Sportunfall mit Folgen

Geht ein Zahn verloren, ersetzen Implantate die natürliche Zahnwurzel. Auf sie lässt sich Zahnersatz anbringen. Das hat Anke Winkler nach einem Unfall erfolgreich machen lassen.

Anke Winkler ist elf Jahre alt als sie sich bei einem Sportunfall in der Schule drei Zähne ausschlägt.

„Die beiden oberen Schneidezähne waren raus und ein dritter Frontzahn locker“, berichtet die 44-Jährige aus Siegen. Die beiden Schneidezähne werden replantiert, in der Hoffnung, dass sie wieder anwachsen. Doch das gelingt nicht hundertprozentig. Die Zähne bleiben locker. „Zubeißen konnte ich damit nicht. Schließlich verfärbte sich mit den Jahren ein Zahn rosa und fiel aus“, sagt Anke Winkler. Da war sie 18 und mittlerweile alt genug für eine Behandlung mit Implantaten.

1991 lässt sie sich bei einem Implantologen drei Einzelimplantate setzen. Der Aufwand ist groß, denn mittlerweile hat sich der Kieferknochen stark zurückgebildet. Das ist ein ganz normaler Prozess. „Denn wo Zähne verloren gehen und keine ständige Druck- und Zugbelastung mehr auf dem Kiefer lastet, schrumpft die Knochensubstanz in der Höhe und Breite“, erklärt Dr. Frank Lösser, bei dem die junge Tierärztin seit sieben Jahren in Behandlung ist.

Doch ein Implantat muss von allen Seiten knöchern umschlossen sein, damit es sich festsetzen lässt und langfristig Erfolg zeigt. Fehlt Knochen im Oberkiefer, lassen sich Implantate oft nicht setzen. Die Spitzen der Implantate würden in die Kieferhöhle ragen. Auch wäre vorn das Aussehen beeinträchtigt und der Halt gefährdet.

„Daher sollte spätestens 10 bis 12 Wochen nach Zahnverlust ein Implantat gesetzt werden“, informiert Implantologe Lösser. Für diesen Eingriff war Anke Winkler damals allerdings noch zu jung. Da bei Kindern und jugendlichen Patienten das Knochenwachstum noch nicht abgeschlossen ist, wird der festsitzende Zahnersatz bei Mädchen erst ab etwa 18 Jahren und bei Jungen erst ab dem 20. Lebensjahr durchgeführt.

Generell muss der behandelnde Arzt abwägen, ob ein Zahnimplantat für den Patienten überhaupt geeignet ist. Denn es gibt Kriterien, die gegen diese Versorgung sprechen. Siehe Kasten „Risiko abwägen“.
Dr. Frank Lösser zählt dazu vor allem die intravenöse Versorgung von Osteoporose- und Tumorpatienten mit Bisphosphonaten. „Diese Wirkstoffe greifen zu sehr in den Knochenstoffwechsel ein, sodass eine Versorgung mit Implantaten nicht in Frage kommt. Das wissen viele Patienten nicht.“ Bei Rauchern oder Patienten mit einem Diabetes mellitus müsse die Aussicht auf Erfolg abgewogen werden.

Knochenaufbau notwendig

Als Anke Winkler mit etwa 18 Jahren Implantate erhalten soll, ist nicht mehr ausreichend Knochen im Oberkiefer vorhanden und ihr wird Knochensubstanz in den Kie- fer eingebracht. Damit ist sie kein Einzelfall. „Heute muss bei sehr vielen Patienten Knochen- oder auch Weichteilgewebe aufgebaut werden“, erklärt der Implantologe. Es können künstliche Ersatzmaterialien eingebracht werden oder auch eigener Knochen.

Risiko abwägen
Bei Patienten, die eine oder mehrere der folgenden Kriterien erfüllen, besteht ein Gesundheitsrisiko bzw. ist die Aussicht auf eine erfolgreiche Behandlung fraglich:
■ Kinder und Jugendliche;
■ schwere Herz-Kreislauferkrankungen;
■ schwere Gerinnungsstörungen;
■ Autoimmunerkrankungen; ■ Patienten mit transplantierten Organen;
■ ausgeprägte Stoffwechselstörungen;
■ instabiler Diabetes mellitus;
■ Zustand nach Strahlen- oder Chemotherapie;
■ Knochenerkrankungen;
■ Knochentumoren;
■ Einnahme von Bisphospho- naten;
■ Nikotin-, Drogen, Alkoholmissbrauch;
■ mangelnde Mundhygiene und Mitarbeit.

„Soll mit eigenen Material gearbeitet werden, entnehmen wir den benötigten Knochen aus dem hinteren Teil des Unterkiefers. Sehr häufig werden jedoch auch nicht körpereigene Materialien verwendet“, sagt Dr. Frank Lösser. Ein eigener oder fremder Knochenspan wird anschließend im Bereich des Kieferknochendefektes eingepasst und mit winzigen Titanschrauben fixiert. Anschließend werden Knochen- und Schleimhaut über der aufgefüllten Stelle vernäht und das Implantat kann einwachsen.

„Die Einheilungsphase dauert im Unterkiefer mindestens drei und im Oberkiefer mindestens sechs Monate“, berichtet der Experte. Unter bestimmten Voraussetzungen lassen sich auch Implantate setzen, die sofort belastet werden können. Ein Zahnimplantat ist in der Regel ein schraubenförmiger Metallstift aus Titan.

Dieses Material ist stabil genug, um späteren Kaubelastungen standzuhalten und sehr gut verträglich. Sollte es dennoch zu Unverträglichkeiten kommen, was selten der Fall ist, kann alternativ auf Zirkonoxid-Keramik zurückgegriffen werden. Dieser Stoff ist jedoch wesentlich teurer als Titan. Ist das Implantat mit dem umliegenden Knochen verwachsen, dient es als künstliche Zahnwurzel. Es hat in der Regel ein Außen- und Innengewinde, mehrere Schrauben sowie Fassungen, die ineinander greifen, auf die sich dann eine einzelne Zahnkrone anbringen lässt.

Gute Pflege ist wichtig

Bei größeren Lücken oder wenn der Kiefer völlig zahnlos ist, sind zwei oder mehr Implantate nötig, um darauf eine Zahnbrücke oder Teil- sowie Vollprothesen fixieren zu können. „Für eine festsitzende Vollprothese werden durchschnittlich vier Implantate im Unterkiefer und sechs im Oberkiefer gesetzt“, informiert der Zahnarzt.

Bei sorgfältiger Pflege halten Zahnimplantate bei den meisten Patienten problemlos mehr als zehn Jahre. Um dies zu gewährleisten, sollten die Zähne täglich zweimal geputzt werden. Bei Bedarf auch unter Einsatz von Zahnseide, Zahnhölzern, Zahnzwischenbürsten, etc. Eine halbjährliche professionelle Zahnreinigung und Kontrolle durch den Zahnarzt ergänzt die Mundhygiene.
Problem: Periimplantitis

Anke Winkler erhält nach dem Knochenaufbau drei Einzelimplantate mit Krone. Damit kommt sie gut zurecht bis sie 2009 eine Komplikation zu Dr. Frank Lösser führt. „Trotz guter Mundhygiene hatte ich permanent einen schlechten Geschmack im Mund und Mißempfindungen im Frontzahnbereich“, erzählt die junge Frau. Das Zahnfleisch war rot und geschwollen und blutete vermehrt.

Die Symptome führen den Zahnexperten schnell zur Diagnose: Periimplantitis. Dabei handelt es sich um eine fortgeschrittene Entzündung des implantatumgebenden Zahnfleisches. Breitet diese sich bis in die Tiefe zum Kieferknochen aus, führt dies zum Abbau des Knochengewebes und unbehandelt zum Verlust des Zahnimplantates.

Die Periimplantitis hält Experte Lösser für ein häufig unterschätztes Problem: „Eine schwere Form der Entzündung tritt bei 25 Prozent der Implantate auf.“ In dem Fall muss die bakteriell infizierte Region dekontaminiert werden. Dieser Prozedur unterzieht sich auch Anke Winkler.

Dazu schneidet ihr der Implantologe das Zahnfleisch auf und befreit die Oberfläche des Implantates mit einem aminosäurehaltigen Pulver von Bakterien und infektiösem Gewebe. Die Patientin muss ihren Mund fortan täglich mit einer antimikrobiellen Chlorhexidinhaltigen Lösung spülen. Nach einigen Wochen und Kontrolluntersuchungen ist die Entzündung dann verschwunden.

Die Behandlung der Periimplantits hat Anke Winkler rund 440 € gekostet. Generell sollten gesetzlich krankenversicherte Patienten wissen, dass sie einen großen Teil der Kosten für ein Zahnimplantat und für alle damit im Zusammenhang stehenden Behandlungen nebst der Therapie von Folgeerkrankungen selbst finanzieren müssen. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen für die Versorgung zerstörter oder verlorener Zähne immer nur einen Festzuschuss, der je nach Zahn und Lage unterschiedlich hoch ausfällt.

Kostspielige Lösung

Grundlage der Berechnung ist die sogenannte Regelversorgung. Sie übernimmt die Kosten für Zahnersatz, der ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist. Der Zuschuss der Krankenkasse deckt zwar mindestens 50 % der Kosten einer Regelversorgung. Doch die Versorgung mit einem Einzelimplantat kostet ein Vielfaches mehr.

Wie viel genau, das lässt sich pauschal nicht sagen. Denn viele Faktoren beeinflussen den Preis: Jeder Kiefer ist anders, es gibt unterschiedliche Implantate, manche Zahnärzte übernehmen nicht alle Behandlungen und arbeiten mit Chirurgen oder Implantologen zusammen, mit denen er abrechnet etc. Wie viel im Einzelfall zu zahlen ist, führt der Zahnarzt im Heil- und Kostenplan auf.

Dr. Frank Lösser nennt ein Beispiel: „Im Fall einer Zahnlücke im Vorderzahnbereich mit Verblendung kann mit einem Brückenzuschuss von rund 480 € gerechnet werden“. Und schließlich lässt sich dem Zahnarzt doch noch eine grobe Preisangabe entlocken: „Die Gesamtkosten für ein Einzelimplantat ohne knochenaufbauende Maßnahmen liegen zwischen 1500 und 3500 €." Gerlinde Lütke Hockenbeck