Gentechnik

Was darf die Gentechnik?

Die Frage, ob ein Kind gesund ist, stellt sich heute oft schon vor der Geburt, manchmal sogar schon vor der Befruchtung. Aber wie weit kann und wie weit darf die Gentechnik in der vorgeburtlichen Diagnostik gehen?

Ein gesundes Kind ­– das ist der größte Wunsch vieler junger Paare. Kinderlosigkeit oder Erbkrankheiten waren lange Zeit ein unabwendbares Schicksal. Inzwischen ist das anders. Der medizinische Fortschritt, vor allem aber die Gentechnik, kann heute vielen kinderlosen Paaren zu einem Kind verhelfen. Die vorgeburtliche Diag­nostik erlaubt es außerdem, einige Erbkrankheiten oder Gendefekte schon früh in der Schwangerschaft zu erkennen. So manches Kind, das schwer krank auf die Welt kommen würde, wird heute gar nicht erst geboren.

Aber wie weit darf die Gentechnik in die Natur eingreifen? Einen Überblick über das, was machbar ist, und das, was in Deutschland erlaubt ist, gibt Prof. Dr. Frank Tüttelmann vom Institut für Humangenetik an der Universitätsklinik Münster.

Fragwürdige Gentests im Internet

Zunächst ist festzustellen: Die meisten Kinder kommen gesund zur Welt. Das Basisrisiko, dass ein Kind bei der Geburt an einer Erkrankung leidet, liegt bei 4 %. Im Internet sind heute Tests erhältlich, mit denen sich dieses Risiko reduzieren lassen soll. Ein Anbieter verspricht, 331 Gene der Eltern auf Anomalien hin zu untersuchen. Solche Tests sind teuer und dürfen in Deutschland nur nach ärztlicher Beratung erfolgen. Anders als in anderen Ländern darf der Patient nicht direkt die Ergebnisse des Tests erhalten. Das ist auch gut so, findet Prof. Tüttelmann. Ohnehin könne ein solcher Test keine Garantie für ein gesundes Kind geben. Denn der Mensch hat etwa 20  000 Gene. Mit dem genannten Test ließe sich das Basisrisiko lediglich um 0,4 % senken.

Präimplantationsdiagnostik

Jeder Mensch ist Träger von etwa zehn Erbkrankheiten, erklärt Prof. Tüttelmann. Träger zu sein bedeutet, dass ein Mensch nicht an der Krankheit leidet, sie aber vererben kann. Sind zwei Partner Träger der gleichen Erbkrankheit, liegt das Risiko, dass ihr Kind an der Krankheit leidet, bei 25 %.

In solchen Fällen hat sich die sogenannte Präimplantationsdiagnostik (PID) etabliert. Die PID umfasst genetische Untersuchungen an einem Embryo, der im Reagenzglas erzeugt wurde. Sie ist in Deutschland nur dann zugelassen, wenn eine schwere Erkrankung des Kindes oder eine Fehl- bzw. eine Totgeburt droht. Vor einer PID ist eine Beratung Pflicht. Außerdem muss eine Ethikkommission zustimmen. Die Krankenkassen zahlen für die PID, die mitunter mehr als 10  000 € kostet, nicht.

Pränataldiagnostik

Viel häufiger als die PID kommt die Pränataldiagnostik zum Einsatz, also Testverfahren in der Schwangerschaft. Neben den herkömmlichen Untersuchungen, die von der Krankenkasse bezahlt werden, können Schwangere weitere Tests auf eigene Kosten machen lassen. Dazu zählt zum Beispiel ein Bluttest, um eine Chromosomenstörung festzustellen. Darüber lässt sich mit hoher Sicherheit zum Beispiel eine Trisomie 21, besser bekannt als Down-Syndrom, diagnostizieren. Weitere Test sind die Nackenfaltenmessung, die Chorionzottenbiopsie, also die Untersuchung von Plazentazellen, und die Fruchtwasser-Untersuchung. Bei all diesen Tests rät Prof. Tüttelmann den werdenden Eltern dringend, sich vorab gut zu informieren. Das Paar sollte sich vorher über die Konsequenzen im Klaren sein, wenn das Testergebnis eine Erkrankung anzeigt.

CRISPR – Fluch oder Segen?

Eine recht neue Methode der Gentechnik ist die Genschere, auch CRISPR genannt. Dabei werden gezielt zum Beispiel Teile eines defekten Gens entfernt, ohne jedoch fremdes Genmaterial einzuschleusen. Die Methode ist vielversprechend, aber äußerst umstritten. Gerade erst stellten Forscher fest, dass die Genschere recht häufig ungewollte Mutationen auslöst.

Beim Menschen wäre es mit CRISPR zum Beispiel möglich, Gendefekte schon in den Keimzellen der befruchteten Eizelle zu beheben. Das hätte weitreichende Folgen. Ein solcher Vorgang stellt einen Eingriff in die Keimbahn dar und bedeutet, dass die Genveränderung erblich wird. Anders ist es bei der somatischen Therapie, wenn also beim erkrankten Menschen Gene verändert werden. Das kann sinnvoll sein, wenn eine schwere genetisch bedingte Erkrankung festgestellt wird. In diesem Fall wäre die Genveränderung nicht erblich.

Guter Hoffnung sein

Bei all den Möglichkeiten der Gendiagnostik und -therapie sollten werdende Eltern aber nicht den Blick für das Wesentliche verlieren. Es gibt viele verschiedene Erbkrankheiten. Wenn davon eine durch aufwendige Diagnostik ausgeschlossen wird, bleibt dennoch das Basisrisiko von 4 %. Das ist aber kein Grund, sich verrückt machen zu lassen. Prof. Tüttelmann rät allen zukünftigen Eltern: „Seien Sie guter Hoffnung und bleiben Sie es!“

Den ausführlichen Artikel lesen Sie im Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben, Folge 34/2018, auf den Gesundheitsseiten.

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