Transgender

Transgender: Kinder sein lassen, wie sie sind

Wenn der Körper nicht zur Identität passt, kann die Medizin helfen. Wie, das erklärt der Kinder- und Jugendpsychologe Prof. Dr. Georg Romer vom Universitätsklinikum Münster.

Wochenblatt: Gefühlt ist die Zahl der Transpersonen in den vergangenen Jahren enorm gestiegen. Ist das eine Modeerscheinung?

Prof. Georg Romer: Wir haben in Münster in den vergan­genen acht Jahren über 600 Transitionen begleitet. Die aller­meisten Jugendlichen hechten nicht einer Mode hinterher, sondern sie sagen: „Ich will der sein, der ich bin.“ Es sind ja keine Mädchen, die Jungs sein wollen, sondern es sind gefühlte Jungs in Mädchenkörpern.

Queer zu sein als Ausprobier­phase, das ist tatsächlich für manche Jugendliche ein bisschen hipp. Manche nutzen das als Phase der Selbstfindung. Dafür brauchen sie keine Hormonbehandlung. Die Frage, ob jemand an seiner inners­ten Identität vorbeikommt oder nicht, ist eine völlig andere. ­Schätzungen zufolge sind etwa 0,3 bis 0,7 % der Bevölkerung trans­gender.

Wann ist der Zeitpunkt, an dem eine Person sich über ­seine Identität sicher ist?

Prof. Georg Romer: Es gibt Kinder, die schon mit drei Jahren vehement das jeweils andere Geschlecht für sich einfordern. Solche Kinder sind der Beweis dafür, dass das mit sozialer oder kultureller Beeinflussung überhaupt nichts zu tun hat. Aus irgend­einem Grund ist das, was Geschlechtsidentität prägt, im Gehirn als Schalter andersrum gepolt. Dann sagt das dreijährige Kind nicht: Ich wäre lieber ein Junge. Es sagt: Ich bin ein Junge! Die Identitätsfindung – das bedeutet, dass jemand zu seiner inne-ren Gewissheit kommt – kann aber bis ins Erwachsenenalter ­hineinreichen.

Schwierige ethische Entscheidung

Wie können Eltern ihr Kind ­dabei unterstützen?

Prof. Georg Romer: Sie sollten ihm die Möglichkeit geben, sich sozial auszuprobieren. Das Kind kann in dem anderen Geschlecht leben, ganz ohne medizinische Intervention. Das geht über die Kleidung, die Frisur oder über einen neuen Rufnamen.

Wenn es um medizinische Eingriffe geht, stehen das Kind, die Eltern und auch die behandelnden Me­diziner...