bei einem Besuch der Großeltern hat es ihm ein blinkender Ball angetan.

Während die Familie bei Kaffee und Kuchen zusammensitzt, hat Jan es geschafft, das Batteriefach zu öffnen. Als die Mutter ihn husten und würgen hört, ist die Knopfzelle verschwunden. Jan weint und speichelt und würgt Schleim hoch, sodass die Eltern mit ihm die kinderärztliche Notfallambulanz aufsuchen. Jan wird aufgrund der Symptomatik direkt stationär aufgenommen. Ein Röntgenbild bestätigt, dass die Knopfzelle in der Speiseröhre stecken geblieben ist. Während einer kurzen Narkose wird ihm diese entfernt.

Jan hat Glück gehabt. Bereits zwei Stunden nach dem Verschlucken zeigte sich die Speiseröhre an der Stelle, an der die Knopfbatterie festsaß, bereits stark gerötet. Es hatte sich Salzsäure an der Anode und Natronlauge an der Kathode der Batterie gebildet. Wäre die Knopfbatterie nicht rechtzeitig entfernt worden, hätte sie die Speiseröhre innerhalb weniger Stunden verätzt.

Unfälle meist vermeidbar

Glücklicherweise sind Situationen, die eine notärztliche Versorgung erfordern, im Kindesalter selten. Sie machen weniger als elf Prozent aller Notarzteinsätze aus.
Bei den meisten Unfällen mit Kindern in Alter von unter zwei Jahren handelt es sich um Stürze, zum Beispiel vom Wickeltisch. Unfallort ist meist der häusliche Bereich. Kleinkinder verschlucken oft Gegenstände oder vergiften sich durch Tabletten der Großeltern, da sie die bunten Pillen für Bonbons halten. Bei den über Fünfjährigen stehen Verletzungen durch Sport, Freizeit oder Verkehrsunfälle im Vordergrund.
Verletzung im Kopfbereich

Kleine Unfälle und Stürze auf den Kopf lassen sich gerade bei Kleinkindern, die das Laufen erlernen, nicht vermeiden. Kleine Beulen kann man kühlen und das Kind wird getröstet. Blutende Platzwunden am Kopf lassen sich mit einem sauberen Tuch und mit sterilem Verbandsmaterial versorgen. Manchmal muss zur Blutstillung ein Druckverband angelegt werden. Empfehlenswert ist eine schmerzfreie Desinfektion mit Octenisept Spray.

Liegen frische Wunden vor, sollte stets geprüft werden, ob ein vollständiger Tetanusschutz besteht. Im Zweifelsfall muss geimpft werden. Klagt ein Kind über Kopfschmerzen, erbricht es oder kann sich nicht mehr an die Ereignisse vor dem Sturz erinnern, oder ist es gar bewusstlos gewesen oder blutet aus Nase oder Ohr, gehört es ins Krankenhaus zur Überwachung. Denn auch bei anfangs völlig unauffälligem Kind kann sich innerhalb eines Zeitraums von bis zu 72 Stunden eine gefährliche Sickerblutung im Schädelinneren entwickeln.

„Gift fürs Kind“

Etwa vier Prozent der Notfälle im Kindesalter sind auf Vergiftungen zurückzuführen. Neben Medikamenten, Zigaretten, ätzenden Stoffen sind hierfür auch Waschmitteln und Spirituosen verantwortlich. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat eine kostenlose Vergiftungs-App für Smartphones herausgegeben, die in den Play Stores heruntergeladen werden kann. Sie enthält Informationen zu giftigen Pflanzen, Pilzen, Medikamenten, aber auch Haushaltschemikalien und stellt bei Bedarf die telefonische Verbindung zur nächsten Giftinformationszentrale her.

Wichtige Adressen
Unter www.giftnotruf.de finden sich weitere Informationen. Die Telefonnummer der Giftnotrufzentrale Bonn ist Tel. (02 28)-1 92 40.
Unter www.kinderaerzte-im-netz.de können kostenlose Merkblätter zur Unfallverhütung heruntergeladen werden.

Bei allen Vergiftungen gilt: Keine Panik – Ruhe bewahren! Es ist von zentraler Bedeutung zu wissen, was und wie viel das Kind zu sich genommen hat. Daher sollte immer das Behältnis oder Muster der Substanz, oder bei Pflanzen ein Zweig, Blätter oder Früchte mitgenommen werden, um eine sichere Zuordnung zu ermöglichen.

Wichtig Erstmaßnahmen

Als Erstmaßnahme kann man dem Kind ein Glas Wasser, Tee oder Saft zu trinken geben. Milch sollte nicht getrunken werden, da durch Milch manche Giftstoffe beschleunigt aufgenommen werden.
Auf keinen Fall dem Kind Salzwasser geben, um Erbrechen auszulösen. Salzwasser kann selbst eine lebensbedrohliche Vergiftung verursachen und Erbrechen kann zum Eindringen in die Lunge führen. Außerdem würde durch Erbrechen der verschluckten ätzendenden Stoffe die Speiseröhre ein zweites Mal verätzt.

Finden Eltern ein Kind bewusstlos und/oder krampfend vor oder bei sonstigen lebensbedrohlichen Ereignissen sollte sofort die Telefonnummer 112 gewählt werden. Diese Nummer ist in fast allen europäischen Ländern einheitlich.

In jedem Fall gilt es, Ruhe zu bewahren und die Fragen der Notrufzentrale zu beantworten. Normalerweise werden bei einem Notruf von der Zentrale die fünf „W`s“ abgefragt:

  • Wer ruft an?
  • Was ist passiert?
  • Wann ist es passiert?
  • Wie viel hat das Kind eingenommen? (bei Vergiftungen)
  • Wie geht es dem Kind? Wie schwer ist das Kind?

Dr. Schulze-Everding