Bei „Transgender“ denken manche an die Kiez-Ikone Olivia Jones oder an den Christopher Street Day (CSD). In dieses Bild mag Levi Kirchhoff so gar nicht passen. Er geht zwar auch zum CSD, aber mit den schillernden Persönlichkeiten, die sich dort zeigen, hat er wenig gemein. Die schwarzen Haare sind kurz geschnitten, die Kleidung unauffällig. Levi will einfach nur so sein wie er ist. Bis er sich selbst über seine Identität im Klaren war, hat es jedoch lange gedauert.
Bloß nichts Pinkes anziehen
Levi wurde vor 18 Jahren als Alexandra geboren. Er lebt mit seinen Eltern in Rödinghausen, Kreis Herford. Schon als Kind hat er sich für „Jungs-Sachen“ interessiert. Er spielte Fußball, liebte seine Carrera-Bahn und weigerte sich, etwas Pinkes anzuziehen. Ein burschikoses Mädchen, soweit nicht ungewöhnlich. Ungewöhnlich war nur, dass er sich selbst Luke nannte.
Mit zwölf Jahren schaute er sich erstmals Dokumentationen zum Thema Transgender an. Seine Mutter fragte ihn einmal: „So bist du nicht, oder?“ Das verneinte er. Im Grunde hätte er aber schon damals gerne als Junge gelebt. „Manchmal habe ich die Augen zugemacht und gedacht: Lieber Gott, mach, dass ich ein Junge bin.“
Als die Menstruation einsetzte, resignierte er. „Da hab ich gedacht, ich muss mich damit abfinden.“ Seiner Mutter zuliebe ließ er die Haare länger wachsen und kleidete sich weiblicher. Zur Konfirmation zog er sogar ein Kleid an und ließ sich die Haare flechten. Wohlgefühlt hat er sich damit nicht. Deshalb blieb das eine Ausnahme. Die Haare wurden wieder kurz, die Kleidung maskuliner – nach außen hin ein maskulines Mädchen. Damit hätte er leben können – wenn nicht der Busen gewesen wäre. „Durch die wachsenden Brüste habe ich mich dick gefühlt“, beschreibt der Schüler. Um dem entgegenzuwirken, aß er nur noch sehr wenig. Das führte schließlich zu einer regelrechten Essstörung.
Outing war ein Schock für die Eltern
Immer wieder träumte Levi davon, ein Junge zu sein. Er informierte sich in Internetforen über die Möglichkeiten einer Transition. Als solche wird der Prozess bezeichnet, in dem eine Transperson soziale, körperliche oder juristische Änderungen vornimmt, um die eigene Geschlechtsidentität auszudrücken. Anfang 2021 fasste Levi schließlich den Mut, mit seinen Eltern darüber zu reden.
„Das war für sie ein Schock, vor allem für meine Mutter. Ich war schließlich ihr Mädchen“, bedauert er. Levi erklärte seiner Mutter: „Wenn ich die Chance hätte, mich so wohlzufühlen wie ich bin, würde ich das gerne annehmen. Aber ich will diesen Mädchenkörper nicht.“ Nach einiger Zeit haben sich seine Eltern damit abgefunden und unterstützen ihn auf seinem Weg. Der jedoch ist lang.
Das Outing verlief relativ problemlos. Seine Mitschüler informierte er per WhatsApp und bat sie, ihn künftig Levi zu nennen. Die Reaktionen darauf waren durchweg positiv. Dennoch war diese Phase der Selbstfindung belastend für ihn und streckenweise von Depressionen begleitet.
Langes Warten auf den Therapieplatz
Schwieriger als das Outing ist der medizinische Weg. Für Levi steht fest, dass er eine Transition möchte. Er wünscht sich eine tiefere Stimme, kantigere Gesichtszüge und die Brust muss weg. Das ist aber gar nicht so einfach. Zunächst musste er einen Psychologen finden, der die Geschlechtsidentitätsstörung bestätigt. „Ich habe viele Psychologen angerufen. Doch alle haben gesagt, dass sie das nicht machen“, berichtet er. Schließlich wendet er sich an die Uniklinik Münster. Dort bekommt er einen Termin – aber erst in fünf Monaten. Als er endlich das Gutachten, das er für eine Hormonbehandlung braucht, in der Tasche hat, beginnt die Suche nach einem Endokrinologen, der die Therapie durchführt. Auch hier gibt es lange Wartezeiten. „Mit etwas Glück bekomme ich jetzt Ende Januar einen Termin“, hofft er.
Alte und neue Freunde
Sozial lebt Levi schon heute als Mann. „Ich werde auch oft als Mann erkannt“, freut er sich. Seine Eltern haben gelernt, ihn zu akzeptieren wie er ist – zumindest weitgehend. „Sie sagen zu mir zwar Levi, aber sie. Das nervt mich, aber ich verstehe das“, sagt er. Bei den Verwandten ist die Reaktion unterschiedlich. Eine Tante beharrt bis heute darauf, ihn bei seinem alten Namen zu nennen. Sein Freundeskreis steht zu ihm, genauso wie vor seinem Outing. Aus der queeren Community sind einige neue Freunde hinzugekommen. Hier findet er viel Unterstützung.
Levi hat schwierige Zeiten hinter sich und noch einen langen Weg vor sich. Im Moment kommt er „gut durch“ wie er selbst sagt. Dennoch: „Es fehlt noch etwas, damit ich mit mir zufrieden bin.“
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