Sehen mit den Ohren

Echoortung ist von den Fledermäusen bekannt. Doch auch einige blinde Menschen machen sich diese Technik zunutze, um sich zu orientieren.



Es erscheint wie ein Wunder: Blinde Kinder fahren auf ihrem Fahrrad durch die Stadt. Sie umfahren Autos, stoppen vor Mauern und wenn sie vor einem Menschen stehen, können sie sogar in etwa sagen, wie groß er ist. Solche Bilder sind im Internet zu finden.

Dahinter steckt eine Technik, die als Echoortung oder auch Klicksonar bezeichnet wird. Mittels Klicklauten, die die Kinder selbst durch Schnalzen mit der Zunge erzeugen, orientieren sie sich und erkennen Gegenstände nicht nur, sondern können auch in etwa beschreiben, worum es sich dabei handelt. Kann das wirklich funktionieren?

Je früher, desto besser

Dr. Klaus Mönkemeyer leitet das Institut für soziale Integration Sehbehinderter und Blinder mit Sitz in Köln. Seit vielen Jahren bildet der Erziehungswissenschaftler blinde Menschen, vor allem Kinder, im Bereich Orientierung und Mobilität aus. In diesen Bereich fällt auch die sogenannte Echoortung mittels Klicksonar.

Klicksonar – so geht's
Bei der bildgebenden Echoortung, auch „Klicksonar“ genannt, wird mit der Zunge ein Schnalz- oder Klicklaut erzeugt. Jeder Zungenklick erzeugt Schallwellen, die von allen Oberlächen im Umfeld von bis zu 200 m zu den Ohren des Blinden als schwache Echos zurück­prallen. Im Gehirn verarbeitet der Blinde die Echos in dreidimensionale Bilder. Auf ähnliche Weise orientieren sich Fledermäuse und Delfine in der Dunkelheit. Entwickelt hat diese Technik der US-Amerikaner Daniel Kish, der im Alter von einem Jahr erblindete.

„Je früher wir mit den Kindern arbeiten können, umso besser“, ist er überzeugt. Den Langstock gibt er Kindern, sobald sie anfangen zu laufen. Viele Kinder begleitet er dann für lange Zeit. In erster Linie geht es bei den wöchentlichen Trainings darum, dass die Kinder sich in ihrer Lebensumwelt zurechtfinden. Da sich dieses Umfeld ständig ändert – vom Elternhaus und dem Spielplatz vor Ort zum Kindergarten und später zur Schule –, sind die Kinder immer wieder auf die Unterstützung von Trainern wie ihm angewiesen.

Freude an Bewegung

Für Klaus Mönkemeyer geht es aber um mehr als nur um Orientierung. „Die Kinder sollen Bewegungserfahrung und Bewegungsfreude entwickeln“, ist ein wichtiges Ziel seiner Arbeit. Kinder, die ständig stürzen, haben keine Lust auf Bewegung. So weit darf es nicht kommen. Er schafft es sogar, Kinder zum Fahrradfahren zu bringen. Und das geht mithilfe der Echoortung per Klicksonar nun einmal besser als mit einem Langstock.

Dr. Mönkemeyer hat in den vergangenen Jahren sehr gute Erfahrungen mit der Echoortung gemacht. Er ist davon überzeugt, dass alle blinden Kinder davon profitieren könnten, wenngleich nicht alle gleichermaßen. „Das hat auch etwas mit den kognitiven Fähigkeiten des Kindes zu tun“, stellt er fest. Theoretisch können sich auch blinde Erwachsene die Technik aneignen. Das kommt jedoch bisher selten vor. Ursula Wulfekotte